Kreative Zerstörung

13. Juni 2010

Eine Seite aus »Notre Combat« von Linda Ellia, hier gestaltet von VilemEine Seite aus »Notre Combat« von Linda Ellia, hier gestaltet von Philippe Marchand
Eine Seite aus »Notre Combat« von Linda Ellia, hier gestaltet von Vilem bzw. Philippe Marchand

Was sollen wir machen mit einem solchen Buch? Es verbieten? Einige würden es dennoch heimlich herumreichen. Es vergessen? Das wäre beleidigend den Millionen gegenüber, die seinetwegen gestorben sind. Es verbrennen? Das hieße, auf Methoden der Nazis zurückzugreifen …

So heißt es im Vorwort des Buches »Notre Combat« der französischen Künstlerin Linda Ellia. Die Rede ist von Hitlers »Mein Kampf«. Und die zitierten Überlegungen stammen von Simone Veil, ihrerseits Überlebende der Shoah.

Als Linda Ellia eines Tages bei ihrer Tochter auf eine Kopie des Hitler-Buches stieß, war sie schockiert. Wie nur sollte sie der ahnungslosen Teenagerin erklären, was es mit diesem Buch auf sich hat, dass es sich um eines der verheerendsten Bücher überhaupt handelt?

Nach einer schlaf- und ratlosen Nacht, machte sich Linda mit einem roten Textmarker über das Buch her und übermalte eine Seite mit dem Gesicht einer schreienden Frau. Der kreative Akt hatte etwas Befreiendes, und sie fuhr fort, die Seiten des Hitler-Machwerks zu übermalen und mit eigenen Worten zu überschreiben.

Aus dem spontanen Akt der kreativen Zerstörung wurde schließlich ein weltumspannendes Kunstprojekt. Sechshundert professionelle Künstler, aber auch Laien aus 17 Ländern haben sich daran beteiligt. Von Anfang an spürte Ellia, dass Menschen unterschiedlichster Berufe und Herkunft etwas auszudrücken hatten, wenn sie konfrontiert wurden mit den extremen Ungerechtigkeiten und inhumanen Ideen, die dieses Buch propagiert.

»Ich habe«, sagt Ellia sogar Fremde angesprochen, bin zum Beispiel in ein Café gegangen und habe – von reiner Intuition bestimmt – Leute angesprochen, von denen ich annahm, sie könnten eine emotionale, künstlerische Seite gestalten.«

Erschienen ist das nicht mehr lesbare, transformierte Buch 2007 in Frankreich. Die umgestalteten Seiten sind im San Francisco’s Contemporary Jewish Museum ausgestellt. Ein Großteil ist sogar online verfügbar – auf der Website des Projektes »Notre Combat«.

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