Beschleunigte Einblicke

6. Januar 2010

Charlotte Grasnick
Charlotte Grasnick (1939-2009)

••• Kaum habe ich mir für das neue Jahr ein wenig Beschleunigung gewünscht, schon bekomme ich sie. Die letzten drei ereignisreichen Tage habe ich in Berlin verbracht, um mit Ulrich Grasnick und Verbrecherei-Verleger Jörg Sundermeier über mein noch ausstehendes Nachwort zu Charlotte Grasnicks »Gesammelten Gedichten«, Gestaltungsdetails und Termine (!) zu sprechen. Außerdem stand ein Besuch im Atelier von Prof. Dieter Goltzsche auf dem Programm, der uns angekündigt hatte, wir würden aus einem großen Angebot neuer Zeichnungen zu Charlottes Gedichten unsere noch benötigten 10 Blätter für den Band auswählen können.

Angekommen bin ich in Berlin am Sonntagvormittag. Um 12 war ich bei Ulrich Grasnick in seinem Häuschen im völlig zugeschneiten Mahlsdorf, zum ersten Mal seit sicher 15 Jahren, aber es kam mir so vor, als sei ich erst gestern zuletzt dort gewesen. Bei einer gehörigen Menge Rotwein sichteten wir Unmengen von Fotos: von Charlotte, ihrer Mutter und Großmutter, der Grasnick-Familie. An die 60 Fotos habe ich gescannt.

Besonders begeistert haben mich die Silberplattenaufnahmen der Großmutter Anna Flume, zwischen ca. 1905 und 1940 entstanden. (Irgendwann wechselte sie auf Film.) Das sind Kunstwerke und zum Teil in ihrer Komposition ungeheuer modern und ausdrucksstark.

Charlottes Großmutter Anna Flume mit ihren Kindern Erika und Otto
Charlottes Großmutter Anna Flume mit ihren Kindern Erika und Otto

Erika Flume (spätere Müller), Charlottes Mutter, gemeinsam mit ihrem Bruder Otto, fotografiert auf Silberplatte von Charlottes Großmutter Anna Flume
Erika Flume (spätere Müller), Charlottes Mutter, gemeinsam mit ihrem Bruder Otto, fotografiert auf Silberplatte von Charlottes Großmutter Anna Flume

Erika Flume (spätere Müller), Charlottes Mutter als Mädchen, fotografiert auf Silberplatte von Charlottes Großmutter Anna Flume
Erika Flume (spätere Müller), Charlottes Mutter als Mädchen, fotografiert auf Silberplatte von Charlottes Großmutter Anna Flume

Natürlich haben wir auch viel über Charlotte, ihr Elternhaus, die 48 Jahre dauernde Ehe und Charlottes Gedichte gesprochen. Unversehens war es Mitternacht und wir beide gehörig angeschlagen. Ich kam erst gegen 2 Uhr nachts ins Bett und hatte am Montagmorgen mit deutlichen Nachwirkungen zu kämpfen.

So kam ich gegen Mittag nach Kreuzberg zum Verbrecher Verlag, wo ich Verleger Jörg Sundermeier zum ersten Mal persönlich traf, vom Vortagesgespräch erzählte und Details des geplanten Buches besprach: Gestaltung, Termine, Nachwort und und und.

Da ich erfahren hatte, dass meine Agentin – obgleich offiziell noch im Urlaub – schon wieder im Büro am Kreuzberger Paul-Lincke-Ufer saß, fuhr ich im Anschluss noch dorthin. Bei unserem letzten Treffen im Januar 2009 hatte »Die Leinwand« noch keinen Verlag. Als ich gestern bei Susan Bindermann und Gudrun Hebel reinschneite, lag das gerade eingetroffene Leseexemplar von Beck schon auf dem Tisch …

Der Abend geriet kurz, weil ich doch einigen Schlaf nachzuholen hatte. Mein Quartier hatte ich übrigens in der Nürnberger Straße (Nähe Kudamm) bei Bleibergs, wo ich nicht nur mit Macchiato-Infusionen, sondern auch mit Spagetti (Soja-) Bolognese (sehr zu empfehlen zu meiner – ich gebe es zu – Überraschung) und Anekdoten aus dem Berliner Gemeindeleben versorgt wurde.

Dort las mich Jörg Sundermeier am Mittwoch gegen 11:00 auf, und wir fuhren mit dem Auto nach Mahlsdorf, um Ulrich Grasnick abzuholen. Mit ihm an Bord ging es dann nach Friedrichshagen, wo – grad um die Ecke von meinem Elternhaus – Dieter Goltzsche wohnt und arbeitet. Der Empfang bei Goltzsche war sehr herzlich. »Wie heißt der Verlag?« – »Verbrecher Verlag.« Da leuchteten seine Augen schelmisch, und er meinte: »Na, dann sind wir ja unter uns.« Im Atelier dampfte schon der Tee. Der musste allerdings warten, weil wir alle viel zu gespannt auf seine Zeichnungen waren, als dass wir uns noch lange hätten gedulden können.

Wie sich herausstellte, hat Goltzsche jeden Tag gezeichnet, seit wir ihn um weitere Blätter für den Band gebeten hatten. Aus über 50 Zeichnungen konnten wir auswählen. Zusätzlich zu den 10 benötigten Blättern haben wir noch ein 11. als Frontispiz ausgewählt. Ich bin sehr glücklich mit der Auswahl und danke Dieter Goltzsche auch an dieser Stelle noch einmal für seinen kreativen Einsatz und das großzügige Entgegenkommen, ohne das wir den Band unmöglich durchgängig mit den nun 19 Federzeichnungen hätten ausstatten können.

Nach dem Besuch bei Goltzsche blieb gerade noch Zeit für eine Kaffee-Pause mit Ulrich bei meiner Mutter, die ja – wie gesagt – nur um die Ecke wohnt. Dann musste ich mit den vielen gesammelten Schätzen im Gepäck schon wieder aufbrechen.

Jetzt bin ich froh, dass ich mir mit dem Schreiben des Nachworts so lange Zeit gelassen habe. Die Begegnungen der letzten Tage und das viele neue Material haben mir noch einmal neue Einblicke eröffnet. Jetzt muss ich mich aber an den Text setzen. Am 15. Januar muss das Manuskript des Bandes finalisiert beim Verlag sein, damit wir mit dem Band noch rechtzeitig zur Leipziger Buchmesse herauskommen können.

Charlotte Grasnick am Ostseestrand bei Graal Müritz
Charlotte Grasnick am Ostseestrand bei Graal Müritz

3 Reaktionen zu “Beschleunigte Einblicke”

  1. Markus

    OFF-TOPIC:

    Lieber Benjamin,

    Ich muss jetzt ein bisschen Fingerklopfen betreiben, so schwer mir das auch fällt: Dein Entscheid, nur noch Anrisse für Feedreader freizugeben, ist für mich Anlass genug, das Abonnement zu kündigen. Der Sinn eines Readers besteht gerade darin, alles an einem Platz zu finden, ohne im Netz von einer Seite auf die andere herumhopsen zu müssen.

    Zum anderen: Was bringt es Dir? Bessere Klickraten? Mehr Leser auf jeden Fall nicht. Jetzt sogar einen weniger.

    Dennoch beste und liebste Grüsse und Wünsche für ein erfolgversprechendes 2010

    Markus

  2. Benjamin Stein

    Dieser »Entscheid« ist gar kein Entscheid. Ich habe gestern ein WordPress-Update eingespielt und seither wohl ein Feed-Problem. Beruhige Dich also erstmal, und dann wirst Du bald feststellen dürfen, dass es wieder vollständige Beiträge im Feed gibt.

  3. Markus

    Und schon bin ich wieder beruhigt…

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