Mänade

28. Oktober 2008

Sylvia Plath: »Crossing the Water«, Harper & Row, 1971, New York

Once I was ordinary:
Sat by my father’s bean tree
Eating the fingers of wisdom.
The birds made milk.
When it thundered I hid under a flat stone.

The mother of mouths didn’t love me.
The old man shrank to a doll.
O I am too big to go backward:
Birdmilk is feathers,
The bean leaves are dumb as hands.

This month is fit for little.
The dead ripen in the grapeleaves.
A red tongue is among us.
Mother, keep out of my barnyard,
I am becoming another.

Dog-head, devourer:
Feed me the berries of dark.
The lids won’t shut. Time
Unwinds from the great umbilicus of the sun
Its endless glitter.

I must swallow it all.

Lady, who are these others in the moon’s vat —
Sleepdrunk, their limbs at odds?
In this light the blood is black.
Tell me my name.

Einst war ich gewöhnlich:
saß bei meines Vaters Bohnenbaum,
aß die Finger der Weisheit.
Die Vögel gaben Milch.
Bei Donner versteckte ich mich unter einem flachen Stein.

Die Mutter der Münder liebte mich nicht.
Der alte Mann schrumpfte zu einer Puppe zusammen.
O ich bin zu groß, um rückwärts zu gehen:
Vogelmilch ist Federn,
die Bohnenblätter sind stumm wie Hände.

Dieser Monat taugt zu fast gar nichts.
Die Toten reifen in den Traubenblättern.
Eine rote Zunge ist unter uns.
Mutter, halt dich von meinem Scheunenhof fern,
ich werde jemand anders.

Hundskopf, Verschlinger:
füttere mich mit den Beeren des Dunkels.
Die Lider schließen sich nicht. Die Zeit
entwickelt vom großen Nabel der Sonne
ihr endloses Glitzern.

Das alles muß ich schlucken.

Meine Dame, wer sind diese anderen im Mondbottich –
schlaftrunken, ihre Glieder uneins?
In diesem Licht ist das Blut schwarz.
Sag mir meinen Namen.

Sylvia Plath, aus: »Crossing the Water«
Harper & Row, New York, 1971
Übertragung: © Johannes Beilharz 2000

••• Ich ertappe mich dabei, wie ich Ideen für einen neuen Roman abwäge, Bücher zum potentiellen Thema bestelle – und das alles, obgleich ich noch kaum Atem geholt habe und jetzt sicher nicht der richtige Moment ist, gleich ein neues größeres Prosa-Projekt in Angriff zu nehmen.

Ich frage mich, was dahinter steckt.

Die bestellten Bücher lege ich erst einmal beiseite und lenke mich ab mit Sylvia Plath. Ich wusste bislang wenig von ihr. Das Video, das ich letztens brachte, in dem sie »Daddy« liest, hat mich wieder einmal darauf aufmerksam gemacht, dass ich schon längst die »Glasglocke« gelesen haben sollte (vielleicht bei der Herzdame im Bücherregal zu finden). Seit Monaten liegt eine Plath-Biographie auf meinem Schreibtisch (Anne Stevenson). Die habe ich mir zuerst vorgenommen, als sollte nicht die Dichtung das erste (und letzte) Wort haben.

Das sind Biographien, so weit wie nur möglich entfernt von der eigenen. Dabei sind noch nicht einmal 50 Jahre seit ihrem Tod vergangen. Davon ein andermal mehr…

Für Fans: Eine wunderbare Site mit Texten und Audio-Aufnahmen, biographischen Details und und und – ist sylviaplath.org.uk.

10 Reaktionen zu “Mänade”

  1. ksklein

    »Glasglocke« habe ich Dir mal geschenkt.

  2. Benjamin Stein

    »Glasglocke« habe ich Dir mal geschenkt.

    Das dachte ich auch, aber ich konnte es nicht finden. Wird höchste Zeit, dass ich die Bibliothek in Ordnung bringe. Wenigstens ist es nicht schon so weit, dass Du Dich daran erinnerst, dass ich es schon gelesen hätte :-)

  3. ksklein

    nö… du hast es weiter verschenkt!!!!!! ohne reinzuschauen!

    tja, pech gehabt. jetzt fehlt es dir.

  4. Benjamin Stein

    Ist das wahr??! Es wird immer peinlicher…

  5. ksklein

    nö… geht nicht mehr.

    *lach

  6. La Tortuga

    Es ist so eine Sache mit diesem Buch…
    Wenn ich mal extrem vereinfache und „mögen“ sage für persönlichen, subjektiven Geschmack und „gut“ bzw. „schlecht“ für weitgehend objektive literarische Qualität, dann gibt es:

    – viele Bücher, die ich mag, weil sie gut sind
    – sehr viele Bücher, die ich nicht mag, obwohl sie gut sind
    – einige Bücher, die ich mag, obwohl sie schlecht sind
    – sehr viele Bücher, die ich nicht mag, weil sie schlecht sind

    Die „Glasglocke“ ist nun ein Kuriosum, denn ich habe eine heftige Abneigung gegen dieses Buch, weil es gut ist. Das macht mich schier krank.

  7. Benjamin Stein

    Ich bin gespannt. Heute müsste mein Exemplar kommen.

  8. ksklein

    Hab es gerade vom Nachbarn abgeholt.

  9. La Tortuga

    Seilt Euch auf jeden Fall an … Es gibt da so eine Stelle mit Haarewaschen, Himmel. Ich krieg die Krise, wenn ich nur dran denke.

  10. Die Glasglocke « Turmsegler

    […] der letzten Tage »Die Glasglocke« von Sylvia Plath. Wie hier letztens peinlicherweise in den Kommentaren zu lesen war, habe ich die »Glasglocke« vor Jahren von der Herzdame geschenkt bekommen, aber […]

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