Wladimir Majakowski: »Wie macht man Verse?«, Verlag Volk und Welt 1949
••• Erinnert sich noch eine(r): Wladimir Majakowski ist jener unsterbliche futuristische Dichter, der vor genau zwei Jahren hier im Turmsegler eine Gastkolumne über das Versemachen schrieb – und unerkannt blieb, weil er, wie wir herausfanden, 20x weniger berühmt ist als Salinger (sic!).
Einen Gastbeitrag ganz besonderer Art kann ich heute ankündigen. Es handelt sich sogar um eine Reihe von Gastbeiträgen, also gewissermaßen eine Gastkolumne.
Das Thema ist schwergewichtig: Was ist Dichtung? Und: Wie schreibt man Verse? Dass ich keinen Zweifel daran hege, dass der Kolumnist uns Wesentliches zu sagen haben wird, das wird nicht verwundern, wenn ich den Namen des Autors nenne: Wladimir Majakowski.
Er hat übrigens zugesagt, sich an allfälligen Diskussionen hier im Turmsegler zu beteiligen.
Ich hatte mir das so schön ausgedacht, und doch ging die Reihe völlig in die (Wolke in) Hose(n). Zu schade!
Letzte Woche nun fuhr ich mit einer Freundin in Berlin zur Lesung im LCB am Wannsee raus, und sie zog ein Geschenk für mich aus der Tasche. Ich konnte es kaum glauben: In einem Antiquariat hatte sie die deutsche Erstausgabe von »Wie macht man Verse?« des Verlages Volk und Welt von 1949 in bestem Zustand gefunden. Und schenkte es mir. Ich strahlte.
Die sehr gelungene Übersetzung wurde von Siegfried Behrsing besorgt, der bei allen transkribierten russischen Namen die Betonung markiert – also bspw: Wladímir Konstantínowitsch – so dass für den Uneingeweihten ein wenig vom originalen »Sound« erhalten bleibt. Der 125 Seiten schmale Band enthält nicht nur Majakowskis Essay übers Versemachen, sondern – ebenfalls erstmalig auf Deutsch – seine telegrammartige Autobiographie »Ich selbst« (1906-1928).
Ich bin Dichter. Das macht mich interessant. Darüber schreibe ich. Über den Rest auch – soweit wortgeworden.
Daraus werde ich in den nächsten Tagen einige Auszüge bringen. Es lohnt dranzubleiben.
Dies übrigens ist mein Beitrag zur unseligen Debatte über die »Werthaltigkeit« von Weblogs, die von der FAZ mit einem tendenziösen Dossier anlässlich der re:publica losgetreten wurde und in deren Verlauf sich Thomas Hettche mit einer erschütternden intellektuellen Volte zu der Behauptung verstieg, das Internet sei und werde kein Platz für Literatur. Unsinn!, konterte Alban Nikolai Herbst auf der Frontseite des letzten »Freitag«, und seither fetzt man sich, dokumentiert das Fetzen, analysiert genau und treffend – aber wird es etwas nützen? Ich bezweifle es.
Die Chancen stehen allein deswegen schon schlecht, weil es nicht um Diskurs und fruchtbare Auseinandersetzung geht, wenn man einen hämischen Ton wie den im FAZ-Dossier anschlägt. Es geht der FAZ um Diskreditierung. Dass jemand wie Hettche diesem Versuch die helfende Hand reicht, ist traurig. Aber auch auf der »Gegenseite« wird das Zurückbeißen nichts nützen. Es ist ebenso tendenziös und wird zu nichts führen und zwar aus dem gleichen Grund, weswegen es Literatur im Netz heute – zumindest im hinterherhinkenden Deutschland – noch immer ebenso schwer hat wie eine fruchtbare Auseinandersetzung über Literatur im Netz: Noch immer überschneiden sich die Rezipientenkreise Buch/Feuilleton und Weblogs in Deutschland nur ungenügend. Die überwältigende Mehrheit des Publikums wie auch der Feuilletonisten hat hierzulande noch immer keine Ahnung davon, was Literatur im Netz bedeuten kann und wo sie stattfindet. Und ein großer Teil des Blogpublikums hat – wie das völlig geplatzte Majakowski-Experiment hier im Turmsegler illustriert – leider nur eine rudimentäre Ahnung von Literatur und deren Geschichte.
Wäre nun die FAZ – was ihr als »Leitmedium« doch wohl gut anstünde – an einem tatsächlichen, ergebnisoffenen Diskurs interessiert, hätte die Redaktion mal einen Blick beispielsweise in dieses Buch werfen sollen, um sich zu informieren. Sie hätte einige der auch im Web aktiven Schriftsteller zu Essays in der Print-FAZ animieren können, um den noch netzfernen unter ihren Lesern einen Eindruck davon zu vermitteln, was heute wie und in welcher poetologischen Tiefe bereits in literarischen Weblogs verhandelt wird. Diese Chance ist nun erst einmal vertan. Statt eine fruchtbare Debatte zu führen, verschanzt man sich in Schützengräben, ideologisiert und betreibt mit Häme Besitzstandswahrung. Intellektuell unredlich und unwürdig finde ich das.
Wie wäre es denn mit einem »Versuch 2.0«?
Am 18. April 2010 um 12:06 Uhr
[…] . Ausgeschlafener Kommentar zu Goetz @ HS- Show bei Jörg Meyer . Lesenswert weiters der Turmsegler , natürlich der Umblätterer und aviess.posterous […]
Am 18. April 2010 um 14:56 Uhr
Lieber Turmsegler,
gratuliere zu diesem schönen Geschenk!
Aber Achtung, astaroshna: Wladimir MaJakowski, ne MaKakowski ;=(
Am 18. April 2010 um 15:25 Uhr
Herrje, nicht der einzige Tippfehler heute :-(
Am 18. April 2010 um 17:35 Uhr
Die Aufregung um Thomas Hettche verstehe ich nicht.
Er stellt fest, die Mehrheit, der Autoren, die den Heidelberger Appell unterzeichnet haben, bloggt nicht.
Hettches Frage, »Warum möchte man eigentlich Schriftstellern partout neue Medienformate aufschwatzen?« besagt lediglich, Literatur ist möglich – auch ohne Internet. (Wie ein Leben ohne Mops.)
Zum Thema Literatur und Medienwandel fällt mir Uwe Brandner ein (aus dem Jahr 1968):
PS: Das Thema kommentiere ich noch am liebsten im »Turmsegler«, weil man hier die Sache sehr ernst, sich selber aber nicht so fürchterlich wichtig nimmt. ;-)
Am 18. April 2010 um 18:19 Uhr
Hettche schreibt in seinem Beitrag allerlei Zutreffendes, aber eben auch viel Unsinn. Zudem bringt er Dinge zusammen, die nicht zusammen gehören und schon gar nicht in diese Debatte. Hegemann bspw. ist völlig irrelevant. Hätte er von Airen gesprochen, hätte er ein Beispiel gegeben, wo Blog-Literatur zwischen Buchdeckel gewandert ist. Dass es etwas über literarische Qualifikation aussagt, ob man den Heidelberger Appell unterzeichnet hat, ist gänzlich irrwitzig. Wer denken kann und informiert ist, hatte mehr Gründe, ihn nicht zu unterzeichnen als Gründe, es zu tun. Hettche hätte einfach einen denkgewohnten Freund gegenlesen lassen sollen, bevor er einen solchen Artikel abliefert. Sich selbst hat er, der besseres kann, keinen Gefallen getan, dem Diskurs schon gleich gar nicht.
Und Sie haben recht: ich behandle das gern ernsthaft, aber die Literatur schert sich nicht drum, ob sie der FAZ passt oder nicht. Das ist mir sympathisch. Man wird diesen Aufruhr ganz schnell vergessen, es sei denn, das Feuilleton entscheidet sich doch noch, das Thema einmal ernsthaft aufzugreifen – ideologiefrei.
Am 18. April 2010 um 20:38 Uhr
Konstantin Klein bringt die Sache mit der Internet-Nichtgutfinderei wunderbar auf den Punkt.
Am 29. April 2010 um 13:06 Uhr
[…] Über Tage war allerdings viel von Thomas Hettches in der FAZ veröffentlichtem Artikel, mit dem die Debatte ihren Anfang nahm, und Alban Nicolai Herbsts im Freitag publizierte Gegenstellungnahme zu lesen. Beide Texte wurden gerade in Blogs zitiert, kommentiert und mal zustimmend, mal ablehnend weiter-, aber auch neugeschrieben und -gefaßt. […]