Die Mär vom sauberen Krieg

5. Juli 2009

••• Ein Bekannter meiner Frau wird eine für die kommende Woche geplante Besichtigung der Synagoge am Jakobsplatz boykottieren, weil er den Bericht von Amnesty International über den Gaza-Feldzug gelesen hat und auf eine schriftliche Anfrage bei der Jüdischen Gemeinde keine Antwort erhielt. Erhofft hatte er sich eine Verurteilung der den Israelis vorgeworfenen »Kriegsverbrechen« oder doch zumindest einen Ausdruck des Bedauerns. BBC News Online gibt einen Kurzüberblick über den Bericht.

Wirklich Neues erfährt man nicht, abgesehen natürlich davon, dass Krieg in jedweder Form und an jedwedem Ort und aus jedwedem Grund widerlich, blutig und grausam ist. Menschen ziehen in den Krieg, um durch Töten zu klären, was sie friedlich offenbar nicht klären konnten. Immer kommen dabei »Unbeteiligte« zu Schaden. Und warum ist das so? Weil der Soldat, der mit der Waffe hinausgeht, um »den Feind« zu töten, bereits die Grenze überschritten hat. Er ist bereit zu töten. Und er steht einem Feind gegenüber, der dazu ebenso bereit ist. In einer solchen Situation kann niemand mehr für sich und die eigene Menschlichkeit garantieren. Ist es erst einmal so weit, herrschen Angst und Hass, wie sehr man das auch rationalisieren und beschönigen möchte.

Die weitaus meisten von uns hier in Mitteleuropa kennen Krieg nur aus den Geschichtsbüchern und natürlich aus den Medien. Selbige wollen uns spätestens seit dem ersten Golfkrieg immer wieder weismachen, es gäbe so etwas wie einen »sauberen Krieg«, den korrekten, chirurgisch exakten Feldzug, bei dem nur der Bösewicht umkommt, und am Ende ist alles gut. Wir möchten das glauben. Und das ist verständlich. Denn anzunehmen, dass Kriege ganz und gar unvermeidlich wären, so naiv ist dann doch kaum einer von uns. (Ich verweise hier nochmals auf meinen Gaza-Beitrag vom 12. Januar diesen Jahres und möchte an jeden appellieren, sich einmal die eigene Gemütslage vorzustellen, wenn man über Jahre einer solchen Bedrohung ausgesetzt ist.)

Wie steht es nun um die verständliche Empörung des Boykottwilligen? Willkommen in der Realität, möchte man ihm zurufen. So und genau so widerlich ist die Welt da draußen. Erinnert er sich nicht mehr an Korea, an Vietnam, an Afghanistan und Irak? Von Ex-Jugoslawien ganz zu schweigen. Hat er Ground Zero vergessen? Wenn nicht, wie kann er dann immer noch an den aseptischen Krieg glauben und annehmen, dass Geschosse unterdessen mit Intelligenz und Mitgefühl ausgestattet wären und um Kinder und Frauen einen Bogen machen?

Ich bin misstrauisch bei solchen Entrüstungsbeteuerungen. Und ich bin besonders misstrauisch, wenn sie zu Reaktionen gegen die jüdische Gemeinschaft beispielsweise hier in München führen. Da liest man: »Über die Vorgehensweisen der Hamas ist man sowieso entsetzt, von den Israelis erwartet man eben zivilisierteres Vorgehen.« Daran stimmt mehreres nicht. Erstens kann ich nicht einsehen, dass man alle Mitglieder einer Religionsgemeinschaft in »Sippenhaftung« nimmt. Ich bin als Jude nicht automatisch israelischer Staatsbürger und dort wahlberechtigt, um mit meiner Stimme die dortige Politik zu beeinflussen. Selbst wenn ich es wäre, hätte auch ich keine Lösung parat für das Problem, an dem sich die Weltpolitik seit Jahrzehnten die Zähne ausbeißt. Weiterhin frage ich mich, warum man von Israelis in Reaktion auf jahrelange Angriffe ein »zivilisierteres« Verhalten fordern kann. Das könnte nur bedeuten, von ihnen generellen Verzicht auf bewaffnete Intervention zu verlangen, weil es eben keinen »zivilisierten Krieg« gibt. Und das, während beispielsweise die Amerikaner gerade dabei sind, wieder einmal ein von ihnen »befriedetes« Land nach und nach zu räumen und der »Krieg gegen den Terror« unvermindert nahezu weltweit andauert.

Besonders verstörend finde ich die Reaktion des entrüsteten Mitbürgers: Er boykottiert einen Synagogenbesuch. Das ist nun freilich die untauglichste Art, mit dem Problem umzugehen. Denn so geht man dem Dialog aus dem Weg. Man hält sich die lebendige Erfahrung des Anderen vom Leibe und damit auch die unangenehme Situation, durch Dialog gegebenenfalls eine nuanciertere Vorstellung der Konfliktlage zu bekommen.

Ich will keinen einzigen Kriegstoten sehen, nirgendwo auf der Welt, denn es gibt kein menschliches Leben, das mehr oder weniger wert wäre als ein anderes. Solange aber leider noch immer gilt, was Brecht sagt, nämlich dass der Mensch leider gar nicht gut ist, so lange bleibt uns Friedensverwöhnten hier nur eines: Das Gespräch suchen, die Angst vor dem Fremden überwinden und Dialog üben. Verlegen wir uns stattdessen auf Boykotte, kommen wir dem Traum einer Welt ohne Kriege keinen Schritt näher.

11 Reaktionen zu “Die Mär vom sauberen Krieg”

  1. dirk

    Hi. Ich sehe nicht, dass der Mensch nicht gut ist. Mir scheint, er lebt in Verhältnissen (unterschiedlichen), die es ihm schwer machen, gut zu sein, ihr. Das ist schade und wir sollten, wenn wir etwas sollten, uns der Verbesserung dieser Verhältnisse widmen. Ich denke, das tun wir. Viele von uns Menschen. Die beliebte Haltung (nicht Standpunkt), Menschen seien schlecht und müssten verbessert werden, führt zu den entsetzlichen Fragen des Wie und Wer: Die Weisen, die Aufgeklärten, die Siegreichen? Durch Bildung, Erziehung, Kontrolle, Militär? Wer fragt da überhaupt? Von wo her? Die einen meinen, ohne Aufsicht zöge der Lynchmob durch die Straßen, die anderen, man hülfe einander. Keiner will Leid.

    Daraus folgt für mich, das die politischen Klassen der Staaten, überwiegend Vertreter des pessimistischen Menschenbildes, Hirten, niemals Frieden bringen werden. Immer muss jemand unterdrückt werden. Immer ist Widerstand dagegen legitim, wenn man nur die Blickrichtung ändert.

    Und nein, ich finde das nicht naiv. ;-)

  2. Benjamin Stein

    Hi. Ich sehe nicht, dass der Mensch nicht gut ist. Mir scheint, er lebt in Verhältnissen (unterschiedlichen), die es ihm schwer machen, gut zu sein, ihr.

    Spontan wollte ich Dir zustimmen. Kann ich aber nach kurzem Überlegen doch nicht. Ich bin, was den Menschen angeht, eher skeptisch. Daher mein Hang zu Endzeitvisionen und Dystopien. Das allein den Verhältnissen zuschreiben? Höchstens insofern: Sobald der Mensch nicht mehr »gezwungen« ist, blättert die hauchdünne Firnis des Zivilisatorischen ganz schnell ab. Und Soldaten – zumal ja meist noch nicht mal 20 Jahre alt! – werden bewusst in die Situation gestellt, in der diverse Zivilisationsvereinbarungen aufgehoben sind.

  3. dirk

    Ja, das ist der Unterschied. Ich erlebe eben den Firnis als das Übel, Menschen bewaffnet und in Uniformen gesteckt. Banditen morden mal eine Familie, Staaten löschen Millionen aus. Ich glaube nicht mal, dass es Vereinbarungen braucht, man braucht keinen Grund, seine Mitmenschen nicht zu ermorden – man braucht einen Grund, es zu tun. Den liefert meist „das Höhere“.

    (Wenn ich bei Twitter antworte, siehst du das nicht, oder?)

  4. Benjamin Stein

    (Wenn ich bei Twitter antworte, siehst du das nicht, oder?)

    Doch, aber ich würde mich freuen, wenn wir mit den Diskussionen zu den Beiträgen auch hier im Blog blieben, denn Twitter ist ein allzu flüchtiges Medium.

    Ich erlebe eben den Firnis als das Übel …

    Oha!, das ist mal eine Ansicht, über die sich lange grübeln lässt. Von dieser Seite habe ich das Problem noch nie betrachtet.

  5. Markus

    Ich sehe nicht, dass der Mensch nicht gut ist. Mir scheint, er lebt in Verhältnissen (unterschiedlichen), die es ihm schwer machen, gut zu sein, ihr.

    Ich sehe darin einen pragmatischen Wert (ob es sich, so wie Benjamin einwendet, genau andersrum verhält, darüber liesse sich lange streiten): Dirks Position wendet den Blick ab vom Schlechten, das erlitten wird, hin zum Guten, das getan werden kann. Sehe ich mich als Opfer, bindet mir das die Hände.

  6. Horst

    Hallo liebe Leser,

    ich bin der von Benjamin Stein erwähnte Kollege seiner Frau, der den Synagogenbesuch boykotiert hat.

    Nun ich habe mein Ziel erreicht, nämlich, dass eine mehr oder weniger öffentliche Diskussion über dieses Thema entstanden ist. Hätte ich nichts getan, wäre auch diese Diskussion nicht entstanden.

    Der Bericht von Herrn Stein überzeugt mich aus mehrerer Gründen nicht.

    1.

    In dem Bericht von Amnesty wäre nichts neues hat er geschrieben. Das wäre schrecklich, wenn das so wäre, denn das würde heißen, dass es schon immer so gewesen wäre, dass die israelische Armee mit Waffen mit hoher Präzision (Auflärungsdrohnen, unbemannte Flugzeuge mit hochauflösender Optik und Geschossen), absichtlich auf Zivilisten schießen und das sie palästinensische Zivilisten als Schutzschilde nehmen. Das hat es soviel ich weiß, bisher nicht gegeben.

    2.

    Er behauptet, dass es normal ist, dass in einem Krieg auch Zivilisten verletzt und getötet werden und das chirurgische Eingriffe nicht möglich sind.

    Ganz vermieden kann es natürlich nicht werden Zivilisten zu treffen, aber es kann vermieden werden sie absichtlich zu treffen und in den Berichten von AI heißt es ja dass es absichtlich war, die sich teilweise mit Berichten von israelischen Soldaten decken.

    Außerdem habe ich in der Zeit gelesen, dass die Kriegführung im Irak wesentlich auf Kriegsrelevante Ziele beschränkt war, in Gaza und Libanon dagegen flächendeckende Bombardements gelegt wurden.

    Insgesamt ensteht durch die Berichterstattung und Amnesty International wiederholt der Eindruch, dass die israelische Armee eine kollektive Bestrafung des palästinensichen Volkes vornimmt.

    In den Berichten von AI geht es ja garnicht um vermeidbare zivilie Opfer sondern ganz klar um absichtlich verletzte und getötete zivile Opfer, die hätten vermieden werden können.

    Aber komischerweise geht Herr Stein da garnicht drauf ein und schreibt so als ginge es um den normalen Wahnsinn des Krieges. Die Anschuldigungen von AI sind ganz konkret und es wäre mir lieber wenn er auf diese konkreten Anschuldigungen, konkret einginge.

    In Sippenhaft nehme ich niemanden, mir ist nur einfach momentan nicht danach die Synaoge in München zu besuchen. Ich werde es wahrscheinlich zu einem anderen Zeitpunkt mal machen und nutze außerdem meine Absage dazu, eine Diskussion auszulösen anstatt nur dazu zu schweigen. Also das Gegenteil was Herr Stein meinte. Gut das konnt er natürlich nicht wissen.

    Und genau dieses Schweigen werfe ich der Kultusgemeinde gegenüber den Vorwürfen von AI vor. Sie hat übrigens schon geantwortet, aber damit, dass sie dazu keine Stellung nehmen kann.

    Was mich aber auch sehr bestürzt ist, dass zwei jüdische Mitbürger mit denen ich über dieses Thema gesprochen habe die Anschuldigungen entweder als normal bezeichnen (Herr Stein) oder sie teilweise als legitimes Recht auf Rache sehen. Die gezielten Tötungen von Zivilisten, verurteilt mein jüdischer Freund immerhin schon.

    Was die Benutzung von Zivilisten als Schutzschilder angeht, kann ich es ein bischen verstehen, da die Hamas ja sogar ihre eigenen Leute als Schutzschilder benutzen. Aber Zivilisten mit weißen Fahnen mit hochpräziesen Waffen absichtlich zu erschießen ist sehr wohl und zum Glück etwas neues und ich hoffe, dass es nicht zum Alltag der israelischen Kriegsmethode wird und ich finde es sehr bedauerlich, dass Herr Stein nicht auch darüber bestürzt ist und statt es statt dessen so darstellt als wäre es unvermeidbar, was in den Anschuldigungen von AI dargestellt wurde.

  7. Benjamin Stein

    Lieber Horst, dass Sie sich persönlich hier zu Wort melden, finde ich sehr ehrenhaft, und es freut mich. Ich werde Ihnen noch ausführlich antworten. Geben Sie mir ein wenig Zeit.

  8. ksklein

    (Und ich wäre so gerne zusammen mit meine Chef in die Synagoge gegangen! *zwinker)

  9. Benjamin Stein

    Lieber Horst, zunächst ein paar Worte zur Antwort der IKG, dass sie zur Frage keine Stellung nehmen könne. Sie kann dies tatsächlich nicht, weil sie schlicht der falsche Adressat ist. Die Israelitische Kultusgemeinde ist eine Kultusgemeinde, also eine religiöse Einrichtung, die ihren jüdischen Mitgliedern ungeachtet derer politischen Ansichten, Herkunft und Traditionen die Ausübung ihrer Religion ermöglicht. Die IKG ist keine politische Organisation. Politische Stellungnahmen von ihrer Seite sind eine faktische Unmöglichkeit der politischen Usancen. Die richtige Adresse wäre der Zentralrat der Juden in Deutschland, bei dem es sich um eine politische Organisation handelt. Und selbst von dort würde es – ich möchte sagen: selbstverständlich – keine »Verurteilung« geben, wie sie Ihnen vorschwebt. Man stelle sich nur die BILD-Schlagzeile am Folgetag vor: Zentralrat verurteilt Kriegsverbrechen in Gaza! Wie sehr den einzelnen Vertreter jeder Tote in diesem Konflikt schmerzen mag, wird niemand ein solches Statement abgeben. Und ich verstehe das.

    Ich möchte nicht anzweifeln, dass die im AI-Bericht angeführten Geschehnisse Tatsachen sind. Ungeachtet dessen halte ich den Bericht für tendenziös. Warum? Er ist einseitig und geht mit keinem Wort auf die Randbedingungen ein, die überhaupt zum bewaffneten Eingreifen führten. Die Tatsache jedes einzelnen Toten ist erschreckend. Überraschend hingegen sind die berichteten Dinge für mich tatsächlich nicht. Dieser Feldzug ist ein Krieg des 21. Jahrhunderts, das Aufeinandertreffen einer Armee »nach alter Manier« und einem paramilitärischen Gegner, der die Strategie der asynchronen Kriegsführung verfolgt: Partisanenkampf modernen Zuschnitts aus der Mitte der Zivilbevölkerung heraus. Hier gibt es kein Schlachtfeld mehr, auf dem sich Krieger begegnen. Kommt es hier zu einem Feldzug, findet er notgedrungen inmitten der Zivilgesellschaft statt – weil die Hamas das Schlachtfeld so gewählt hat. Und so läuft die Entscheidung letztlich darauf hinaus, ob man den Feldzug deswegen nicht führt. Führt man ihn, sind IMHO alle diese erschreckenden Begleiterscheinungen fast nicht mehr vermeidbar. Das lehren uns die Guerilla-Kriege des letzten Jahrhunderts.

    So stellt sich für mich die Frage auch nur so: Kann man von Israel verlangen, stillzuhalten? Und ich bin tatsächlich überzeugt, dass man dies nicht verlangen kann. Aus diesem Grund würde auch ich keine öffentliche Verurteilung äußern, was allerdings wohlgemerkt nicht bedeutet, dass ich alle Folgen billige oder gar begrüßen würde.

    Wie stark die gesamte Strategie der Hamas auf das Medienecho und die moralische Bestürzung der westlichen Welt setzt und erfolgreich damit spielt, kann man an einem Detail des AI-Berichtes sehen. Zivilisten als »menschliche Schutzschilde« zu nutzen, ist gang und gäbe im Vorgehen der Hamas. Schießen die Israelis, entrüstet sich die Welt, weil auf Zivilisten geschossen wird, nicht jedoch, dass man sich überhaupt dieser Methode bedient. Greift nun, wie von AI berichtet, die israelische Armee zu dieser »Taktik«, entrüstet sich die Welt, dass sie dies tut, nicht aber, dass die Hamas dennoch schießt. Dies zeigt die Doppelmoral in der Beurteilung, die unterschiedlichen Maßstäbe, die angesetzt werden. Ich kann mir diesen Wahrnehmungs- und Wertungsspagat nur auf eine Weise erklären: Dass nämlich davon ausgegangen wird, dass sich die Palästinenser (jeglicher Couleur und Auffassung) per se im Recht befinden und nur aus tiefster Verzweiflung überhaupt zu Mitteln wie Selbstmordanschlägen und Raketenabschüssen von Krankenhausdächern greifen. Dass sie sich im Recht befinden, weil Israel »ihr« Land widerrechtlicht annektiert hat und besetzt hält – weil die Juden da ja schließlich gar nichts verloren haben.

    Und dann kommen wir bei der Kernfrage an, um die es meines Erachtens tatsächlich geht: das Existenzrecht Israels. Dass ich dieses ohne Wenn und Aber verteidige, wird niemanden wundern.

  10. Horst

    Lieber Benjamin,

    wahrscheinlich habe ich dann wohl meine Mail an die falsche Adresse geschickt. Ich habe da vielleicht etwas unüberlegt gehandelt und hätte sie eben an den Zentralrat der Juden schicken sollen. Aber es wäre wohl das gleiche Ergebnis gewesen. Und wenn der Zentralrat der Juden einen Protest an die israelische Regierung abgeben würde, dass wäre doch mal eine wunderbare Sache im Sinne einer demokratischen Kontrolle eines kriegerischen Konflikts. Ich finde es außerordentlich bedauerlich, dass das schon als ein fast unmöglicher Akt angesehen wird.

    Ich weiß nicht warum es so schwierig ist zu verstehen, aber gezielte, von mit hochauflösender Optik ausgestatteten Drohnen abgefeuerte Schüsse auf Zivilisten sind doch vermeidbar, was soll daran unvermeidbar sein? Zivilisten als Schutzschilde zu benutzen wäre auch vermeidbar, aber wie gesagt, dass kann ich noch verstehen, mit den Erfahrungen mit den Palästinensern und um das Leben israelischer Soldaten zu schützen. Außerdem benutzen sie ja nicht die eigene Zivilbevölkerung als Schutzschild, wie Hamas das macht.

    In einem Punkt muss ich dir recht geben, wenn die Hamas menschliche Schutzschilder benutzt regen sich die Organisationen weniger auf, aber vielleicht auch deswegen, weil sie schon abgestumpft sind und das schon seit sehr langer Zeit passiert. Das soll keine Entschuldigung sein, aber wie gesagt, die Auswirkungen der viel Mächtigeren sind eben auch viel größer und verheerender.

    Den Bericht von AI ist ja ein Bericht speziell über Kriegsverbrechen irgendeiner Kriegspartei und gar nicht darauf angelegt zu erklären, was die Gründe des Eingreifens in Gaza waren. Darüber ist man ja in den Medien ausführlich unterrichtet worden, daher kann ich nicht nachvollziehen, warum er deshalb einseitig sein soll. Außerdem wird glaube ich mit keinem Wort das grundsätzliche Eingreifen der israelischen Armee verurteilt. Und das man einen Feldzug in Gaza geführt hat konnte so ziemlich jeder verstehen, selbst die angrenzenden arabischen Staaten und auch ich, aber es geht hier lediglich um wahrscheinliche Kriegsverbrechen und die sind, wenn es eine Armeeführung wirklich will, vermeidbar. Ich finde wir sollten nicht am Thema vorbei reden.

    Ich weiß, viele Israelis glauben, dass sich eine Art Antisemitismus hinter der kritischen Berichterstattung vieler Medien verbirgt. Kann sein und wohl wahrscheinlich, dass es einige Medien gibt, die so eine Haltung haben. Ich glaube aber, (und es ist der Grund warum ich manchmal so entsetzt bin über das Vorgehen der israelischen Armee) dass der vorwiegende Grund für die kritische Berichterstattung ist, dass Israel eben viel mehr zerstört in den Auseinandersetzungen mit der Hamas, als die Hamas und so manches Mal, viel mehr zerstört als notwendig wäre um die Hamas in die Schranken zu weisen.

    Was hat denn der Gazafeldzug gebracht? Die Raketen werden unvermindert weiter abgeschossen, eine Menge Menschen sind gestorben um ein Problem zu lösen, dass leider immer noch nicht und genauso wenig gelöst worden ist. Und durch die Art der Kriegsführung der Israelis, ist der Gazastreifen noch viel weniger imstande ein menschenwürdiges Leben zu führen und der Radikalismus verbreitet sich noch viel mehr, dass ist doch nicht im Sinn von Israel. Das wusste man vorher nicht, aber man hätte es sich denken können.

    Und der Eindruck, dass die Methode der Flächenbombardements und der gezielten Tötung von Zivilisten, ein gezielter kollektiver Bestrafungsakt ist, bleibt leider nach wie vor.

    Nicht das grundsätzliche Eingreifen, aber manche von AI erwähnten Methoden und auch, dass so wenig Kritik von der eigenen Bevölkerung aus Israel und in anderen Ländern lebender Juden an diesen Methoden kommt und die Siedlungspolitik Israels, halte ich für einen großen Fehler und er wird überall auf der Welt dazu führen, dass Israel immer mehr Sympathien verliert, der Antisemitismus sich immer mehr verbreitet und das ein Frieden mit den angrenzenden Ländern und mit den Palästinensern immer schwieriger wird.

    Meine Vorschläge: Schluss mit der Siedlungspolitik. Auch mit der Hamas reden, dann wird sie früher oder später auch Israel anerkennen. Der Hamas und der Menschen im Gazastreifenbessere Lebensbedingungen ermöglichen für eine von Israel oder einer von Israel als anerkannte neutrale Macht, kontrollierte Entmilitarisierung im Gazastreifen.

    Mit der Fatah ist ja auch irgendwann geredet worden obwohl sie Israel nicht anerkannt haben und jetzt herrscht mehr oder weiniger Ruhe im Westjordanland und die erkennen Israel an. Einer muss den Anfang machen. Da ist mit Verhandlungen letztendlich was erreicht worden, auch wenn sie vorher Terroristen waren.

  11. Benjamin Stein

    Leider dauert dieser Konflikt schon 60 Jahre und hat die Ideen und die Geduld von mehreren Generationen verschlissen. Im übrigen gibt es schon lange keine Siedlungen mehr im Gazastreifen. Gaza und Westbank sind eben nochmals zwei unterschiedliche Schuhe – wie Hamas und Fatah. Und wie eine kontrollierte Entmilitarisierung des Gazastreifens durch eine anerkannte neutrale Macht (welche denn?) aussehen soll, wüsste ich gern!

    Es bleiben für mich bei diesem Konflikt nach wie vor viel mehr Fragen als potentielle Antworten.

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