Fu Hi liebte die hohe Wolke und den Berghang,
Leider starb er an Alkohol.Ezra Pound
••• Das Poesiealbum 279 – gerade erschienen – hielt eine Überraschung und eine Enttäuschung parat. Das Heft versucht, eine bei aller Kleinheit doch repräsentative Auswahl von Gedichten Ezra Pounds auf den nur 32 Seiten des Poesiealbums zu präsentieren.
Das ist womöglich ein vermessenes Unterfangen. In jedem Fall aber gelingt es, den Leser neugierig zu machen auf den Dichter Pound und seine Dichtung. Natürlich sind einzelne der Cantos abgedruckt, jedoch auch Gedichte jenseits der »Großdichtungen«. Soweit die Überraschung.
Was nun die Enttäuschung angeht: Dass Bert Brecht sich liebend gern bei den Ideen anderer bediente und mitunter auch Ideen- und Textarbeit bspw. seiner Frauen für sich vereinnahmte, das ist nicht neu. Für mich erstaunlich aber – und eben auch enttäuschend – wie stark er sich thematisch und stilistisch offenbar auch bei Ezra Pound bedient hat. (Er müsste ihn wohl im Original gelesen haben. Hier wären denn wieder einmal die Literaturwissenschaftler gefragt…)
Ein Beispiel gefällig?
Man lege nur einmal Brechts »chinesische Gedichte« oder seine »Psalmen« neben dieses Gedicht von Pound — und runzle erstaunt die Brauen. Mir fällt da nur die Vokabel »epigonal« ein, mit allem Subtext-Zubehör. Denn dichterisch kühn, wie ich Pound hier durchgängig empfinde, wird Brecht in besagten Versen kaum einmal.
Die Frau des Flusshändlers:
Ein Brief
Als das Haar mir noch quer über die Stirne fiel,
Spielte ich am Gatter rum und rupfte Blumen.
Du kamst vorbei auf Bambusstelzen und spieltest Pferd,
Gingst um mein Haus herum, spieltest mit blauen Pflaumen.
So lebten wir dahin im Dorf von Ch’ang-kan:
Zwei Menschenkinder ohne Tadel oder Argwohn.
Mit vierzehn heiratete ich meinen Herrn: Dich.
Ich lachte nie, denn ich war schüchtern.
Ich senkte meinen Kopf und sah die Wand an.
Auch hundertmal gerufen, sah ich nie zurück.
Mit fünfzehn hörte ich zu bocken auf,
Und wollte meinen Staub mit deinem mischen
Für immer und für immer und für immer.
Was soll ich auf die Warte steigen?
Mit sechzehn gingst du fort.
Du fuhrst zum fernen Ch’ü-t’ang, am Fluß der quirlenden Wirbel.
Schon fünf Monate bist du fort.
Die Affen machen kläglichen Lärm in den Baumkronen.
Du schlepptest deine Füße, als du fortgingst.
Am Gatter ist das Moos gewachsen, viele Moose,
Zu dicht, um sie zu jäten!
Das Laub fällt zeitig diesen Herbst im Wind.
Die Schmetterlinge, zu zweit, sind schon gelb vor August
Überm Rasen des westlichen Gartens.
Sie tun mir weh. Ich werde älter.
Kommst du herab durch die drei Flußengen des Yangtze,
Bitte schick mir beizeiten Nachricht,
Dann komm ich dir entgegen
Bis nach Ch’ang-feng-sha.
Li Tai Po
Ezra Pound (1885-1972)
Übertragung: Eva Hesse
Am 31. Dezember 2015 um 11:10 Uhr
[…] Turmsegler: Die Frau des Flusshändlers Turmsegler, 16.6.2008 […]