••• Agentur und Verlag haben sich über »Diamond District« geeinigt. Nun steht der Vertrag ins Haus und mit dem Vertrag ein Termin, zu dem das Manuskript fertig sein muss, wenn das Buch wie geplant erscheinen soll. Ich werde sehr schnell in die 1-Seite-pro-Tag-Disziplin zurückfinden müssen, sonst ist es nicht zu schaffen. Das fühlt sich merkwürdig an. Zum ersten Mal wird auf ein Manuskript von mir gewartet. Das stachelt an. Aber es erinnert mich auch ein wenig an die Redaktionsschlusszyklen meiner Journalistenzeit: Es gibt eine Deadline. Die hatte ich mir freilich bei der »Leinwand« auch gesetzt und war am Ende zehn Wochen früher beim letzten Punkt als gehofft. Warum also bin ich unruhig?
Mit den Recherchen habe ich schon letzten August begonnen, die ersten Seiten im letzten November in Antwerpen geschrieben. Seither schleiche ich um den Text herum, sammle Stoff, brüte über der Konstruktion, den Erzählmotivationen der Protagonisten. Aber etwas fehlt noch: der »Sound«, die Atmosphäre. Ich sehe Samuel Lachmann, meinen ersten Erzähler, noch nicht vor mir, und ich höre ihn noch nicht. Letzten November in Antwerpen war das alles zum Greifen nah. Jetzt, bei all den utilitaristischen Verpflichtungen des Alltags, den Aufregungen um die »Leinwand« und – nicht zuletzt – all den Ablenkungen, da fällt es nicht leicht, dieses Gefühl zurückzurufen, sich dahinein zu versenken, abzutauchen, Samuel Lachmann zu werden.
Aber ich bin heiß auf diese Geschichte. Ich will mich jetzt hineinstürzen. Also muss ich mich herantasten an meinen Erzähler. Vielleicht geht es so: Die ersten Sätze mit der Hand schreiben. Die Exposition noch einmal sehr genau durchgehen, vielleicht ein weiteres Mal einsprechen und anhören. Vielleicht bitte ich auch jemand anderen, den Text einzulesen, damit ich ihn einmal aus anderem Mund höre…
Jedenfalls geht es jetzt los.
Am 7. Mai 2010 um 01:03 Uhr
Der Anfang ist schon mal klasse und spannend. Falls Du noch keinen zum Einlesen hast – wovon ich aber ausgehe – ich habe Zeit… ;)
Am 7. Mai 2010 um 16:50 Uhr
Vielleicht findest du in Jakob Eis zurück, indem du einfach den bereits geschriebenen Anfang wieder liest? Als Leser war er mir auf den wenigen Seiten schon sehr greifbar geworden.
Am 9. Mai 2010 um 20:27 Uhr
[…] Was ich mit Ablenkungen meinte? Da kann ich mit einem Beispiel dienen, das literarische Qualitäten aufweist. Erinnert […]
Am 10. Mai 2010 um 10:48 Uhr
Nun, Benjamin, zurück vom Festival des Europäischen Debütromans in Salzau (großartigst!): Ich lese! Morgen ist Lesetag! Und ich schon ganz zappelig ;)
Am 10. Mai 2010 um 15:52 Uhr
Weißte, was da helfen könnte, Samuel Lachmann zu „werden“…?
Da könntest Du Dir ggf. bei den Schauspielern was abgucken, wie die sich in eine Figur „versenken“, sich ihr vergegenwärtigen bzw. die Figur sich.
„Herantasten“, das trifft es schon ziemlich genau (s. Deine Überschrift). Und zwar im wahrsten Wortsinne. Kennste das…?
Das fiel mir gestern so ein. Ist vielleicht auch Quatsch mit Soße…? Könnte sein. Mir hilfts (also jetze mal beim Drehbuch).
Am 12. Mai 2010 um 13:08 Uhr
W. G. Sebalds Roman „Austerlitz“ beginnt auch in Antwerpen (Bahnhof, Nocturama…).