Katze und Schwanz

26. Juni 2009

Nur der innere Werth einer literarischen Unternehmung ist es, der ihr ein dauerndes Glück bei dem Publicum versichern kann; auf der andern Seite aber ist es nur dieses Glück, welches ihrem Urheber den Muth auf die Kräfte gibt, etwas beträchtliches auf ihren Werth zu verwenden. Die große Schwierigkeit also ist, dass der Erfolg gewissermaßen schon realisirt sein müßte, um den Aufwand, durch den allein er zu realisiren ist, möglich zu machen. Aus diesem Zirkel ist kein anderer Ausweg, als daß ein unternehmender Mann an jenen problematischen Erfolg so viel wage, als etwa nöthig sein dürfte, ihn gewiß zu machen.

••• Diese Zeilen aus Schillers »Horen-Manifest« kann man sich lange auf der Zunge zergehen lassen. Ebenso jene Illusion, derenwegen über die Jahrhunderte hinweg immer wieder solche Anstengungen unternommen wurden und werden:

Jeder Schriftsteller von Verdienst hat in der lesenden Welt seinen eigenen Kreis, und selbst der am meisten gelesene hat nur einen größeren Kreis in derselben. So weit ist es noch nicht mit der Cultur der Deutschen gekommen, daß sich das, was den Besten gefällt, in Jedermanns Händen finden sollte. Treten nun die vorzüglichsten Schriftsteller der Nation in eine literarische Association zusammen, so vereinigen sie eben dadurch das vorher getheilt gewesene Publicum, und das Werk, an welchem alle Antheil nehmen, wird die ganze lesende Welt zu seinem Publicum haben. Dadurch aber ist man im Stande, jedem Einzelnen alle die Vortheile anzubieten, die der allerweiteste Kreis der Leser und Käufer einem Autor nur immer verschaffen kann.

Oder ist das jetzt defätistisch?

Den gesammelten Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe – dem diese Zitate entnommen sind – kann man übrigens nun via Blog und RSS-Feed in verträglichen Dosen zu sich nehmen.

Giesbert Damaschke, studierter Germanist und Doktor philosophiae, bringt die Gespräche in Echtzeit im Blog briefwechsel-schiller-goethe.de. Echtzeit, das heißt hier: Die Briefe werden in der Reihenfolge und mit dem zeitlichen Abstand gebloggt, in dem sie ursprünglich geschrieben wurden. Das heißt auch 999 Briefe oder Blogeinträge in elf Jahren. Sein Ende wird das Projekt also, wenn es durchhält, im Jahre 2020 finden. Pünktlich zum 215. Todestag von Schiller. [s. zeitjung.de]

Damaschke dürfte mit dem Projekt keine große Mühe haben. Er bedient sich der öffentlich zugänglichen Quelle auf wissen-im-netz.info. Die dortige Ausgabe wurde von Jürgen Kühnle besorgt, wobei der seinerseits eine nicht mehr urheberrechtlich geschützte kommentierte Ausgabe der Briefe der Cotta’schen Buchhandlung aus dem Jahre 1881 heranzog. Ein Überfliegen des rot auf der Eingangsseite prangenden Hinweises beleuchtet übrigens einmal mehr die absurden Seiten der Urheberrechtsdebatte:

Die allgemeinen HInweise wurden von mir überarbeitet und der aktuellen Rechtschreibung angepasst und unterliegt damit wieder dem Urheberrecht. Die Briefe sind in der Schreibweise belassen, die in der von mir verwendeten Vorlage verwendet wurde.

Ausdruck und Grammatik sind genau so, wie man es sich von jemandem wünscht, der eine Neuausgabe »korrigiert«. Was bitte möchten Sie denn urheberrechtlich geschützt bekommen? Ihre Schlamperei? Das Copy-Paste in ein fades HTML-Layout? Da verweise ich gern noch einmal auf Phidias und Praxtiteles. Man sollte wenigstens so viel Anstand haben, ein Angebot, das maßgeblich aus Material der Public Domain besteht, auch wieder in dieselbe zu geben.

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