••• SMS und Twitter portionieren bereits die Wirklichkeit. Die Zeichenanzahl steht fest. Fortsetzungen sind gewünscht. Manche sind süchtig danach. Auf diversen Handys gibt es bereits e-Book-Reader. Ich habe einige von ihnen mehrfach probiert. Das Buch ziehe ich nach wie vor der elektronischen Darstellung vor, auch in der U-Bahn. In Japan allerdings boomt die Handy-Literatur bereits; und mobilebooks.net hofft auf einen vergleichbaren Boom im deutschsprachigen Raum.
SMS und Twitter-Nachrichten habe ich immer für »disposables« gehalten. Mit meinem – womöglich antiquierten – Verständnis von Literatur geht das nicht zusammen. Andere Autoren wie beispielsweise Oliver Bendel sehen das anders. Er sieht im Handy-Roman ein neues Genre, das der Belletristik neue Impulse geben und talentierten, aber nicht »buchmarkttauglichen« Autoren ungeahnte Chancen bescheren könnte.
Das Medium macht es mir leicht, etwas auszuprobieren. Die Anbieter haben keine hohen Investitionskosten. Sie erhalten vom Autor eine Textdatei, entwerfen ein Cover und packen das Ganze in eine Java-Anwendung. Der Leser kann die Handybücher beziehen wie Klingeltöne, Logos und Videos. Er findet die Werke nicht mehr in Buchhandlungen oder in den Feuilleton-Besprechungen, sondern auf einem Portal oder in einem Musiksender – und wenn ihn der Titel oder die Beschreibung anspricht: zoosch! Das ist in gewisser Weise subversiv, und das gefällt mir. Handyromane könnten den Literaturbetrieb und die Verlagslandschaft verändern.
Im Interview mit »Zeit online« erklärt Oliver Bendel, was man sich unter einem Handy-Roman vorzustellen hat. Es kann sich dabei um einen portionierten Text nach dem Vorbild des Fortsetzungsromans in Zeitungen oder um ein vollständiges e-Book handeln. Eine Java-Anwendung dient als Reader.
Ich bin … skeptisch.
[Aufmerksam geworden bin ich auf das Thema über eliterator.de, ein Blog mit »täglich aktualisierten Nachrichten aus der Literatur-, Medien- und Kulturwelt – Blogosphäre, Web 2.0, Texten & Rezensionen«, das hiermit »Auf der Rolle« landet.]
Am 17. Januar 2009 um 20:39 Uhr
PS: eliterator.de schiebt heute eine Rezension des Bendel-Handy-Werks »Lucy Luder und die Hand des Professors« nach. Ein Blick in die Roman-Zukunft?
Am 18. Januar 2009 um 18:47 Uhr
So begeistert, wie ich ansonsten auf jede Veränderung und Neuerung der Literatur reagiere, so sehr teile ich in diesem Fall Ihre Skepsis.
Aber kann man da überhaupt noch von Romanen sprechen? natürlich kann man auch Romane im SMS-Format abtippen, genauso wie Börsenberichte, Briefe und Einkaufszettel.
Insofern entspricht das Format vielleicht eher der klassischen Seite, genau darin sehe ich aber das Problem: in der Informations(m)enge das Format einer klassische Papierseite vermittelt da wesentlich mehr, und ermöglicht das nicht erst den Zauber der Literatur? mir persönlich geht der auch beim Lesen von Bildschirmtexten nicht verloren, wenn der Bildschirm aber immer kleiner wird? man stelle sich einmal vor, sein Lieblingsbuch Seite für Seite in einzelnen Sätzen lesen zu müssen – furchtbar.
Müsste also ein so kleinformatiges Medium wie ein Handy, oder ein Organizer nicht auch eine völlig neue und eigenständige literarische Ästhetik entwickeln?
und wie könnte die aussehen? Bendels Texte geben mir darüber zu wenig Aufschluss.
ich könnte mir allerdings auch vorstellen, dass die asiatischen Schriften da andere Vorraussetzungen haben oder schaffen. Das Phänomen SMS-Literatur ist ja nicht allein japanisch, es ist asiatisch
Nachtrag: studieren geht über probieren. oder ginge, den Mobilebooks kann mir weder sagen, ob mein Handy die Dateien verarbeiten kann, noch ob die Bezahlung auch über Prepraid-Systeme möglich ist.
Fazit: technisch nicht ausgereift. Wir werden warten müssen, ob Apples ITunes-Store auf diesen Zug aufspringt (oder der Anbieter auf den ITunes-Zug).
Am 18. Januar 2009 um 19:09 Uhr
Nachtrag: studieren geht über probieren. oder ginge, den Mobilebooks kann mir weder sagen, ob mein Handy die Dateien verarbeiten kann, noch ob die Bezahlung auch über Prepraid-Systeme möglich ist.
Fazit: technisch nicht ausgereift. Wir werden warten müssen, ob Apples ITunes-Store auf diesen Zug aufspringt (oder der Anbieter auf den ITunes-Zug).
Am 18. Januar 2009 um 22:25 Uhr
Ein Java-fähiges Handy ist Voraussetzung. Das sind heute nahezu alle. Befragt mal Euer Handy-Manual.
Am 19. Januar 2009 um 09:14 Uhr
Hallo Benjamin, danke für den Link..Also bei mir hats funktioniert, hab allerdings auch n Java-fähiges Handy..Man konnte nur nicht mehr zurückscrollen bzw. den Text noch einmal aufrufen, da würde mich interessieren, ob ich nur zu blöd bin oder ob das Absicht ist, dann wären die 3 Euro nämlich zieml. teuer..
Am 19. Januar 2009 um 09:22 Uhr
Was den Preis betrifft, ist er ohnehin hoch. Ich frozzle jetzt mal: Früher kostete dieses Genre namensgebend einen Groschen. Ich werde es nicht ausprobieren, weil a) der Stapel Literatur, die mich brennend interessiert, kaum aubzulesen ist und ich b) diese Darreichungsform auch dann nicht mögen würde, wenn man zurückscrollen könnte. Das ist aber – bitte – eine persönliche Geschmacksfrage.
Am 19. Januar 2009 um 09:24 Uhr
@Jörg: Danke für den Besuch. Da fällt mir auf, dass ich eliterator noch nicht »Auf die Rolle« geschoben habe. Das hole ich grad nach.
Am 11. April 2010 um 17:22 Uhr
Ich frage mich, ob Handy-Romane wirklich ein eigenes Genre genannt werden können. Die von Oliver Bendel erwähnten Eigenschaften werden sich kaum auf Handy-Literatur beschränken. Das Handy ist Mittel zum Zweck, ist Medium. Inhaltlich schiene eine Unterscheidung zwischen Buch-, Taschenbuch- oder Heft-Literatur absurd. Da spielen eher wirtschaftliche Fragen mit. Vermutlich wird billigere Literatur auch billiger präsentiert verkauft werden (das stimmt nicht immer).
Ich denke, dass gewisse Eigenschaften und Möglichkeiten neue Ausdrucksformen zur Folge haben werden: die Möglichkeit zum Beispiel, andere Welten (real existierende oder fiktionale) in Form von Bildern, Videos, Tondokumenten, Querverweisen zu anderen Texten, Lexika usw. in die eigene Fiktion einzubinden, könnte sowohl das Schreiben wie auch das Lesen verändern. Auch die Volltextsuche und das Abspeichern von ausgesuchten Zitaten sind interessant. Und die seltsame Sucht, die Dan Browns Romane anscheinend ausgelöst haben (ich habe keinen gelesen), selbst Nachforschungen zu betreiben und sogar zu Originalschauplätzen zu pilgern, könnte mit Querverweisen im Text sowohl angefacht als auch – zum Teil zumindest – gestillt werden.
Oft habe ich, wenn in einem Buch ein Musikstück erwähnt wurde, das ich nicht kannte, den Wunsch gehabt, es zu hören. Nur selten habe ich aber die Mühe auf mich genommen, gezielt danach zu suchen. Durch das einfache Anklicken eines Links hätte ich mich aber sicher verführen lassen.
Diese Querverweise sind vermutlich sogar wirtschaftlich interessant, weil verschiedene Kundengruppen sich so plötzlich überschneiden.
Vom Weiterbestehen des Handys werden diese Fragen aber nicht abhängen – das bequemste und zahlbarste Vehikel wird sich am Ende wohl durchsetzen.
Vor dem klassischen Buch wird eher das „klassische“ Handy verschwinden.