Rausch Haschonoh

8. September 2010

••• Im Laufe der Jahrtausende haben sich weltweit allerlei Varianten entwickelt, das Hebräische auszusprechen. Die aschkenasische Variante gehört meiner – selbstredend völlig unmaßgeblichen – Meinung nach zu den absurdesten. Da wird laufend aus einem O ein AU und aus jedem zweiten T ein scharfes S. Wer soll das verstehen?

Als Teenager war ich ja ganz ahnungslos in diesen Dingen, denen der jüdischen Religion wie auch denen der hebräischen Aussprachevarianten. In der DDR unterhielten die Gemeinden eine Zeitschrift, die quartalsweise herauskam. Auf der letzten Seite wurden die Gottesdienstzeiten veröffentlicht. Da las ich dann: »Rausch Haschonoh – Beginn dann und dann« und war ratlos.

Ich stellte mir einen graurauschebärtigen Herrn Haschonoh vor, der, heftig berauscht, schlafend den Feiertag verbringt. Aber warum? Von dieser Sitte hatte ich in der Bibel nichts gelesen.

»Gelobt sei sein Name«, also »Baruch Shemó« wird hierzulande zu »Boruch Schmau«, was sich eher wie ein Fluch anhört: Schmau Dich!

Tatsächlich pflegt fast niemand in München diese Aussprache, aber weil unser Rabbiner ein Überzeugungsmusterjecke ist, finden sich diese Vokabeln immer im Neujahrsgemeindeversand. Mitunter muss ich rätseln, was eigentlich gemeint ist, und mich schauderts.

Aber was soll’s? Also grüße ich heute Abend den Herrn Haschonoh, solange er noch nüchtern ist. Möge auch er ein gebenschtes Jahr 5771 haben!

10 Reaktionen zu “Rausch Haschonoh”

  1. Thomas

    AU-laut kann ich mir kaum vorstellen, schon die Wikipedia über die Bezeichnungen für die gregorianischen Monate in der hebräischen Sprache schreibt:

    Die modernen Monatsnamen in Israel entsprechen den deutschen Bezeichnungen: Januar, Februar, März usw. Die einzige Abwandlung ergibt sich beim Monat August, der Ogust ausgesprochen wird, da die Vokalverbindung au im Hebräischen ungewöhnlich ist.

    Quelle: Wikipedia – Einflüsse des Hebräischen auf das Deutsche und umgekehrt

  2. perkampus

    „schon die Wikipedia schreibt…“ :))))) was für eine sagenhafte Wendung.

  3. Benjamin Stein

    Tja, da ist die Wikipedia eben ein bisschen hinterm Mond. Das Zitat bezieht sich wohl auf die sephardische Aussprache, also darauf, wie auch modernes Ivrit gesprochen wird. In den Regionalfärbungen der Aussprache des Althebräischen gibt so etwas durchaus. Einfach mal nach »Rausch Haschono« googeln. Das hier ist mein Favorit:

    Pessach und Schowuaus heben die Schiwo auf und 15 Tage der Schelauschim, so daß nach Pessach bzw. Schowuaus nur noch 15 Tage der Schelauschim zu beobachten sind.

    Die Polnischen haben übrigens auch eine launige Sitte: Sie machen U zu I, da heißt es dann Eloheini statt Elohenu…

  4. Benjamin Stein

    Einen hab ich noch… Die Jiddischen Einflüsse sind auch nicht ohne. Addiert man die aufs Ashkenasische, wird z. B. aus »Mishlóach Manót« – das sind Essensgeschenke zu Purim – »Schlachmónes«. Das finde ich nun wieder so schön, dass ich es selbst benutze, jedes Jahr wieder zum Entsetzen der Herzdame.

  5. ksklein

    So ein Schmarrn. So leicht bin ich nicht zu entsetzen.

  6. Benjamin Stein

    Menno, jeglicher Versuch der »Legendenbildung« wird hier hintertrieben. Das ist soooo literaturfeindlich!

  7. ksklein

    Mach Literatur einfach ohne mich für die Legendenbildung zu verwenden. :) Zumindest hier im Blog. Dann muss ich auch nicht öffentlich widersprechen. ;)

  8. Dorit

    Übrigens…, am kommenden Sonntag (19.09.) ist entsprechender Thementag („Alles koscher…?“) bei 3sat:

    Da ist bestimmt auch nochmal „viel schönes dabei“, denke ich…! ;-)

  9. Thomas

    Hmm, das kommt davon, wenn einem für zwei Tage das Internet ausfällt. Man kann nicht mehr reagieren.

    Bei meiner Google-Suche bin ich bei Google Books auf „Leo Spitzers Briefe an Hugo Schuchardt“ von Leo Spitzer gestoßen, wo nicht nur von „Rausch Haschonoh“, sondern auch von „Jaum Kippur“ die Rede ist.

    Was den Thementag auf 3sat angeht, kann man ja schon froh sein, dass er an einem Sonntag läuft. Phoenix hat im Juli einen Thementag zum 60-jährigen Bestehen des Zentralrates der Juden in Deutschland ausgestrahlt, an einem Samstag. Wer wohl auf die Idee gekommen ist?

  10. Dorit

    War / ist übrigens wirklich höchstspannend der Thementag. Und das „spannendeste“ kommt erst noch, lieber Benjamin ;-):

    „Elisa Klapheck – Der Weg zur Rabbinerin“.

    Die Doku über Frau Bleiberg + Gatten und ihr Café wurde übrigens auch nochmal „versendet“ heute. Haben wieder viel gelacht. Die Frau ist einfach Klasse…!

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