והעשר והכבוד מלפניך
Lotto ist eine Steuer, die nur bei Leuten erhoben wird, die nicht rechnen können, pflegte ein Bekannter von mir immer zu sagen. Und weil dieser Satz sich fest in meinem Bewusstsein eingegraben hatte, war es mir, als ich mich eines Tages doch zum Tippen entschloss, sogar ein wenig peinlich.
Aber es heißt auch: Reichtum und Ehre kommen von Gott; und ich denke, das trifft in meinem Fall zu, jedenfalls, was das Geld angeht und wenn man die niedrige sechsstellige Summe, die ich am Ende gewann, schon als wahrhaften Reichtum bezeichnen kann.
Alles hatte mit einem Witz begonnen, den mir ein Freund in der Synagoge erzählte: Moischele steht Tag für Tag in Schul und betet inbrünstig. Er schockelt, hebt die Arme zum ewigen Licht empor und ringt die Hände. Ewichter!, ruft er, ich habe Frau und Kinder, und das Geld ist knapp. Kein Wein ist im Haus, um darüber zu benschen, und nicht mal am Schabbes kommt ein Huhn auf den Tisch. Was kann ich noch tun als beten? So bitte ich Dich, Ewichter, hab ein Erbarmen mit mir und lass mich im Lotto gewinnen! – So geht es Tag um Tag, Woche um Woche. Moischele lässt nicht nach mit seinem Bitten. Es ist schon ruchbar geworden, worum er fleht, und so mancher lächelt hinter seinem Rücken und zieht die Stirn kraus dabei. Doch eines Tages, als Moischele schon nah daran ist aufzugeben, da geht plötzlich eine zornige Stimme hervor von… – nun ja, genau kann man es nicht sagen. Und die Stimme donnert klar und verständlich: Moischele! (Pause) Ich würde dir wirklich gern helfen. Aber bitte, kauf einen Lottoschein!
Also, sagte mein Freund damals, riskier doch mal was und zahle einen Tipp. Wenn Du es nicht versuchst, kann es nicht klappen. Das war nun die gegenteilige Ansicht zur Auffassung besagten anderen Bekannten, der Lotto für eine Idioten-Sondersteuer hielt.
Meinen ersten Lottoschein habe ich dann nicht einmal bezahlt. Ich fand ihn auf einem öffentlichen Parkplatz. Jemand musste ihn verloren haben. Dass ich, der ich für gewöhnlich quasi mit fest geschlossenen Augen durch die Welt gehe, nämlich meist verträumt, nur körperlich anwesend, ansonsten aber auf Gedankenreisen, dass also gerade ich diesen Schein überhaupt gesehen und aufgehoben habe, grenzte schon an ein Wunder. Es war an einem Montag, der Tipp fürs Mittwochslotto zwei Tage darauf. Und der Schein war gültig.
Ich sah mich um und zögerte, weil mich das Gefühl beschlich, der ehrbare Besitzer dieses Lottoscheins würde hinter einem der Büsche hocken, mit denen der Parkplatz eingefriedet war, und mich beobachten. Er könnte ebenso gut in einem der Autos sitzen und nur darauf lauern, dass ich mich bückte, um mir unverdient die Chance eines anderen anzueignen. Sogar an jene Fernsehshow dachte ich, in der Passanten vor versteckter Kamera in die Falle gelockt werden. Ich sah mich also um, konnte jedoch in keinem der Autos, die in Sichtweite parkten, jemanden warten sehen. Und so hob ich den Schein auf und steckte ihn ein.
Glück ist der Gott der Narren. Das ist auch so ein Sprichwort. Die folgenden zwei Tage verbrachte ich in Vorfreude auf die Lotto-Ziehung am Mittwoch und in dem zutiefst befriedigenden Gefühl, unverhofft einen Coup gelandet zu haben.
Moischele hatte keinen Tipp abgegeben. Jan bekam ihn vor die Füße gelegt. Dass der gefundene Tipp gewinnen würde, stand für mich außer Zweifel. Ich hatte ihn, sagte ich mir, überhaupt nur gefunden, weil er gewinnen würde und der Gewinn mir zugedacht war.
aus: „Die Leinwand“ (Jan Wechsler)
© Benjamin Stein (2008)
Am 30. Juli 2008 um 17:23 Uhr
Oohh… Könntest Du nicht den Namen des Protagonisten auswechslern?! Sagen wir: La Tortuga. Mir ist schleierhaft, wie man eine sechsstellige Summe als „niedrig“ bezeichnen kann. :-)
(Die Wahrheit: ICH – obwohl ich aus Prinzip nicht Lotto spiele, ich seh das genau so wie der Bekannte, obwohl ich ihn nicht kenne – also ICH habe den Zettel kurz auf dem Boden deponiert, um bei der Parkuhr nachzusehen, ob ich mein kein Auto gebührenfrei stehenlassen kann; es war ein bisschen weit und der Zettel schwer, weshalb ich ihn nicht mitschleppen mochte. Jan hat mich nicht im Auto sitzen sehen, weil man kein Auto eben nicht sieht, auch nicht, wer drin sitzt. Es ist mir zwar peinlich, aber da es doch rechtmässig ist: ich hätte den Tipp gern zurück. Ich kann beweisen, dass es meiner ist! Die angekreuzten Zahlen ergeben alle Zahlen ausser mein Geburtsdatum!)
Am 1. August 2008 um 09:24 Uhr
[…] Reichtum und Ehre (1) La […]