Fiktion braucht den Tod

16. Juli 2010

Es geht schließlich darum zu begreifen, dass jeder Versuch einer Selbstfindung immer in einer Selbst-Erfindung mündet. Hediger erzählt nicht von sich, sondern das erzählende »Ich«, das Markus A. Hediger heißt, erzählt sich, d.h. es erschafft sich schreibend als einen Anderen. Daher gehen diese »Autobiographischen Fiktionen« unweigerlich durch diese Verstörung: »Ich weiß nicht mehr, wer ich bin.«

••• Mit großer Freude habe ich in den »Gleisbauarbeiten« von MelusineB die Rezension zum »Krötenkarneval« von Markus A. Hediger gelesen. Das hat mehrere Gründe.

Zum ersten bin ich immer froh, wenn bloggende Autoren sich in ihren Weblogs intensiv mit Veröffentlichungen anderer Autoren auseinandersetzen, wie es – für mein Gefühl – noch zu selten geschieht. Zum zweiten formuliert die Rezension deutlicher, als ich es je hätte tun können, warum ich dieses Buch in der Edition Neue Moderne herausgeben wollte, ja musste. Und drittens schließlich freut mich, dass Hedigers Text in dieser Rezensentin eine so aufmerksame und analytische Leserin gefunden hat.

»Krötenkarneval« ist die Geschichte eines Mordes. Zu Tode kommt: der »Ich-Erzähler«.

Nachzulesen ist die Rezension nebenan bei MelusineB.

7 Reaktionen zu “Fiktion braucht den Tod”

  1. Melusine Barby

    Danke! Ich lese auch Ihren Blog regelmäßig und mit besonderem Interesse über Religion. Die Überlegungen zu Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen Islam und Judentum haben mich sehr beschäftigt. Und im Kopf habe ich natürlich immer darüber nachgedacht, wo da das Christentumzu verorten ist.

    Es ist so wichtig, finde ich, sich den Differenzen zu stellen, das Unvereinbare auszuhalten, statt immer – wie es in den „Mainstream- Medien“ häufig ist, schnell drüber weg zu gehen und so banale Gemeinplätze als Gemeinsamkeit auszugeben.

    Herzliche Grüße
    M.B.

  2. Herr Darwin

    Ein Toter spricht zu uns aus der Tiefe eines Brunnens. Er kennt seinen Mörder, und er kennt auch die Ursache für den Mord: ein Komplott gegen das gesamte Osmanische Reich, seine Religion, seine Kultur, seine Tradition. Darin verwickelt sind die Miniaturenmaler, die beauftragt sind, für den Sultan zehn Buchblätter zu malen, ein Liebender und der Mörder, der den Leser bis zum Schluß zum Narren hält. Ein spannender Roman, der, als historischer Krimi verkleidet, immer wieder auch auf die gegenwärtige Spannung zwischen Orient und Okzident verweist.

    Irgendwie war alles schon mal da oder? Orhan Pamuk hat das geschrieben, Rot ist mein Name, heißt der Roman und es lohnt sich mal ausnahmsweise wirklich ihn zu lesen

  3. Benjamin Stein

    Ach, es gibt ja nicht Neues unter der Sonne! Aber ich meine sehr bestimmt, dass Markus A. Hediger sein Thema hier formell wie inhaltlich sehr eigen behandelt – eine originelle Variation auf das Thema.

    Ich hoffe, Sie ersparen uns Debatten à la solness. Die nämlich sind tatsächlich nur unoriginelle Wiederholungen des Immergleichen.

  4. Markus

    Huch, was hat der „Krötenkarneval“ denn mit einem Toten in einem Brunnen gemeinsam?

  5. Benjamin Stein

    Ist doch ein literarisches Weblog hier, Markus. Da dürfen die Assoziationen der Kommentierenden schon mal ein wenig abschweifen. Dass Du überall klaust, haben wir doch eh alle schon längst gewusst!

  6. Markus

    Weshalb meinst du denn, hab ich mich nach Brasilien abgesetzt? :-)

  7. ksklein

    Es geht bestimmt um den „Toten“ in Benjamins Roman. Mikveh ist eh so etwas wie ein Brunnen, also ist die Geschichte gleich. Aber der „Tote“ ist nicht tot, also geht es in dem Roman auch um „Untote“. Cool…. Zombies!!!! Orthodoxe Zombies!!!!!

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