Howard Koch nach Orson Welles 2010

9. Mai 2010

••• Was ich mit Ablenkungen meinte? Da kann ich mit einem Beispiel dienen, das literarische Qualitäten aufweist. Erinnert sich jemand an Howard Kochs literarischen Handstreich von 1938? Orson Welles hatte seinen Roman »Krieg der Welten« zu einem Hörspiel umgearbeitet. Inszeniert wurde es vom Mercury Theater in Form einer fiktiven Reportage nach einer Adaption von Howard Koch. Der amerikanische Radiosender CBS strahlte es am Abend vor Halloween am 30. Oktober 1938 aus. Dazu wurde der Handlungsort von England nach Grover’s Mill (New Jersey) in den USA verlegt und die Geschichte entsprechend angepasst.

Das Hörspiel führte Zeitungsberichten zufolge zu heftigen Irritationen bei der Bevölkerung von New York und New Jersey, die teilweise das Hörspiel für eine authentische Reportage hielt und einen tatsächlichen Angriff Außerirdischer befürchtete. Die Berichterstattung über diese Vorfälle machte die Sendung und damit auch den jungen Orson Welles weltberühmt. Einige Beschreibungen einer landesweiten Massenpanik sind jedoch mit Vorsicht zu genießen. Die kommunikations- und literaturwissenschaftliche Forschungsliteratur, allen voran eine Feld-Untersuchung von Hadley Cantril aus dem Jahr 1940, stellen die allzu gerne geäußerte kopflose Hysterie in Frage. Vielmehr war Orson Welles mitten in einen Medienkrieg geraten; ein Bericht unterstellte Orson Welles sogar, für den Tod eines Menschen verantwortlich gewesen zu sein. Orson Welles und sein Drehbuchautor Howard Koch nutzten das Spektakel als Karrierechance. Welles gab später zu Protokoll, er habe nicht mit dem Erfolg des Hörspiels gerechnet und daher den Bezug zu Halloween hergestellt, um wenigstens irgendwie aufzufallen. (s. wikipedia)

Die galoppierende Finanzkrise bietet derzeit Nährboden für Verschwörungstheorien, die an einigen Orten im Web in einer an diesen Radio-Coup erinnernden Form ausgestaltet werden. Letzten Freitag beispielsweise machte uns im Büro ein Kollege ganz kirre mit seiner Behauptung, am kommenden Wochenende, spätestens jedoch zu Pfingsten stünde den Deutschen eine Währungsreform mit Haircut ins Haus, also nicht einfach nur eine Währungsumstellung etwa zu einer DM 2.0 mit festem Umrechnungskurs gegenüber dem abgewirtschafteten Euro, sondern eine echte Währungsreform, bei der Guthaben nur bis zu einem bestimmten Niveau fest getauscht, Guthaben darüber jedoch entwertet würden. Wie so etwas funktioniert, kann man in der Wikipedia nachlesen, beispielsweise in dem sehr ausführlichen Artikel über die Währungsreform in Deutschland 1948, als die DM eingeführt wurde.

Die Quelle, auf die sich der Kollege berief, ist eine Website, deren Inhaber mit Edelmetallen handelt, also ein gewisses Interesse an Panik gegenüber den so genannten Fiat-Währungen hat. Die Website ist technisch in grausigem Zustand. Aber die ständig aktualisierten Infoseiten zur offenbar unausweichlichen Währungsreform in Deutschland sind lesenswert. Und bitte: wenn ihr dort lest, beobachtet, was diese Texte mit euch anstellen.

Howard Koch und Orson Welles hätten es nicht besser machen können. Der Funke des Zweifels wird überspringen, wenn nach der Lektüre nicht sogar der eine oder andere fest überzeugt sein wird, dass die DM 2.0 am kommenden Wochenende handstreichartig in Deutschland eingeführt wird. Ich meine: Immerhin ist die Polizei und das Heer schon in Alarmbereitschaft, diverse Geldtransporte wurden – getarnt als Gemüselieferungen – bei diversen Banken gesichtet. In ungezählten Geschäften werden die Preise bereits ohne Währungsangabe ausgewiesen, und auf immer mehr Kassenzetteln erscheinen die Beträge wieder in zwei Währungen (Euro und DEM, die Herzdame hatte doch letztens auch so einen Kassenzettel von unserem koscheren Metzger!). Nicht zuletzt spinnen die Banken derzeit, sehen sich außerstande, die Abgeltungssteuerbescheinigungen auszustellen oder weisen – wie gerade bei der Comdirekt – Billiardenguthaben in den Online-Depots aus, »Focus Money« titelt bereits wieder mit der DM, und und und… Wieviele Beweise braucht man denn noch?

Heute habe ich gedacht, dass es doch passender wäre, in Zeiten wie diesen eher mein Dystopie-Projekt »Pans Wiederkehr« zu verfolgen als »Diamond District«. Anderseits: Diamanten sind auch krisensicher – also: wenn man sie hat. So ein richtig heftiger Währungsschlamassel würde auch dem Diamant-Thema Auftrieb geben.

Und so etwas soll einen nicht ablenken? Ich bin heftig gespannt, ob nicht vielleicht doch was dran ist. Sollte sich Frau Merkel tatsächlich am kommenden Wochenende mit einer Rede an die Nation richten, um die Währungsreform zu verkünden? Wenn es so wäre, könnte ich nun immerhin sagen: Old news, im Turmsegler stand das schon letzte Woche.

6 Reaktionen zu “Howard Koch nach Orson Welles 2010”

  1. Gregor Keuschnig

    Diamanten sind – wie Gold – kurzfristig keine Lösung, da sie immer an das abstrakte Zahlungsmittel Geld gebunden sind. Ich denke in diesem Zusammenhang immer an die Tulpen-Krise aus dem 17. Jahrhundert.

    Der Euro muss tatsächlich in enorm grossen Problemen stecken, von denen der Bürger derzeit nicht annäherungsweise die Dimensionen mitbekommt. Ansonsten ist diese hektische Diplomatie nicht erklärbar. Dennoch steht er im Vergleich zum US$ noch über 20% stärker als bei seiner Ausgabe. Viel hängt davon ab, ob es den politischen Institutionen gelingt, die Märkte von der Stabilität zu überzeugen. Da sieht es derzeit eher schlecht aus.

    Ich habe mittelfristig die EU auseinanderbrechen sehen. Ich gebe zu, an den Euro nicht gedacht zu haben. Man kann die Spekulationen gegen Währungen nur durch die Trennung von investiven und realwirtschaftlichen Geldkreisläufen in den Griff bekommen. In den realwirtschaftlichen Geldkreislauf muss der Staat eine Bürgschaftsfunktion übernehmen (was er zum Teil ja jetzt schon macht). Die investiven Geldkreisläufe werden „privatisiert“. Dann können Spekulationsbanken pleite gehen, ohne die anderen Institute mitzureissen. Von solchen Lösungsansätzen sind wir im Moment so weit entfernt wie die Erde vom Saturn.

  2. Benjamin Stein

    Diamanten sind – wie Gold – kurzfristig keine Lösung, da sie immer an das abstrakte Zahlungsmittel Geld gebunden sind.

    Diamanten und Gold bleiben aber – entgegen dem Fiat-Money – konvertibel und zwar zu erstaunlich beständigem »Kurs«. Im alten Rom schon konnte man sich wie heute für eine Unze Gold gediegen einkleiden lassen. Das lässt sich mit Tulpenzwiebeln nicht vergleichen. Die Tulpenblase konnte nur so gigantisch werden, weil mit Zahlungsversprechen hantiert wurde. Deswegen mussten auch die Prozesse untersagt werden. Alle abgeschlossenen Händel auch nur real abzuwickeln, wäre nicht einmal möglich gewesen.

    Das Problem mit dem Geld ist, dass es kein tatsächlicher Wert ist, sondern nur ein Zahlungsversprechen, das vom Geldherausgeber jederzeit gebrochen werden kann. Eine Währungsreform ist so ein großangelegter Bruch des Zahlungsversprechens.

    Gold löst also weder die Probleme Griechenlands noch die der irrgelaufenen Fiat-»Wert«papiermärkte. Da haben sie recht. Aber ein Festhalten an golgedeckten Währungen hätte das beliebige Geldvermehren ohne Wertvermehrung, unter dem wir heute wieder einmal leiden, gar nicht erst ermöglicht.

  3. Gregor Keuschnig

    Tulpenzwiebel haben – wie Gold, Diamanten oder auch Silber – ihren Wert nur durch eine mehr oder weniger willkürliche Festlegung, die auf Marktmechanismen beruht. Der zugewiesene Wert des Goldes beruht nicht zuletzt auf seine begrenzte Verfügbarkeit bzw. die Knappheit am Markt. Würde irgendein Land auch nur Teile seiner Goldreserven auf dem Markt anbieten, würde der Preis sofort fallen. Das ist ähnlich wie Aktien, deren Kursgewinne zu realisieren für Grossanleger schwer ist: Werfen sie ihre Aktien auf dem Markt, tragen sie damit selber zur Reduzierung des Verkaufskurses bei.

    Nachdem die Spanier aus Mittel- und Südamerika Gold mitbrachten (was für die dortige Bevölkerung keinen grossen Wert hatte) brach kurzzeitig in Europa der Goldpreis ein.

    Auch Gold hat keinen „tatsächlichen Wert“ – ihm wird ein Wert zugewiesen. Hier ist es dem Geld nicht unähnlich. Der Vorteil scheint darin zu liegen, dass Gold seinen Wert in allen Währungen immer auf einem gewissen Niveau zu behalten scheint. Würde der Euro entwertet und durch eine DM2 ersetzt, kann man davon ausgehen, dass das Gold irgendwann einen äquivalenten Preis wieder erreichen würde. Gold kann als „Überbrückungsmedium“ dienen (ähnlich wie Immobilien, die selten vollständig ihren Wert verlieren). Als reines Zahlungsmittel taugt Gold allerdings kaum. Auch sein industrieller Wert ist eher begrenzt. Außer als Rohstoff für die (theoretisch überflüssige) Schmuckindustrie gibt es keine Anwendung, die Gold unentbehrlich machen würde.

    Dass der Preis für Gold steigt, beruht letztlich auch auf einem Versprechen, und zwar dass es universal konvertibel ist (was bisher immer gestimmt hat – s. Ihr Beispiel aus Rom). Zwei Maßnahmen sorgen dafür, dass der Wert des Goldes derzeit erhalten bleibt: 1. Die grossen Goldreserven werden nicht veräussert. 2. Die Goldminen befinden sich zum grössten Teil in kontrollierter Obhut, d. h. die Knappheit wird aufrecht erhalten.

  4. Dorit

    Hmm, das ist ja auch wieder interessant, was Ihr da heute diskutiert. Deshalb eine „Vorher“-Frage. Ich habe noch nix weiter gelesen, lediglich Eure Beiträge hier (meine „Nachher“-Frage würde dann folgen).

    Also, hier meine Frage an Euch, und zwar direkt aus der Praxis und dem wirklichen Leben…:

    Was muß ich konkret beachten bei der Umschuldung eines Hypothekendarlehens (Anschlußfinanzierung) im Moment…? Das mache ich nämlich gerade, und zwar ganz konkret heute und morgen.

    Also: lieber mit „krisensicherer“ Bank umschulden (was immer das nun auch gerade ist, + ggf. höheren Zins akzeptieren) bzw. / und alles so schnell wie möglich, bevor z.B. 800.000,- Euro nix mehr „wert“ sind…?

    Oder gar nix machen? Weil: die Hypothekenschuld hat sich dann ggf. auch in Luft aufgelöst.

    Nebenbei, eine schöne Vorstellung wäre das eigentlich: der Kredit bzw. die Hypothekenschuld auf unser Haus (in Selbstverwaltung + Eigentum seit 12 Jahren / Rechtsform: GbR) wäre schlagartig „abbezahlt“…?

    Mensch, das wäre (m)ein Geniestreich, wenn ich das meinen Mitstreitern vorschlagen könnte auf der nächsten Gesellschafterversammlung…! :-)

    Oder bin ich auf’m totalen Holzweg…? Was meint Ihr…?

    So, und nun lese ich mal Deine Verweise, lieber Benjamin… Dann sage ich Dir auch, was es mit mir macht etc. (apropos: bin nicht anfällig für Verschwörungsthorien, so gar nicht nicht). Guter Proband somit, oder…?

  5. Benjamin Stein

    @Dorit: Schulden verschwinden in einem solchen Fall leider nur für den Staat, der einen gehörigen Teil seiner Zahlungsversprechen bricht.

    Deswegen sagt Gregor Keuschnig richtig: Immobilien, so sie beliehen sind, taugen nicht zur Überbrückung. Im übrigen rede zumindest ich mich hier ohnehin schon um Kopf und Kragen. Ich werde mich hüten, auf Basis meines Viertelwissens Ratschläge zu geben. Wenn ich so fit wäre in Finanzdingen, müsste ich mich wohl gerade um meine Ersparnisse sorgen. Die habe ich aber nicht. Das sagt doch schon einiges, oder :-)

    @Gregor Keuschnig:

    Auch Gold hat keinen “tatsächlichen Wert” – ihm wird ein Wert zugewiesen. Hier ist es dem Geld nicht unähnlich. Der Vorteil scheint darin zu liegen, dass Gold seinen Wert in allen Währungen immer auf einem gewissen Niveau zu behalten scheint.

    Eben, als Überbrückung ist es damit tauglich. Unterdessen würden die weltweiten Goldreserven ohnehin nicht mehr für eine Währungsdeckung reichen. Wie absurd aber das gesamte Handelssystem ist, kann man allein daran sehene, dass selbst die Goldmengen, die eventuell in den nächsten zehn Jahren noch förderbar sind, bereits auf dem Markt umgehen – um mehr und mehr Luftwert zu generieren.

    Ich schäme mich heute gelegentlich, dass ich vor 10 Jahren Software für Hedge Fonds entwickelt habe. Es war die fruchtloseste und zweifelhafteste Nutzung meiner Fähigkeiten, zu der ich mich je habe hinreißen lassen. Und es hat sicher gute Gründe, dass eine Reihe unserer damaligen Geschäftspartner heute auf Staatskosten wohnen.

  6. Dorit

    Lieber Benjamin,
    nee okay, Schulden werden wohl nicht verschwinden. Das haste Recht.

    Ansonsten würde ich so ingsgesamt mal sagen: „ruhig weiteratmen“….! Und: Wer kein Geld hat, braucht sich darum mal nicht zu „sorgen“. Ist doch auch schön, oder…?

    Und falls es tatsächlich zu einer großen- bzw. „Ad-Hoc“-Inflation kommt, dann isses eben so. – Ggf. hat Muttern irgendwelche ernstzunehmenden Rücklagen…? Das wäre natürlich blöd.

    An einer Weltwirtschaftskrise (wie 1929 etc.), da werden wir ja ggf. und hoffentlich vorbeischlittern. Oder wird’s diesmal gar eine globale…? –

    Ansonsten, auch keine Ahnung, welche „Blase“ da als nächste platzt. Was zu sehen ist, daß die Zeitabstände immer kürzer werden…!

    So insgesamt würde ich dazu raten, nicht aufgeregt hin und her zu gucken, keine hilflosen Ruderbewegungen zu machen (den Kopf aber auch nicht in den Sand stecken…!). – Insofern: immer schön aus der Mitte heraus agieren. ;-)

    Und im Zweifelsfalle, ja: Geld in Gold „umrubeln“. Und falls man auf die Flucht muß, dann eben lieber in Diamanten. Und ggf. Konsumgüter kaufen (so Weihnachts- und Chanukka-Geschenke für 2010 etc.). Oder doch liebe Rohstoffe…?

    Ansonsten: ja, klar, nicht mehr für Hedge-Fonds programmieren. – Wir schulden, wenn möglich, mit der GLS-Bank um. – Also, wenn da Name („Geben, Leihen, Schenken“) nur annähernd Programm ist…? :-)

    Der Nachteil ist, daß die den Zinssatz einer Großbank wahrscheinlich nicht nur nicht toppen, sondern nichtmal annähernd erreichen werden. Nun auch das ist relativ und eine Frage der Entscheidung. Und die treffen ja am Ende der Gesellschafter 13.

    Mal sehen, wie’s ausgeht. David oder Goliath…? Wahrscheinlich wird’s die Mitte (Volks- und Raiffeisenbank). In diesem Sinne: vielen Dank für die Anregung mal wieder…!

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