Es war ein weiter Weg bis hierhin, und ich denke, ich darf mit Recht stolz sein auf das Erreichte. Am Anfang standen Entbehrungen, Überwindung und harte körperliche Arbeit, womit ich nicht gerechnet hatte. Heutzutage ist die Implantation ein ambulanter Eingriff. Man geht morgens nüchtern in die Klinik. Nach einigen Untersuchungen wird das UniCom eingepflanzt, und am Nachmittag geht man als veredelter Mensch nach Hause, beschenkt mit geschärften Sinnen und eingeklinkt in den nicht versiegenden Strom weltweiter Kommunikation. Nur die winzigen Schnitte hinter den Ohren zeugen von der Operation. Sie heilen innerhalb einer Woche. Danach erkennt man den Neubürger nur noch am ruhig pulsenden blauen Licht der Statusindikatoren, zwei winzigen runden Leuchtdioden, die im Halbminutentakt unter der Haut an den Schläfen aufblinken – als Beweis der Erleuchtung, der Adelung, der Aufnahme in die gehobene Schicht der Eingeweihten, der Vernetzten, der wahren Staatsbürger.
Ich musste ungleich mehr tun für meinen Ritterschlag. Für mich war es alles andere als ein Spaziergang. Nachdem ich mich Matana zuliebe bereits einmal verwandelt hatte, machte ich nun noch einmal eine Transformation durch, körperlich und psychisch, und diese Transformation verlangte mir mehr ab als nur den Kauf neuer Kleider und den Besuch eines Wellness-Tempels.
So unsicher ich am Abend der abgebrochenen Mittelgambit-Partie, als Matana mir seinen Vorschlag unterbreitete, auch gewesen sein mochte, so ungeduldig war ich am Morgen darauf, ihm zuzusagen. Ich kam mir vor wie ein Bündel Angst, und dennoch war mir klar, dass ich zusagen musste, dass es gar keine andere Reaktion geben konnte. Wie viele Menschen bekamen je eine solche Chance? Ich konnte nicht ablehnen. Nachdem ich aus dem Bett gesprungen war und die irritierenden Halluzinationen abgeschüttelt hatte, mit denen ich erwacht war, setzte ich mich an den Computer und schickte Matana eine Mail.
Ich bin dabei, schrieb ich, mehr nicht. Und als hätte er die ganze Nacht über nichts anderes getan, als vor dem Bildschirm auszuharren und auf meine Zusage zu warten, bekam ich postwendend Antwort.
Er habe nichts anderes erwartet, las ich.
Also war es beschlossen. Ein Zurück gab es nicht mehr.
aus: »Replay«,
© Benjamin Stein (2011)
Am 3. Juni 2011 um 13:40 Uhr
Schön Dich wieder zu lesen, mein Freund!
Am 4. Juni 2011 um 13:46 Uhr
Regen auf trockene Erde – ein Segen …