Ingeborg Bachman / Paul Celan: Herzzeit (Briefwechsel)
Ich habe Dich heute lieb und so gegenwärtig…
••• Weil mir heute so verliebt zumute ist, kommt hier ein Post ganz speziell für die Herzdame, die vor lauter Blog-Verfolgen (und allerhand anderen unaufschiebbaren Dingen) gar nicht mehr zum Bücherlesen kommt. Nicht zum Lesen von gedruckten und zum Lesen von noch nicht gedruckten schon gar nicht. Das ist schade. Aber was soll man machen.
Damit ihr diese Perle, die ich vor einigenTagen erstanden habe, nicht ganz entgeht, hier also eine Kostprobe aus „Herzzeit“, einem Band aus dem Suhrkamp-Verlag, der den Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan dokumentiert – eine wunderbare, aber ziemlich komplexe Liebesgeschichte…
Ingeborg Bachmann an Paul Celan, Wien, Weihnachten 1948, nicht abgesandt
Weihnachen1948.
Lieber, lieber Paul!
Ich habe gestern und heute viel an Dich, wenn Du willst, an uns gedacht. Ich schreibe Dir nicht, weil Du wieder schreiben sollst, sondern weil es mir jetzt Freude macht und weil ich will. Auch hatte ich vor, Dich in diesen Tagen in Paris irgendwo zu treffen, aber dann hat mich mein dummes eitles Pflichtbewußtsein hier festgehalten und ich bin nicht weggefahren. Wie ist das nur: irgendwo in Paris? Ich weiß ja garnichts, aber irgendwie wäre es schon schön gewesen!
Vor drei Monaten hat mir plötzlich jemand Deinen Gedichtband geschenkt. Ich wußte nicht, daß er herausgekommen war. Das war so…, der Boden war so leicht und schwebend unter mir, und meine Hand hat ein bisschen, ganz, ganz wenig gezittert. Dann war wieder lange nichts. Vor einigen Wochen hat man sich in Wien erzählt, daß Jenés nach Paris gefahren sind. Da bin ich auch wieder mit auf Reisen gegangen.
Ich weiß noch immer nicht, was der vergangene Frühling bedeutet hat. – Du weißt ja, daß ich immer alles ganz genau wissen will. – Schön war er, – und die Gedichte, und das Gedicht, das wir miteinander gemacht haben.
Ich habe Dich heute lieb und so gegenwärtig. Das will ich Dir unbedingt sagen,- damals habe ich es oft nicht getan.
Sobald ich Zeit habe, kann ich auf ein paar Tage kommen. Würdest Du mich auch sehen wollen? – Eine Stunde, oder zwei.
Viel, viel Liebes
Deine
Ingeborg.
aus: Ingeborg Bachmann/Paul Celan
„Herzzeit“ Briefwechsel
(mit den Briefwechseln zwischen
Paul Celan und Max Frisch sowie
zwischen Ingeborg Bachmann und Gisèle Celan-Lestrange)
Suhrkamp Verlag 2008
Am 5. September 2008 um 00:08 Uhr
schön. danke. und ich lese es erst jetzt (0:007 Uhr) weil ich es gestern nicht einmal geschafft habe wenigstens die blogs zu lesen.
Am 5. September 2008 um 10:23 Uhr
Eine der erschütterndsten Lektüren des letzten Jahres – man möchte Niemandem eine solche Herzzeit wünschen –
Am 5. September 2008 um 16:10 Uhr
warum denn das nicht? So ist halt die Liebe
Am 6. September 2008 um 02:32 Uhr
die sogenannte „liebe“ mag das eine sein . die durch das unmittelbare dem- holocaust- entronnen- sein , den antisemitismus der „gruppe 47“ sowie die Claire Goll- affaire sind das andere : für Celan .
für Bachmann : die notwendige fügsamkeit hinsichtlich autoritärer figuren ( Hakel , Weigel , Frisch , die sämtlich nach Bachmanns tod mit sexuellen details hausieren gingen ) – diese enorme projektion , durch die wortteilhabe am dialog und in der liebe zu Paul Celan diesem betrieb sich fernhalten zu können –
solcherart ist die überlicherweise dergestallt genannte „liebe“ imho jedenfalls kaum je beschaffen –
Am 6. September 2008 um 03:03 Uhr
in den letzten zwei tagen den briefwechsel gelesen: sprachlos, betroffen, ja. werde die gedichte celans nie mehr so lesen wie vor „herzzeit“!
Am 6. September 2008 um 11:12 Uhr
Natürlich haben sie recht.
Am 6. September 2008 um 21:11 Uhr
Ihr habt einen Lesevorsprung vor mir. So weit bin ich mit den Briefen noch gar nicht gekommen. Aber diese Kommentare lassen auf weitere Entdeckungen hoffen…
Am 7. September 2008 um 20:09 Uhr
Eben gefunden…
Am 8. September 2008 um 21:21 Uhr
Die Gedichte von Paul Celan sind einfach spitze und ich habe einige seiner Werke bei mir im Bücherregal.