Charlotte Grasnick (Mitte der 1980er Jahre)
••• Vor mir liegt das Manuskript für den ersten Gedichtband, den ich als Verleger (oder zumindest als Herausgeber) betreue. »so nackt an dich gewendet« soll er heißen und die etwa 150 gesammelten Gedichte von Charlotte Grasnick enthalten. Da die Originalausgaben vergriffen sind, waren die Rechte erhältlich. Wie ich es von Charlotte kannte, existierten keine elektronischen Versionen. Ich musste alles aus den gedruckten Büchern abtippen.
Wie ich erfahren habe, wurden Lyrikbände in der DDR in Auflagen gedruckt und offenbar auch verkauft, die hier nicht einmal überdurchschnittlich gut laufende Romane erreichen: mehrere Tausend. Dieser Gedichtband, der Charlotte Grasnicks lyrisches Werk wieder und dauerhaft zugänglich machen soll, wird wohl eher eine Liebhaberausgabe in deutlich kleinerer Auflage werden. Illustriert wird er sein mit Grafiken von Wilhelm Lachnit und Dieter Goltzsche. Ich hoffe, noch einen Part mit nachgelassenen Gedichten und solchen aus Anthologien hinzufügen zu können, die nicht in den erschienenen Gedichtbänden enthalten waren.
Ein Text von Reinhard Jirgl liegt mir inzwischen vor, in dem er – ausgehend von einem Autographen von Charlotte – in ein Zwiegespräch mit ihr tritt und so eine Annäherung an ihre Verse versucht. Jirgl, dem gerade der Lion-Feuchtwanger-Preis verliehen wurde, lernte einen Teil seines dichterischen Handwerkszeug wie ich in den literarischen Zirkeln des Ehepaars Grasnick.
Abschließen will ich den Band mit einem sehr persönlich gehaltenen Nachwort.
Vorerst ist aber das Manuskript zu korrigieren und zu finalisieren. Bei einigen Gedichten muss ich gemeinsam mit Ulrich Grasnick nochmals versuchen, Handschriften zu finden und mit den gedruckten Versionen zu vergleichen. Der zuletzt erschienene Band »nach diesem langen Winter« wurde unter Zeitdruck zusammengestellt, und nun ist an einigen Stellen fraglich, ob ich es bei bestimmten Interpunktionen oder grammatikalischen Wendungen mit Druckfehlern, Flüchtigkeiten oder aber bewusst gewollten Auffälligkeiten zu tun habe. Da bleibt noch viel zu tun.
Einen Einfall wagen
ich muß einen Einfall wagen
wenn in deinen Adern
arglistige Frauen sich bewegen
über die Korridore huschen
oder schwerfällig schlurfen
und an den Türen lauschen
wenn sie in deinen Adern pausenlos
ihre Gebetsmühlen mahlen
sie halten die Bänder
weit auseinander
bevor sie sich eine unendlich
breite Schürze umbinden
sich an das Fenster setzen
eine Kaffeemühle
zwischen die Knie
gezwängt
eine Katze springt auf ihren Rücken
während sie die Kaffeebohnen
einzeln abgezählt
Perlen von einem Rosenkranz
abbeten
Bohne für Bohne
zwängt sich ins Mahlwerk
© Charlotte Grasnick (1994)
Am 12. Oktober 2009 um 09:33 Uhr
[…] In dem letztens erwähnten Text Reinhard Jirgls zu den späten Gedichten von Charlotte Grasnick beginnt er mit einer autobiographischen […]
Am 9. Juli 2010 um 15:53 Uhr
http://lovegermanbooks.blogspot.com/2010/07/buchner-prize-to-reinhard-jirgl-mann.html