Ich setze das stolze Volk der Moslems in aller Welt davon in Kenntnis, dass der Autor des Buches »Die satanischen Verse«, das sich gegen den Koran, den Propheten und den Islam richtet, und alle an seiner Publikation Beteiligten zum Tode verurteilt sind.
Ayatollah Ruhollah Chomeini am 14. Februar 1989
••• Mit Salman Rushdies »Satanischen Versen« (die deutsche Originalausgabe ist gelegentlich noch zu haben) verbindet mich eine besondere Geschichte, die in der »Leinwand« erzählt wird. Die Hälfte des Begrüßungsgeldes, das ich im November 1989 bei meinem ersten Besuch in West-Berlin bekam, trug ich in eine Buchhandlung auf dem Kurfürstendamm. Dieses Buch, das Autor, Übersetzer und Verleger das Leben kosten konnte und dennoch erschienen war, musste ich einfach besitzen. Ich wurde auch literarisch nicht enttäuscht. Dennoch habe ich es nur einmal gelesen. Aber ich besitze es noch; und es gehört sicher zu den Büchern, die ich um keinen Preis verleihe.
Reinhold Neven DuMont plante zunächst die deutsche Ausgabe und ahnte nicht, was da auf ihn zukommen würde. Nachdem er damit rechnen musste, dass eine Autobombe den Verlag in der Rondorfer Straße in Schutt und Asche legen würde, kapitulierte er, wofür er sich von Hans Magnus Enzenzberger als Feigling bezeichnen lassen musste. Im virtuellen Gemeinschaftsverlag »Artikel 19« erschien die deutsche Übersetzung dann doch im Herbst 1989. Dass sich Verleger, Übersetzer und Autoren damals zusammengetan haben, um gemeinsam das Risiko der Veröffentlichung zu tragen, halte ich noch immer für eine der wenigen wirklich rühmlichen Geschichten des deutschen Literaturbetriebs.
Ich bin nicht sicher, ob es heute auch zu einer solchen Demonstration der kulturellen Zivilcourage käme – nach den Attentaten vom 11. September und den kaum noch zu zählenden martialischen Entschlossenheitsbeweisen des islamischen Fundamentalismus, sich mit terroristischer Gewalt durchzusetzen.
Im Oktober 2006 konstatierte Rushdie im Österreichischen Fernsehen:
Als ich ein junger Mann war, war Religion im Wesentlichen am Ende. Leute, die von Religion sprachen, waren sozusagen Idioten. Es schien undenkbar, dass es ein Revival der Religion als zentrale Kraft in der Weltpolitik geben könne. Religion war uncool. Dummerweise haben, während wir damit beschäftigt waren, cool zu sein, die uncoolen Leute die Welt übernommen.
Unschwer zu teilen ist auch seine heutige Einschätzung:
Der islamische Fundamentalismus ist keine religiöse, sondern eine politische Bewegung, die eine religiöse Sprache benutzt.
Weiterführende Informationen in Textform gibt es u. a. auf dem Politbüro-Blog. Wer gar 14 min. erübrigen kann, um sich die WDR5-Zeitzeichensendung zum Thema anzuhören, sollte es tun.
Übrigens:
Nach dem offiziellen Protest der iranischen Regierung gegen den geplanten Ritterschlag der Queen für Salman Rushdie haben Hardliner innerhalb der iranischen Geistlichkeit, eine Gesellschaft zur Ehrung der Märtyrer in der islamischen Welt, ein neues Kopfgeld für den britischen Schriftsteller in Höhe von 150.000 US-Dollar ausgesetzt. Der Ritterschlag fand im Juni 2008 statt. (wikipedia)
Rushdie ist nach wie vor in Gefahr.
WDR5 Zeitzeichen vom 14. Februar 2009
zum 20. Jahrestag der Fatwa gegen Salman Rushdie,
seine Übersetzer und Verleger
Am 23. Februar 2009 um 22:53 Uhr
Soviel ich weiss, sind im Islam Religion und Politik nicht voneinander zu trennen.
Das zeigt sich beispielsweise deutlich in der Scharia oder im Ausdruck des „Heiligen Krieges“. „Alles ist Religion!“ Diese Eigenheit mag durch die Ursprünge des Islam verständlich oder zumindest erklärbar sein, macht aber jede grundsätzliche religiöse oder politische Diskussion aus westlicher Warte praktisch unmöglich.
Ähnlich, oder gar gleich ist es in der Auseinandersetzung mit dem Sozialismus (der noch lange nicht ausgesorben ist, ganz im Gegenteil!). Hier heisst die Devise „Alles ist Politik“ – diese tritt deshalb folgerichtig, wie im Islam mit religiösem Anspruch auf, d.h. sie entscheidet letztlich, was gut und was böse ist. Interessanterweise fühlen deshalb oft gerade linke Politiker(Innen) und Denker(Innen) von der islamischen Denkart angesprochen, auch wenn islamisches Hierarchedenken ihnen eigentlich ein Greuel sein müsste.