Im Nebel

21. Mai 2010

The Mist
The Mist • ©2008-2010 SerdarAKIN@deviantart.com

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
kein Baum sieht den andern,
jeder ist allein.

Voll von Freunden war mir die Welt,
als noch mein Leben licht war;
nun, da der Nebel fällt,
ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,
der nicht das Dunkel kennt,
das unentrinnbar und leise
von allen ihn trennt.

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
jeder ist allein!

Hermann Hesse (1877-1962)

••• Es wird einfach nicht Sommer. Heute sitze ich hier im 35. Stock des o2-Hochhauses wie in einer Wolke. Draußen dichter Nebel. Und da kommt mir dieses Gedicht von Hesse in den Sinn, unvermeidbarer Begleiter durch Spätpubertätsdepressionen.

Kein Mensch kennt den andern,
jeder ist allein!

Das passt allerdings auch zum momentanen Status von »Diamond District«. Ich habe die Personnage für Teil I und III ausgearbeitet, Namen gefunden und Biographien skizziert. Ich war im ehemaligen Föhrenwald – dem letzten Displaced Persons Camp auf deutschem Boden, das erst 1957 geschlossen wurde (davon ein andermal mehr). Aber mich beunruigt doch, wie fremd mir diese »Figuren« noch sind, obwohl sie bereits begonnen haben, sich mir anzuvertrauen, mir ihre Geschichten zu erzählen.

Ein Veranstalter, der mich zu einer Lesung eingeladen hat, wünscht sich für das Programmheft ein paar Zeilen über meine Arbeitsweise. Man müsste das wohl – angelehnt an Lee Strasberg – »method writing« nennen. Ich versuche ja, jemand zunächst Fremden, Stimme zu sein. Das gestaltet sich schon bei Samuel Lachmann, dem Erzähler des ersten Teils, dem ich mich bereits vergleichsweise nah fühle, schwierig. Wenn ich an seine Tochter Sonia denke, die Teil III erzählen soll, fühle ich mich geradezu hilflos. Bei der »Leinwand« habe ich um die Frauen herumlaviert. Bei »Diamond District« wird das nicht gehen.

Also allein. Man muss wohl Geduld haben. Immerhin lernen Samuel und Sonia mich auch gerade erst kennen. Man kann nicht erwarten, dass sie sich einem Fremden gegenüber sofort rückhaltlos öffnen.

3 Reaktionen zu “Im Nebel”

  1. ksklein

    Bin gespannt, was Deine Frauen zu sagen haben. *lol

  2. Benjamin Stein

    Die werden jedenfalls kein Blatt vor den Mund nehmen, so viel steht schon mal fest.

  3. ksklein

    :) Denke nicht, dass das so schwer wird zu Schreiben. So bald der Anfang gemacht ist… ;)

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