Paulo Coelhos Litblog

29. September 2009

Paulo Coelho
Paulo Coelho

It is funny to see all these multinational corporations saying that they don’t want to distribute free contents because they are »protecting« the author. As an author, I would like to stress that our goals are to be read to be listened or whatever. I believe everybody is going to find an economical model, so everybody will be happy, but till this happens let’s allow free contents as it is.

Paulo Coelho

••• Spiegel Online berichtet über den Aufschub der gerichtlichen Anhörung zum Vergleich zwischen Google und der Gegenseite – den US-Autoren und Verlagen – die gegen gegen das Google Books Settlement vorgehen. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels betrachtet den Aufschub als Teilerfolg und damit Grund zur Freude.

Interessant scheint mir, dass es gar nicht mehr um die Autoren und deren Rechte zu gehen scheint, sondern nur noch um Pfründeverteilung. Anders kann man die scharfe Kritik etwa von Amazon kaum deuten und auch die Einlassung, dass für die europäischen Werke doch bitteschön ein europäisches Digitalisierungsprojekt gestartet werden sollte.

Man kann den Eindruck gewinnen, dass das ganze Beharren auf dem Urheberrecht den kämpfenden Kaufleuten lediglich Vehikel zur eigenen Besitzstandswahrung ist.

Oben in diesem Kontext Paulo Coelho zu zitieren, ist natürlich bewusst provokant. In diesem Zusammenhang sei einmal auf Coelhos (literarisches) Weblog hingewiesen. Als Meister der Selbstvermarktung führt Coelho auch dieses Weblog mit großem Erfolg. Das Konzept ist einfach: Coelho wirft eine Frage in den Online-Raum (textuell und per Video-Botschaft), die von den Lesern eifrig in den Kommentaren diskutiert wird – häufig ohne jedes weitere Zutun des Autors. Einige Beiträge haben zwischen 2.000 und 3.000 Kommentaren. Das lässt auf einen nicht zu unterschätzenden Online-Leserkreis schließen.

Obiges Zitat ist Coelhos aktuelle Diskussionsvorlage.

8 Reaktionen zu “Paulo Coelhos Litblog”

  1. perkampus

    coelho ist ein popstar. es gibt aber popstars, die interessanter sind, und die in einem literarischen weblog mehr zu sagen hätten als coca cola.

    und es stimmt: ein meister der selbstvermarktung. nie hatte jemand weniger zu sagen; ich kenne auch niemanden, der schlechter schreibt und dadurch die dummheit der masse entlarvt.

  2. Benjamin Stein

    Dass Coelho ein Popstar ist, kann man wohl sagen. Ob er schlecht schreibt, kann ich aus schierer Unkenntnis seines Werks nicht beurteilen. Immerhin: Literatur hat eine gewisse Spannbreite, und innerhalb dieses Spektrums ist Raum für verschiedenste Genres und Macharten. In dem Bereich, den Coelho bedient, muss er wohl etwas zu bieten habe – also sehr vielen Lesern etwas geben, womit sie etwas anfangen können.

  3. perkampus

    sehr diplomatisch, der gute benjamin. neinnein, coelho macht schon alles richtig, er ist ja schließlich der stephen king der esoteriker:)

  4. Robinson Crusoe « Turmsegler

    […] Defoe — auch so ein Popstar? […]

  5. Benjamin Stein

    der stephen king der esoteriker

    Glänzend einsortiert, wie mir scheint. Er hat also erfolgreich eine Nische gefunden, die offenbar eher eine Felsspalte, wenn nicht gar ein Dinosaurierfluchtweg ist.

    Mich regt das gar nicht auf. Das muss es geben. Meinst Du, durch einen Coelho-Leser geht ein Proust-, Joyce-, Cortázar-, You-name-it- … Leser verloren?

  6. Markus

    Coelho selbst kümmert sich, wie er schon oft kundtat, herzlich wenig um Kritik, die aus den litarischen Zirkeln aus aller Welt auf ihn niederprasselt. Er selbst hat nie den Anspruch an sein Werk erhoben, es sei Literatur. Diese Behauptung wurde ihm von der Literaturkritik untergeschoben, damit sie über ihn lästern konnte.

    Das Phänomen Coelho kann man, glaube ich, nur vor dem Hintergrund des während Jahrhunderten eingeübten und erprobten brasilianischen Hangs zum Synkretismus verstehen, der damit begann, dass die Sklaven ihren afrikanischen Gottheiten die Gewänder der katholischen Heiligen überzogen, um sie nicht ganz aufgeben zu müssen. Es hat funktioniert. Heilige werden heute kopfüber in den Kühlschrank gestellt, um sie so dazu zu bewegen, Gebete zu erhören (selbst für einen Märtyr ist das zu viel des Guten – oder der Demütigung – von einer (aber-)gläubigen Hausfrau, die ihrem Mann wegen seiner Affäre mit dem Dienstmädchen Böses will, derart respektlos behandelt zu werden). Seither durchmischt sich in Brasilien Voodoo mit Katholizismus mit Buddhismus und Spiritualismus und jeder nimmt sich aus jeder Religion das, was gerade seinen Zwecken dient oder sein Gemüt aufzuhellen verspricht. Coelho tut nichts anderes. Dass allerdings diese „Technik“ weltweit so einen grossen Anklang findet – darüber müsste man sich den Kopf zerbrechen, nicht über Coelhos Bedeutung für die Literatur. Vielleicht hat es ganz einfach nur damit zu tun, dass er den Menschen vorgaukelt, das Transzedente sei harmlos und nichts weiter als ein williger Zudiener der menschlichen Sehnsüchte.

    (Es ging – auch das muss gesagt werden – jedoch ein Schrei der Entrüstung durch die brasilianische Literaturszene, als Coelho in die Academia Brasileira das Letras – dem brasilianischen Literaturolymp – gewählt wurde und er damit das Recht erwarb, sich den Titel „Unsterblicher“ an die Brust zu heften. Der Skandal, den diese Wahl auslöste, rührte daher, dass die übrigen „Unsterblichen“, die ihn in ihre Reihen wählten, offenbar nicht zwischen Religion und Literatur zu unterscheiden wussten. Und wieder einmal zeigte sich, dass Unsterblichkeit dem menschlichen Geist nicht gut bekommt. Mit der Unsterblichkeit geht die Fähigkeit zur Unterscheidung zwischen Gut und Böse verloren und der Allmächtige tat gut daran, den Menschen aus dem Paradies zu vertreiben, bevor er auch noch vom Baum des Lebens ass.)

  7. Benjamin Stein

    Danke, Markus, für diesen schmackhaften Kommentar und besonders für die kopfüber gekühlten Heiligen. Grandios!

    Ach, in Brasilien kann man noch unsterblich werden! Wow!

  8. perkampus

    hehe

Einen Kommentar schreiben

XHTML: Folgende Tags sind verwendbar: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>