Der nächste Umbruch

19. Juni 2009

Dass die Akzeptanz des lesenden Publikums zum Wechsel auf Lesegeräte und elektronischen Dateien wesentlich größer sein könnte, als sich das Bücherwürmer bisher träumen ließen, zeigt eine Zahl: 35 Prozent aller Buchverkäufe (nach Stückzahlen, nicht nach Wert) sind bei Amazon inzwischen elektronische Versionen für den Kindle, sagt Amazon-Gründer und CEO Jeff Bezos erst Anfang dieser Woche im Magazin Wired. Mehr als ein Drittel – und das in weniger als zwei Jahren.

••• Via Lotrees Journal gefunden beim österreichischen »Standard Online«. 35%? Diese Zahl hat mich dann doch enorm überrascht. Und dann beachte man noch den Zusatz in Klammern: »nach Stückzahlen, nicht nach Wert«.

13 Reaktionen zu “Der nächste Umbruch”

  1. perkampus

    das ist kein umbruch, sondern eine seit jahren logische entwicklung. da es vielen immernoch um einen inhalt geht und nicht um die art, wie die blätter aneinander geheftet wurden, ist dabei nichts verblüffendes. wenn mich ein gedicht interessiert, kümmert es mich nicht im mindesten, ob dabei „blätter rascheln“. abgesehen davon ist es endlich wieder möglich, mit einer bibliothek zu reisen, ohne zehn elefanten auf die reise mitzunehmen. es steht außer frage, dass auch ich bücher ganz gut leiden mag. aber sie sind begrenzt, sie sind teuer und sie sind abhängig. es gibt viele gründe, die für einen erfolg des digital-textes sprechen. einer ist seine direktheit.

  2. Benjamin Stein

    Die obige Aussage ist natürlich Marketinggewäsch. Man müsste fragen: Wie hoch ist der Anteil von Amazon am Gesamtbuchmarkt, und wo werden sonst noch eBooks verkauft? Nur dann käme man zu einem aussagekräftigen Prozentanteil des eBooks am Gesamtbuchmarkt. Dies jedoch beiseite, darf man wohl immer noch annehmen, dass der Anteil spürbar steigt.

    @p: Ich glaube nicht, dass wir annehmen dürfen, eBooks würden auf Dauer deutlich preiswerter sein als gedruckte Bücher. Immerhin kommt es den Wäldern zugute: Für Bücher, die nicht gekauft/gelesen werden, stirbt auch kein Baum :-)

  3. perkampus

    natürlich ist das werbung. aber ich kenne selbst viele, die den reader verwenden. das ganze ist noch keineswegs ausgereift, und es wird auch noch ein paar jahre dauern, bis sich da etwas entscheidendes tun wird. aufzuhalten ist diese entwicklung hingegen nicht. wälder sterben aus ganz anderen gründen. ich habe kein buch gemacht aus regenwald. in europa gibt es ja nur noch im osten und im norden wälder. daran ist die literatur nicht schuld.

  4. Benjamin Stein

    Wovon eher wenig gesprochen wird: Wir werden dann weniger haben fürs gleiche Geld – ein eBook, das uns selbst an ein bestimmtes Gadget eines bestimmten Herstellers fesselt und nicht mehr lesbar ist ohne dieses Gerät; ein eBook auch, das wir weder verleihen noch wieder verkaufen können.

  5. perkampus

    möglich. aber es wird immer reader geben, die auch pdf lesen. die können autoren selbst gestalten. kein mensch braucht einen verlag, nur ein portal. die autoren sind selbst gefragt, ihr material unter die leute zu bekommen.

  6. Markus

    ich bin mir nicht sicher, ob verlage in gänze hinfällig sein werden. verlage drucken bücher ja nicht nur. meine beiden bisherigen bücher wären ohne lektoratsleistung nicht das papier wert gewesen, auf denen sie – noch – gedruckt wurden. aber es wird, denke ich, tiefgreifende strukturänderungen geben. möglicherweise werden verlage, wie sie in der heutigen form – noch – existieren, komplett verschwinden. einige der dienste aber, die sie anbieten, wird es weiterhin brauchen.

  7. perkampus

    ein lektor ist ja kein verlag, bzw. auch nicht von einem abhängig. und ob ein verlag einen „sinnvollen dienst“ anbietet ist streitthema. autoren kamen zu allen zeiten gut und besser ohne verlagsanstalten aus, wenn es um literatur ging. ging es ums geschäft, musste ein dealer her. verlagert sich alles in netz – und das wird es – werden sich andere plattformen gründen. da werden sich dann auch lektoren (die nicht selten selbst autoren sind), tummeln. im kleinen beginnt das ja schon, auch wenn wir noch lange nicht aus der steinzeit heraus sind.

  8. Benjamin Stein

    Das Lektorat wird unverzichtbar bleiben, Layout, Vertrieb und Pressearbeit jedoch ebenso – ganz zu schweigen vom Geschäft mit Nebenrechten, also bspw. Übersetzungen, Filmrechten etc. Man darf sich da keinen Illusionen hingeben. Ich gehe davon aus, dass lediglich die Produktionskosten für das Einzelexemplar sinken und damit potentiell eventuell der Preis, wie man es bei amazon.com, also auf dem US-Markt, bereits sehen kann.

    Auch ein eBook sollte professionell gesetzt werden und damit ein eigenes und ansprechendes Gesicht haben. Das wird nicht jedem klar sein, so dass mit einer Menge zusätzlicher Publikationen zu rechnen ist, also einer noch größeren »Schwemme« an Neuerscheinungen. Und genau hier kommen Vertrieb und Pressearbeit ins Spiel. Ich glaube nicht, dass ein Portal und einige Blogs allein für die nötige Aufmerksamkeit sorgen können, um einen mehr als marginalen Absatz auch solcher eBooks zu gewährleisten. Wer gelesen werden will, wird auch künftig »klappern« müssen. Insofern glaube ich nicht, dass die Verlage ihre Aufgabe verlieren und die Autoren künftig alles selbst in die Hand nehmen werden. Abgesehen davon, dass die meisten das technisch gar nicht können, werden sie es sicher nicht in der Güte hinbekommen wie ein Verlag mit den entsprechenden langen Erfahrungen.

    Sicher wird eine »Demokratisierung« stattfinden, weil die Publikation selbst sehr erschwinglich wird. Lektoratsdienste kann man kaufen, und selbst eine professionelle Gestaltung bekommt man für ein bis zwei Tagessätze eines Layout-Studios. Den Rest kann dann eine Handelsplattform oder ein eBook-Portal bieten. Dadurch wird man öffentlich, bemerkt jedoch noch lange nicht, von einer Honorierung, die sich nur über Verkäufe realisiert, ganz zu schweigen.

    Will man wahrgenommen werden, kommt man ohne Marketing und allem dazugehörigen Brimborium nicht aus. Und dann wird einem auch klar werden, dass selbst heute ein seriöser Verlag eben deutlich mehr für ein Buch und dessen Autor leistet, als einfach eine Drucksache lieferbar zu machen.

  9. perkampus

    das ist völlig richtig, wenn man einen gewissen sich eingebürgert habenden usus weiterverfolgen will. der klüngel, den wir kennen, wird sich sicher nur verlagern. fakt ist aber auch, dass trotz verlag, buch, vertrieb usw. ein erheblicher prozentsatz großartiger autoren aller zeiten nicht gelesen werden, eben weil da nicht geklappert wurde oder wird. für das massenpublikum sehe ich keine änderung, aber ich sehe sie sehr wohl für jene anspruchsvollen autoren, die nicht mehr als ein paar hundertschaften erreichen können aufgrund ihrer eigenart. natürlich spreche ich da nur für mich, wenn ich sage, dass mich das ganze „geschäft“ überhaupt nicht interessiert, wenn ich der meinung bin, dass dichtung umsonst sein sollte. mit markus hatte ich schon einmal über eine „spendenidee“ gesprochen – das würde allerdings jetzt den rahmen sprengen.

  10. Benjamin Stein

    Und ich meine dem entgegen: Ohne Klappern werden die besten Autoren vollständig untergehen. Gerade habe ich bei Common Place gelesen, dass nicht einmal die besten Autoren der letzten Dekade noch gelesen werden, ja auch nur einem mehr als marginalem Publikum noch bekannt sind. Und das, obgleich für sie getrommelt wurde, als die Bücher erschienen sind. Selbst die »Hunderschaften« müssen von einem Buch erst einmal gehört haben. Sonst können sie nicht zu Lesern werden.

  11. perkampus

    tatsächlich denke ich auch, dass dies das hauptproblem ist. man kann nur lesen, wenn man weiß, dass es existiert. zwei der fünf für mich wichtigsten autoren habe ich erst in den letzten jahren kennengelernt. das hat mich entsetzt. und das, obwohl ich mich nicht vom massenquark anquatschen lasse, sondern selbst entdecke, in den büchern und biografien nach einem weiteren weg forste. ich habe trotzdem das glück, dass ich nicht sonderlich an gegenwartsliteratur interessiert bin.

    aber es ist wie du sagst. es ist entsetzlich, was man vergessen oder vergessen gemacht hat. die literatur ist für mich in einer krise überhaupt, vielleicht war sie das aber auch schon immer, weil sie eben nicht mehr mündlich ist.

  12. Benjamin Stein

    Ich meine, dass es immer schwieriger werden dürfte für das wirklich Entdeckenswürdige. Und das liegt schlicht daran, dass die Flut an Publikationen um Größenordnungen größer ist als vor 100 oder 50 Jahren.

  13. Juni, Einundzwanzig, Neun | Die Veranda

    […] das Ouroboros Straum zugänglich gemacht. Das PDF ist jederzeit auch runterzuladen, und weil es hier steht: kaufen Sie sich am Besten einen Reader.Das erste Tonwerk läuft derzeit auch über […]

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