Les Murray (1997) – Foto: Valerie Murray
Cockspur Bush
I am lived. I am died.
I was two-leafed three times, and grazed,
but then I was stemmed and multiplied,
sharp-thorned and caned, nested and raised,
earth-salt by sun-sugar. I am innerly sung
by thrushes who need fear no eyed skin thing.
Finched, ant-run, flowered, I am given the years
in now fewer berries, now more of sling
out over directions of luscious dung.
Of water the crankshaft, of gases the gears
my shape is cattle-pruned to a crown spread sprung
above the starve-gut instinct to make prairies
of everywhere. My thorns are stuck with caries
of mice and rank lizards by the butcher bird.
Inches in, baby seed-screamers get supplied.
I am lived and died in, vine-woven, multiplied.
Hahnendornbusch
Ich werde gelebt. Ich werde gestorben.
Ich war dreimal zweiblättrig und abgeweidet,
doch schließlich gestielt und vermehrt,
spitzdornig und gerohrt, benestet und erhoben,
Erdensalz um Sonnenzucker. Ich werde innerlich besungen
von Drosseln, die kein beaugtes Hautding fürchten müssen.
Befinkt, ameisenbelaufen, beblüht, werden wir die Jahre
in mal weniger Beeren, mal weiteren Bögen
über den Richtungen köstlichen Mists gegeben.
Aus Wasser die Kurbelwelle, aus Gasen das Getriebe
ist meine Form vielgestutzt zur weiten Krone gesprossen
über dem Hungerbauchinstinkt, aus allem Prärie
zu machen. Meine Dornen sind vom Würgervogel
mit Karies aus Mäusen und stinkenden Echsen bestückt.
Ein Stück nach innen werden körnerschreiende Kleine versorgt.
Es wird gelebt, wird gestorben in mir, rankenbewebt, vermehrt.
Les Murray, aus: »Übersetzungen aus der Natur«
aus dem Englischen von: Margitt Lehbert
© Edition Rugerup 2007
••• Der große Dichter Derek Walcott schrieb über Les Murrays Werk:
»Es gibt keine Poesie in der englischen Sprache, die so verwurzelt ist in ihrer Heiligkeit, so breitblättrig in ihren Freuden und doch so intim und umgangssprachlich.«
Dem Gedichtband »Translations from Nature« setzt Les Murrays ein Motto voran: Zur Ehre Gottes. Heiligkeit und Frömmigkeit sind nicht das gleiche. Fromm sind diese Gedichte gewiss nicht, in denen Les Murray – ähnlich wie Neruda in seinen Oden – von Tieren und Pflanzen schreibt und dabei doch immer Menschliches poetisch in Szene setzt.
Aufmerksam geworden bin ich auf Les Murray über ein Online-Interview, in dem er dem Interviewer der »Welt« erklärt: Ich glaube nicht an Prosa.
Kein Wunder, wenn einem die Dichtung so im Blute liegt, wie es bei Murray ganz offensichtlich der Fall ist. Lesen sollte man ihn unbedingt im Original (was nicht ganz einfach ist). Ein Beispiel:
All me are standing on feed. The sky is shining.
Übersetzt heißt es:
Alle ich stehen auf dem Futter. Der Himmel leuchtet.
Das reicht weder im Klang ans Original heran, noch transportiert es die schöne Nähe von feet (Füße) zu feed (Futter), die das Bild diktiert haben mag.
Die Übersetzungskünste von Margitt Lehbert sollen damit nicht herabgewürdigt werden. Es ist nur leider so, dass sich auch an Les Murrays Versen zeigt, dass eine verlustfreie, ja nur verlustarme Übertragung von Lyrik oft unmöglich ist.
Les Murray unterhält eine Website, auf der weitere Gedichte von ihm nachzulesen sind. Zur Anschaffung des oben zitierten Bandes kann ich nur raten. Es steckt nicht nur voller wunderbarer Gedichte, es ist noch dazu ausnehmend ästhetisch gestaltet. In der weißen Lyrik-Reihe des Verlages »Volk und Welt« gab es auf dem zweiten Vorsatzblatt meist eine Zeichnung oder eine Faksimile-Seite mit der Handschrift des Dichters. Auf dem Rück-Cover des Rugerup-Bandes steht ein Murrays-Gedicht in weißer Handschrift auf rotem Grund – schön.
Ein tolles Foto von Les Murray gibt es übrigens auch noch im Portfolio von Claire McNamee, die auf meine Bitte, es in diesem Beitrag zeigen zu dürfen, leider nicht geantwortet hat. Sucht den Buddha in der linken Spalte! Lässt man diesen Gesichtsausdruck eine Weile auf sich wirken, hellt sich die eigene Stimmung unweigerlich auf. Er muss einen Heidenspaß haben an den Versen.
Am 29. Januar 2009 um 19:40 Uhr
Schön, auch mal einen lächelnden Dichter zu sehen. Und das auch noch auf beiden Bildern! ;)
Am 29. Januar 2009 um 22:09 Uhr
I thought you were going to say he was dead! I’m glad he’s not.
Have you read his verse novel „Fredy Neptune“? One of the most extraordinary books I have ever read.
Am 29. Januar 2009 um 23:12 Uhr
No, I didn’t. This is the first Murray I have ever read. But for sure not the last.
Am 23. September 2018 um 16:34 Uhr
Ich kann dieses ewige Wiederkauen der verfälscht wiedergegebenen „Lost in Translation“-Fabel und das Hochjubeln des goldenen Originals so langsam wirklich nicht mehr hören. Verlustfreie, verlustarme Übersetzung – ja, worin besteht denn der Verlust, mit welchem Anspruch wird denn übersetzt, welche Prioritäten werden gesetzt, mit welchem Anspruch wird denn gelesen? Übersetzung ist immer Interpretation, Übersetzung ist immer Transformation. Alles geht „verloren“, alles entsteht neu, muss sogar neu entstehen. Natürlich ist das Neue anders – es ist schließlich eine andere Sprache, die in einen anderen kulturellen, sozialen, historischen Kontext eingebettet ist.