••• Die Neuigkeiten, die ich heute hier im Turmsegler bekanntgeben kann, bewegen mich persönlich sehr. Seit es den Turmsegler gibt, schimmerte immer wieder in Posts die Idee auf, einen Verlag zu gründen, einen Autorenverlag, der sich einzig und allein einem Ziel verschreibt: Ein Programm zu entwickeln, das ohne jegliches Kokettieren mit dem Markt nur ein Kriterium kennt – literarische Qualität und Eigenheit.
In den letzten Monaten hatte ich Gelegenheit, mich in vielen Bereichen des verlegerischen Arbeitens zu erproben. Ich konnte als Lektor mit zwei wunderbaren Autoren an den Manuskripten ihrer neuen Bücher arbeiten. Meine früheren Kenntnisse in der Produktion – vom Desktop Publishing über die Herstellung bis zu Vertriebsfragen – hat eine Auffrischung erfahren. Und nicht zuletzt konnte ich nach Recherchen zum Gesellschaftsrecht in der EU und der Sondierung von Produktionsmöglichkeiten für qualitativ hochwertige Bücher einen Weg finden, eine Unternehmung wie die eines Autorenverlages auch geschäftlich auf eine vertretbare Basis zu stellen.
Nach längerem Kokettieren mit der Idee ist nun der Moment gekommen, ernst zu machen und die Karten auf den Tisch zu legen: Mit dem heutigen Tag übernehme ich als Verleger und Geschäftsführer die Edition Neue Moderne von ihrem Gründer Michael Perkampus. Ich werde die Gesellschaft innerhalb der nächsten zwei Monate in eine Kapitalgesellschaft überführen und auf geschäftlich professionelle Beine stellen.
Starten wird der neue Autorenverlag mit der durch meine Mithilfe im Aussehen runderneuerten Reihe »Prosa-Inseln«, in der bislang Michael Perkampus‘ »Die Geschichte des Uhrenträgers« und meine Prosa für 7 Stimmen »Ein anderes Blau« erschienen sind. Anfang September werden von Markus A. Hediger die autobiographischen Fiktionen »Krötenkarneval« hinzukommen, ein wundervolles Buch, auf dessen Erscheinen ich mich schon heute unbändig freue.
Neben der Paperback-Reihe »Prosa-Inseln« im klassischen Gallimard-Paperback-Format wird es in mittelfristiger Zukunft auch Hardcover in der Edition geben, und zwar in Reihen für Neue Lyrik und umfangreichere erzählende Prosa. Die Edition wird klassisch produzierte Kleinauflagen bevorzugt im Direktverkauf, jedoch auch über die klassischen Kanäle des Buchhandels und Online-Versandhandels zum interessierten Leser bringen. Dabei wird es mir ein Anliegen sein, die Bücher auch in einer »Verpackung« zu präsentieren, die dazu einlädt, sie wieder und wieder in die Hand zu nehmen.
Mit Erscheinen des dritten Titels »Krötenkarneval« wird der Verlag mit Lesungen und anderen Aktivitäten auch in eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit einsteigen. Nicht geplant hingegen ist es, sich dem Diktat der literarischen Saisons zu beugen und im Halbjahresakkord zu produzieren und zu makulieren. Das Label »Autorenverlag« ist mit Bedacht gewählt. Was sich in der bisherigen Geschichte der Edition bewährt hat – die Mitwirkung und Mitsprache der Autoren im Rahmen ihrer Möglichkeiten – soll beibehalten werden.
Am 11. Juni 2008 um 01:50 Uhr
[…] Und Benjamin erläutert alles weitere. […]
Am 11. Juni 2008 um 20:10 Uhr
Ich wünsche dem Unternehmen viel Erfolg!
Wird es auch E-Books geben, oder ist der Verlag ausschließlich auf Print festgelegt?
Am 11. Juni 2008 um 20:35 Uhr
Vielen Danke für die guten Wünsche. An E-Books ist im Moment nicht gedacht, denn ich habe gerade eine Schwäche für das „altmodische“ gedruckte Buch. Wenn sich jedoch die E-Book-Reader weiter durchsetzen, wäre es eine Überlegung wert. Schließlich kann es nicht schaden, im Sinne der Literatur auch mit der Zeit zu gehen.
Am 12. Juni 2008 um 00:36 Uhr
e-books sind ein schwieriges unterfangen. einerseits sollte man als blog-autor dafür offen sein, andererseits wäre es dann ja im endeffekt nichts anderes, als seinen blog gegen einen obolus zu setzen. (auch wenn ganz bewußt komplettangebote im blog nicht zur verfügung stehen).
e-booking setzt sich bei belletristik jedoch nicht durch. das hat nicht etwa etwas mit der „zeit“ zu tun und auch nicht mit den immer besser werdenden readern, sondern mit dem phänomen „buch“ an sich.
ich würde demnach auch unterscheiden zwischen einem text, der als buch geschrieben ist und einen text, der für das netz geschrieben wurde.
eine option ist das e-book nicht. es sei denn, man schreibt ein e-book.
es mag jetzt nicht ganz klar sein, wo ich eine unterscheidung treffe. aber vielleicht wird es klarer, wenn ich den unterschied zwischen dem text, der gelesen werden muss, mache, und dem text, der vorgelesen werden muss. das ist für mich seit JOHN BARTHs „AMBROSE IM JUXHAUS“ (1960) ein wichtiges kriterium.
allerdings spräche ich mich sehr für ein e-book aus, wenn es multimedial erschiene. das bedeutet, neben dem text (der dann mit verknüpfungen im textgefüge arbeitet, durch die man, wie in einem weblog auch, die lesestrategie selbst bestimmt), sollten auch stimme und bildmaterial zur verfügung stehen.
alles andere 1:1 übertragen zu wollen, halte ich für kokolores.
Am 12. Juni 2008 um 00:54 Uhr
Ich glaube, Du verkennst da ein wenig dieses Medium. Es sind einfach Bücher ohne Papier. Also 1:1-Buchlayout, lediglich mit der Möglichkeit der Volltextsuche und einem Link-Inhaltsverzeichnis. Die e-Books werden auf Readern gelesen.
Wenn das jemand einem Papierdruck vorzieht, warum nicht?
Am 12. Juni 2008 um 10:18 Uhr
ich würde eher sagen, daß die möglichkeiten dieses mediums verkannt werden. wenn die volltextsuche… eben, außer dem 1:1, das einzige ist, das den machern einfällt, dann schießt man mit kanonen auf spatzen, vergleichbar damit, daß man sich ein heimkino anschafft, um dann seine urlaubsdias anzusehen.
Am 12. Juni 2008 um 12:10 Uhr
Sicher mögen die Möglichkeiten des Mediums verkannt werden. Wenn ich allerdings mit einem Device statt mit 10 Büchern in den Urlaub fahren kann – wie mit einem iPod statt mit Stereoanlage und der gesamten CD-Sammlung – ist das doch ein valider Vorteil. Wollen Kunden genau dies haben – und das meine ich mit „mit der Zeit gehen“ – würde ich darüber nachdenken, es ihnen anzubieten.
Am 12. Juni 2008 um 13:27 Uhr
Es gibt ja seit kurzem richtig tolle Reader (leicht, Bildschirm groß genug, „Blättern“ möglich, etc.), aber ich bin da altmodisch. Ich mag das echte Papier immer noch sehen und fühlen. E-book finde ich eher interessant in Bezug auf Leseerlebnisse im Netz, mit Links, Bilder, Überraschungen… aber das ist anderes Lesen, finde ich.
Am 12. Juni 2008 um 14:05 Uhr
so meine ich das, kerstin.
und dann, wie ich es sagte. für ein e-book würde ich einen anderen text schreiben müssen, als für ein buch, eben WEIL es anderes gelesen wird.
das halte ich mit dem podcast ebenso. ich lese nichts vor, was selbst gelesen werden muss, weil es nicht zu intonieren ist. die struktur eines textes ist für mich maßgeblich abhängig und in verbindung mit dem medium.
Am 12. Juni 2008 um 20:59 Uhr
Ich wollte eigentlich nur daraufhinweisen, dass ein junger Verlag, mit Weblogs im Hintergrund, die Möglichkeit ins Auge fassen sollte und vor allem sich bereits jetzt offensiv mit der Möglichkeit der Piraterie auseinanderzusetzen. Denn sie wird kommen. Bookz, lese ich schon.
Wenn man weiß, dass Firmen wie Goodyear sich bereits mit elektronischem Papier erfolgreich beschäftigen ist es nur eine Frage der Zeit, bis beim Discounter um die Ecke der erste Billigreader liegt mit allen Harry Potter drauf und ein Gratis-Abonennemont der Bildzeitung für ..fünfundneunzig. Und diese Geräte können eben auch pdf oder sonstige Formate lesen. Wie lange dauert es mit einer Kamera und Stativ ein Buch zu scannen oder in der Ecke der Buchhandlung mit dem Handy? Ich meine ja nur. Sich damit auseinandersetzen als Verleger.
Ich freue mich auf solche Geräte (nicht wegen der illegalen Nutzung), sondern die Möglichkeit zich Texte mitnehmen zu können (wie von Benjamin bereits beschrieben), in die Bahn, die Straßenbahn, an den Strand, das wäre für Viel-Leser wie mich fantastisch.
Aber perkampus hat auch Recht. Positiv gesehen, künstlerisch bietet ein solches Medium natürlich viel mehr Möglichkeiten, die kreativ genutzt werden sollten. Ich hatte genau diesen Gedankengang. Ich bin ein kleiner auch-Dialektdichter. Zur Zeit wird das sehr stark nachgefragt. Ich nehme an die Globalisierung lässt heimeliges suchen, was ich eigentlich nicht biete. Trotzdem war ich dabei meine Dialekt-Sachen endlich einmal zusammenzustellen und ja, als was zu publizieren? Noch ein Dialektbuch das keiner liest?
Es kam die Idee auf, eine Cd als ISO zum Download anzubieten. Text als pdf mit Links auf Podcasts der Texte im ISO oder online. (Dialekt BRAUCHT das gesprochene Wort, damit auch die weiter entfernten Sprachvarietäten noch verstehen können) Und dann kam der Gedanke: Das ist langweilig. Seitdem schreibe ich neu, denke. Wahrscheinlich wird es eine DVD werden, die den Fernseher als Lesegerät nutzt. geFlashte Filmchen der Texte mit Sound in einem und weiß der Kuckuck was noch alles. Sowas.
Und dann kam mir der Gedanke: Wo hört da Literatur auf, wo beginnt da ein völlig neues Genre?
Nur so Gedanken. Eigentlich wollte ich ja nur gute Wünsche loswerden und auf die mediale Revolution in der Textausgabe hinweisen… ;-)
Am 12. Juni 2008 um 22:07 Uhr
ich denke schon auch, daß uns ein gewaltiger umbruch ins haus steht. ich sehe tatsächlich auch keine konkurrenz zum buch, sondern ein völlig neues und umfassendes medium, das mit sinnen und wahrnehmung als form spielt, das dann einen konventionellen inhalt wie ein kaleidoskop das licht behandelt.
Am 12. Juni 2008 um 22:41 Uhr
Mir macht das Angst. Darf man das überhaupt laut sagen? Allein, um das Buch und um mich selbst fürchte ich nicht, wir werden beide überleben. Aber die allgemeine Tendenz, nicht nur bezüglich der Literatur – eben gerade durch diese neuen Möglichkeiten (ich sage nicht, dass das nicht auch Chancen bietet) – geht in Richtung möglichst viel möglichst schnell. Ich brauche im Zug oder am Strand wirklich nur ein einziges Buch auf einmal. Der Aspekt Langsamkeit und Sorgfalt ist gerade eine Qualität des Buches, die uns sonst abhanden kommt. Einem Buch kann ich vertrauen, ich werfe mich einfach rein und muss mitarbeiten, um es mir zu erschliessen. Im Internet beispielsweise muss man jedoch ständig auf der Hut bleiben und sich am Riemen reissen, um sich nicht zu verlieren (ein unangenehmes Sich-Verlieren im Gegensatz zum Buch, man bereut nachher fast immer, weil es hauptsächlich passiver Konsum ist). Selbst wenn tatsächlich eine positive Revolution stattfinden sollte, es ist dermassen schwer, sich einen vernünftigen Umgang und die nötige Disziplin anzueignen, um nicht einfach ungerichtet irgendwohin zu driften. Ich glaube auch nicht, dass die neuen Medien alle Sinne ansprechen, im Gegenteil. Wie etwa in der Medizin wird zunehmend nur noch dem Bild vertraut, heutige Ärzte können kaum noch eine Leber abtasten – ich glaube nur, was ich sehe. Das Drumherum der Technik bietet meist nicht wirklich neue Formen, sondern schlicht Firlefanz, der vom Eigentlichen ablenkt. Ich befürchte ernsthaft Oberflächlichkeit. Man mag mich dafür verhauen, ich stehe zu meiner Gestrigkeit; aber komme was wolle, das Buch wird noch lange zuletzt lachen (nach mir die Sintflut).
Am 12. Juni 2008 um 23:12 Uhr
Was Piraterie angeht, so ist sie mir eigentlich willkommen, denn ich bin ein Anhänger der Theorie von » Cory Doctorow, dass Piraterie einen Autor und sein Werk nur bekannter machen kann. Seine Erfahrung war, dass die Buchverkäufe in die Höhe gingen, seit er es den Piraten leicht machte und die PDFs zum Download anbot. Wohlgemerkt: mehr verkaufte Bücher als zuvor. Und das wäre gut – für die Literatur und für die Autoren.
Am 13. Juni 2008 um 11:59 Uhr
@ La Tortuga:
es geht NICHT um einen gegensatz zum buch. das hört man immer wieder und ich frage mich zu allererst: WER sagt das?tv, telefon, internet. alles teufelszeug, nicht wahr?
altmodisch zu sein, aus einer wahl heraus, ist völlig legitim. aber sich vor möglichkeiten zu verschließen und deshalb zurückfallen, halte ich für extrem gefährlich.
Am 13. Juni 2008 um 12:13 Uhr
Ich sagte nie „Teufelszeug“, räume ja auch Chancen ein, blind bin ich nicht. Ich wäge nur für mich ab, was mich voranbringt und was mich nur weiter verzettelt. Wo falle ich denn zurück? Ich werde vermutlich nie ein e-Buch lesen, aber deshalb trotzdem beobachten, was an Neuem kommt. Und ich werde nie ein e-Buch schreiben – wenn jemand mein Printbuch als e-Buch will, dann soll er das haben. Das hat mit Verschliessen nichts zu tun. Hätte ich irgendein Talent, das für andere Medien geeignet wäre, sähe es anders aus. Aber ich habe nunmal keins. Alles Neue erst einfach mal mitzumachen kann genauso gefährlich sein. Nicht alles Neue ist ein Fortschritt, bekanntlich. Von „Verschliessen“ war nie die Rede, ich plädiere nur gegen Voreiligkeit und Kritiklosigkeit (was ich hier niemandem unterstelle – ich meine damit vielmehr die gesamtgesellschaftliche Tendenz).
Am 13. Juni 2008 um 14:57 Uhr
ich glaube, hier wird, trotz vielfacher wiederholung, nicht verstanden, was ich sage. DAS halte ich für eine aus konservatismus heraus resultierende blindheit.
was ich mit dem „teufelszeug“ anspielen wollte, ist das, was mich schmunzeln lässt. ich kann mich noch sehr gut an verschiedene „entwicklungen“ erinnern, zb. der übergang von der schallplatte zur cd. was wurde da gejammert und gejappst. nun ist es aber so, dass eine cd zwar in der masse als das praktischere medium durchsetzen konnte, die schallplatte aber keineswegs verdrängte. darüberhinaus bietet die cd ganz andere zusatzmöglichkeiten (wenn man diese nutzt), was zb. videomaterial, screensaver etc. betrifft. multimedia ist ja nun wirklich nichts neues und ist seit dem 50iger jahren ein thema, das selbst dann, WENN ES NEU WÄRE, kaum „gefahren“ bergen kann, sondern ausschließlich ein faszinierendes unternehmen markiert. zu argumentieren: „weil ich nichts anderes kann, bin ich konservativ“ (überzogen formuliert), ist dagegen eher lächerlich.
Am 13. Juni 2008 um 16:33 Uhr
Print-Bücher sind heutzutage nichts weiter als ausgedruckte digitale Daten, die man auch als pdf weitergeben könnte.
Die Oper, Singspiel etcpp. war schon immer Multimedia, bedingte auch schon immer Zusammenarbeit. Multimedia bedeutet vielleicht auch Zusammenarbeit. Gibt es nicht auch Buchillustratoren?
@Turmsegler: Die Einstellung zur Piraterie ist gut. Ich habe die doctorow-Dateien auch heruntergeladen, gelesen und erwäge demnächst den Kauf eines Buches. ;-). Mir ging es um die Erinnerung an einen jungen Verleger darüber nachzudenken solche Dinge auch legal verkaufen zu können.
Die Musikindustrie hatte viel zu lange (und immer noch im klassischen Bereich) überhaupt keine Möglichkeit geboten mp3s legal kaufen zu können. Und so hat sich die Kundschaft an das illegale als das Normale gewöhnt.
Am 13. Juni 2008 um 18:09 Uhr
@p.- : Und verstehst Du, was ich sage? …Mir geht es nicht um das WAS, sondern ums WIE. — Bsp. Gentechnologie: man könnte damit die Erträge steigern, den Pflanzen-, Boden-, Gewässerschutz verbessern, Produkte haltbarer machen und somit Transporte einschränken etc.pp. Es gibt keine gesundheitlichen und wenn mans richtig macht auch nur wenige ökologischen Bedenken. Angesichts des Hungers ist es ein MUSS, dieses Potential nutzbar zu machen. Nur so, WIE die Technologie derzeit eingesetzt wird, verschärft sie alle Probleme, die sie vielleicht beheben könnte, wegen des derzeit herrschenden Wirtschaftssystems. Weshalb ich mich gegen den Einsatz der Gentechnologie ausspreche, nicht wegen der Technologie selbst, sondern aufgrund der Rahmenbedingungen (womit meine heutige Meinung nicht in Stein gemeisselt ist). Das lässt sich zwar nicht direkt vergleichen, aber es zeigt, worin mein „Konservatismus“ besteht.
Lächerlich wäre, etwas öffentlich tun zu wollen, was ich nicht kann. Ich singe gern, aber es fiele mir nicht im Traum ein, es anderswo als unter der Dusche zu tun. Mit der verfügbaren Technologie könnte man auch meine Stimme hochtunen, aber wozu?! Nur weils möglich ist?? Wenn mich dereinst Christian Brückner anruft und mein Buch einlesen will, dann soll er das um Himmels Willen tun, noch so gern, und ob ers vom Papier oder vom Bildschirm abliest, was ich mal von Hand geschrieben habe, ist dann auch nicht mein Problem.
Am 13. Juni 2008 um 19:48 Uhr
auch hier hinkt der vergleich gewaltig. man kann ernährungssysteme kaum mit einem künstlerischen medium vergleichen. berührungspunkt wäre hier allerhöchstens die verwertung durch die wirtschaft. dann aber wird das primäre produkt egal. ich glaube nicht, daß die überlegung der wirtschaftlichkeit einen einfluß auf das von einem künstler gewählte medium hat.
worüber wir in erster linie reden, ist die erforschung von möglichkeiten. (da hast du dann mit deiner aussage über die gentechnologie kein dummes argument geliefert. gentechnologie IST eine möglichkeit, die rahmenbedingungen sind es nicht.)
kino hält nicht vom theater ab, eine cd nicht von der schallplatte. daß wir hier von einem medium reden, das du nicht primär bedienen willst/kannst, wenn es sich so anbietet, wie ich es in seinen möglichkeiten durchdenken möchte, ist klar. noch einmal: die technischen möglichkeiten, text zu präsentieren, sind keine opposition zum buch. auch der film macht ein drehbuch nicht unnötig. hier herrscht der denkfehler. wir reden hier in der tat von einem neuen medium. daß es außer diesen möglichkeiten auch möglich ist, den text 1:1 anzubieten, ist eine völlig andere sache, die mir völlig am arsch vorbeigeht und die jeder für sich entscheiden muß und eben auch kann.
Am 13. Juni 2008 um 20:19 Uhr
Jetzt sind wir uns ja einig. Ums Durchdenken der Möglichkeiten geht es mir ja exakt auch (Skepsis gehört da wohl dazu), der Unterschied ist nur, dass Du diese Möglichkeiten auch tatsächlich nutzt, während ich das vorläufig nicht will, was nicht ausschliesst, dass ich irgendwann meine Meinung ändere.
Es geht auch bei der Ernährung nicht primär um Wirtschaftlichkeit – natürlich, der Produzent will und muss überleben, innerhalb seines Spielraums richtet er sich aber in erster Linie nach seinen Neigungen, die meisten Landwirte würden anders produzieren, wenn sie eine Wahl hätten (so wie sich viele Künstler aus Not ebenfalls prostituieren). Vergleichbar ist es deshalb (wenn auch entfernt), weil Nahrung ein körperliches und Kunst ein geistiges Grundbedürfnis deckt. Opponenten des Bauern wie des Künstlers sind eben jene, die vermarkten und verrenten und den Löwenanteil einsäckeln von dem, was eigentlich gar keinen Preis hat, weil es allen zugänglich sein muss.
Am 13. Juni 2008 um 20:39 Uhr
das sehe ich anders. ohne vermarktung KANN es gar nicht jedem zugänglich sein, weil allein ein hinweis auf das existieren bereits dazugehört. die künstler möchte ich sehen, die akzeptierten, ihre kunst sei wertlos.
den bauern möchte ich sehen, der sein korn nach getaner arbeit selbst in die geschäfte fährt.
Am 13. Juni 2008 um 21:06 Uhr
Möglichkeiten durchdenken, egal wie nicht-umsetzbar gegenwärtig. Ich rede nicht davon, wie es IST. Ein Bürgergehalt würde dem Missstand schon grossteils abhelfen. Ein monetärer Preis ist überhaupt nicht mit dem Wert gleichzusetzen, der liegt woanders. Ich für meinen Teil würde es vorziehen, meine Texte zu verschenken, womöglich sogar anonym, wenn mein Lebensunterhalt gedeckt wäre, ohne einer anderen Arbeit nachgehen zu müssen – im Vertrauen, dass ich ebenfalls geschenkt bekomme, was ich benötige und nicht selbst herstellen kann. Utopie oder Vision, das wird sich weisen (auch die Medien, die wir heute haben, waren mal Utopie oder Visison).
Viele Bauern karren selber, die Direktvermarktung, ob ab Hof (in dem Fall karrt er nicht, „vertrödelt“ aber sehr viel Zeit mit den Kunden), auf Märkten, in genossenschaftlich organisierten Läden, ist ein starker Trend; einerseits um die zwischengelagerten Stufen zu umgehen, andererseits um die Brücke zu den Konsumenten zu schlagen. Ein guter Ansatz, wenn auch quantitativ noch minoritär.
Am 13. Juni 2008 um 21:55 Uhr
Darf ich einen Zwischenwurf wagen?
Sind e-books (bzw, was daraus noch entstehen wird) oder andere Alternativen nicht gerade DIE Möglichkeit der Selbstvermarktung? Auch als Verlagsmodell?
Um im Bild oben zu bleiben: Der Verlag als eine Art Genossenschaft für Direktvermarkter? Ohne Grossbuchhandlungen die Kosmetikfirmen oder den kath. Bischöfen gehören? Ohne Drittverwerter? Ohne Restauflagen? Ohne Vergriffen-Schilder?
Und geht es in diesem Post nicht um die Gründung eines neuen Verlages?
Mir scheint als würden Lebensentwürfe diskutiert, so spannend dies auch zu lesen ist.
Verschenken per Gegengeschenk klingt gut, ist sympathisch, aber es funktioniert nicht. Noch nie!
Am 13. Juni 2008 um 22:46 Uhr
Das müsste doch durchaus auch mit Büchern im herkömmlichen Sinne zu machen sein, dank Print on Demand etc. – siehe Benjamins Post. Gerade die Liebhaber der Literatur sind ja sehr oft biblioman und bezahlen auch für das Papier (Umschlag, Geruch, Gewicht, Schrifttype, Geräusch des Umblätterns …).
e-Books wären sicher auch eine gute Möglichkeit, den Print querzufinanzieren. Oder noch besser: Massenschund nur noch als e-Book anbieten und den Gewinn daraus in gedruckte Bücher stecken. Nur sind das natürlich kaum je dieselben Verlage. Und mit der Aufhebung der Preisbindung rauscht ohnehin gerade alles in den Abgrund.
So ein Reader, wenn ichs mir recht überlege, könnte eigentlich meine bibliotheksbedingte Nomadismusbremse massiv entschärfen. Wenn mir dadurch nicht 90% der Lesefreude abhanden käme, was ich eben befürchte. Aber derzeit ist das eh alles noch jenseitig teuer. (sFr. 530.- bis 680.- in meiner Buchhandlung.)
Nein, Schenken funktioniert leider nicht, so wie es jetzt ist. Ich bin überzeugt, dass die Menschheit es nicht mehr lange machen wird, wenn sie den Kapitalismus weiterhin zum Exzess treibt. Also falls wir sehr viel später noch da sind, halt nicht mehr wir persönlich, wird es zwangsläufig funktionieren.
PS. Aus der Produktbeschreibung des CyBook: „Das CyBook ist auch ein MP3 Player. Schliessen Sie einfach Kopfhörer an und lauschen Sie Ihrer Lieblingsmusik während Sie lesen. “ — Allein die Idee, dass man sowohl nebenbei lesen und gleichzeitig nebenbei Musik hören könnte!!! DAS sind die Dinge, die ich so fürchterlich finde und mit Oberflächlichkeit meine.
Am 14. Juni 2008 um 00:21 Uhr
was mikel sagt, ist genau der punkt. besehen wir uns die verhältnisse, die heute so voller sorge dargetan werden, entdecken wir, dass es jenen, die schreiben heute keine mühe bereitet, dennoch zu leben. das war früher ganz etwas anderes. da waren die probleme wirklich einem hungertod vergleichbar. obwohl ich selbst in dieser bedrouille bin, kann ich das gejammer nicht ganz nachvollziehen. wir sind alle fett und kugelrund, symbolisch gesprochen. der schrei des küsntlers nach noch mehr kohle, dann am besten auch noch staatlich finanziert, halte ich für abartig. darein fällt nicht, dass ich dem konsumverhalten ebenfalls skeptisch gegenüberstehe, doch das ist eine ganz andere sache.
zurück aber zu mikel. ich betonte es bereits überall und allerorten: auch das hat sich nicht geändert. jene, die nicht verkaufsorientiert schreiben, haben stets ihre eigenen projekte auf die beine gestellt. der glaube, dass die verlagsanstalten für literatur verantwortlich sind – ich weiß gar nicht, wo dieser gedanke herkommt.
und dann gilt es: du kannst schreiben, was du willst. wenn du nicht weißt, wie du deine leser erreichst, bleibst du zuhause und trinkst leitungswasser. oder du suchst dir einen job. so einfach ist das.
was mikel sagt, geschieht ja gerade. es kommt endlich entwicklung in diese ganze olle verstaubte und entsetzliche statik.
Am 14. Juni 2008 um 23:43 Uhr
Unter diesem Gesichtspunkt sehe ich die Überlegungen. Allerdings wäre für mich an diesem Modell entscheidender, dass der Autor mehr Prozente von eBook-Verkäufen bekommen könnte, weil es schlicht keine echten Produktionskosten sind. Die eBook-Ausgabe ist ja ein Nebenprodukt des normalen Produktionsprozesses.
Würde man das eBook bspw. für 50% des Buchpreises anbieten, kann man den Autor mit womöglich 25% statt 12% am Verkaufspreis beteiligen. Das ist eine interessante Option. Er/sie hat einen Leser gefunden und und mehr dabei erlöst.
Bei dem von mir verfolgten Modell ist es so, dass ich nicht querfinanzieren muss. Die Produktionskosten sind so überschaubar, dass die Investition des Verlages sich in einem Rahmen bewegt, dass man sie einfach tätigen muss, wenn man an die Qualität eines Titels glaubt.
Am 15. Juni 2008 um 00:09 Uhr
Ein wenig zurück, zu Cory Doctorow: Nicht nur er, auch Paulo Coelho bedienen sich des „Tricks“, einen Teil ihrer Literatur als kostenlose eBooks anzubieten, um die Verkaufszahlen ihrer Print-Bücher zu steigern. Coelho geht sogar noch einen Schritt weiter: Er betätigte sich selbst als „Pirat“ und stellte Raubkopien seiner eigenen Werke ins Web – was nach Illegalität klingt, war aber vermutlich mit dem Verleger abgesprochen.
Am 15. Juni 2008 um 00:23 Uhr
Zu Paul Coelho: Eben, dies ist ein weiteres Beispiel, das ich vergaß anzuführen. Die Frage der eBooks sollte also wirklich bedacht werden. Ggf. kann man das auch mit den einzelnen Autoren absprechen. Für den Verlag sehe ich tatsächlich kein wirkliches „Schadenspotential“ und damit auch nicht für den Autor, darf man doch vermuten, dass jeder „Pirat“ ein Leser ist, den der Autor gewonnen hat.
Am 15. Juni 2008 um 10:15 Uhr
zu Paulo Coelho: Wenn die ENM sich auf seichte Seelenratgeberliteratur spezialisieren würde, müsste sie sich wahrscheinlich gar keine Gedanken über eBooks machen. Paulo Coelho hat (unter anderem) die Dreifaltigkeit auf Einfältigkeit heruntergekocht. Wo Seelenheil so billig zu haben ist, finden sich immer Millionen Käufer. Dass da auch illegale Kopien im Netz herumschwirren, schadet niemandem, am wenigsten dem Autor selbst. Er weiss nur zu gut, dass Menschen für ihre Erlösung zahlen WOLLEN. Deshalb laufen die Leser auch in Massen in die Buchhandlung, nachdem sie eines seiner Bücher online umsonst gelesen haben, und legen die 30 Franken für eine Diogenes-Ausgabe bereitwillig auf den Tisch.
Am 15. Juni 2008 um 13:57 Uhr
ich wollte gerade ansetzen, als mir markus da zuvor kam. coelho ist wirklich ein schreckliches beispiel. vor allem, weil es da nicht um literatur geht, sondern um eine new-age-vermarkterei. man kann mit ein wenig handauflegen sehr gute geschäfte machen. doch bleiben wir bitte bei literarischen arbeiten und nicht bei allem, was sich AUCH der sprache bedient.
Am 15. Juni 2008 um 18:49 Uhr
Wo ist denn der Herr Thom, der ist doch auch in der Reihe erschienen..
Am 15. Juni 2008 um 20:06 Uhr
Die Edition hat seit ihrer Gründung ja noch weitere Titel vorgelegt, die nun nicht mehr im Programm sind. Ich musste mich nach dem Neustart entscheiden, mit welchem Programm ich an den Start gehen möchte, da die Bücher ja nun neu gestaltet und klassisch in Auflage produziert werden. Ich habe mich für die jüngst erschienenen Titel (plus den demnächst erscheinenden) der Reihe Prosa-Inseln entschieden, die bereits durch mich mitbetreut wurden und in der neuen Gestaltung vorliegen. Auch programmatisch schienen mir diese drei Titel am ehesten ein erkennbares Profil für das neue Programm zu bilden.
Am 18. Juni 2008 um 19:56 Uhr
Droemer nach Pinguin also auch. Sag ich doch!
Am 18. Juni 2008 um 20:06 Uhr
Sie wollen die eBooks 20% unter dem Preis der Printausgaben anbieten. Und dann womöglich noch mit Digital Rights Management. Da werden sie einen Bauchklatscher hinlegen. Das ergäbe Margen wie in der Textilindustrie, aber die eBook-Käufer sind sicher nicht blöd genug, sich derart abzocken zu lassen.