Crônica

13. August 2009

»Krötenwanderung« • Eine Gastkolumne von Markus A. Hediger

Die »crônica« ist eine literarische Gattung, die sich in Brasilien seit über 150 Jahren großer Beliebtheit erfreut. Im Laufe dieser Zeit hat sie eine Formenvielfalt angenommen, die es Literaturwissenschaftlern schwer macht, sie noch klar zu definieren oder auch nur einzugrenzen. Man ist sich zwar weitgehend darüber einig, dass – wie so vieles andere auch – die »crônica« ihren Ursprung nicht in Brasilien hat, aber nirgendwo sonst findet sie derart breite Akzeptanz.

Über die »crônicas« von Vinícius de Moraes fand ich im Alter von siebzehn Jahren überhaupt erst den Zugang zur Literatur. Ich verliebte mich in diese kurzen Texte, in denen der Autor alles in seinem Alltag zum Anlass nahm, um über Musik, Poesie und die Liebe zu schreiben, und dies in einer Sprache, die mich damals vollkommen verzauberte: Para viver um grande amor…

Die »crônica« ist von einigen auch schon als »Erzählung ohne Plot« definiert worden, aber im Grunde ist sie eine Zeitungskolumne, die dem Dichter große Freiheiten lässt und ihm in erster Linie dazu dient, ein finanzielles Auskommen zu finden. Zu diesem Zweck darf die »crônica« in der einen Woche als Tagebucheintrag daherkommen, in der nächsten als Essay, dann wieder als kurze Geschichte oder als tiefsinnige Reflexion über einen Gedanken, der ihm durch den Kopf ging, während er am Kiosk Zigaretten kaufte.

In der Regel sind »crônicas« subjektive, oft autobiographisch gefärbte Texte, eher locker dahingeschrieben und bisweilen auch recht amüsant. Sie dürfen sich der Ironie bedienen, zu polemischen Mitteln greifen, Politikern in die Suppe spucken oder dem Leser auch nur einfach ans Herz rühren. Maximale Freiheit also und somit genau das, was ich für diese Kolumne brauche…

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