Ein Gastbeitrag von Claudia Öhlschläger (Paderborn)
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Studierende,
mein Vortrag befasst sich mit einem literarischen Internet-Format, das sich immer stärker durchzusetzen beginnt und in der öffentlichen Diskussion der Gegenwart immer häufiger zur Sprache kommt. Und doch ist es bisher kaum zum Gegenstand literaturwissenschaftlicher Überlegungen gemacht worden:1 das literarische Weblog.
Der Begriff »Weblog« setzt sich zusammen aus »Web« (engl.: Netz, Internet) und »Log« für Logbuch. Logbücher bezeichnen ursprünglich eine in der Seefahrt übliche Form der Aufzeichnung täglicher Ereignisse, sie ähneln also dem Tagebuch. Weblogs oder auch Blogs im Netz sind Kommunikations- und Publikationsplattformen mit Tagebuchcharakter.2 Die Forschung kennt verschiedene Typen von Weblogs; nach formalen Kriterien unterscheidet man etwa offene von geschlossenen Weblogs, öffentliche von privaten Weblogs. Nach inhaltlichen Gesichtspunkten haben sich sogenannte Fachblogs, Fotoblogs, Werbeblogs, Metablogs, Journalistische Blogs und Literarische Blogs herauskristallisiert. Um letztere wird es im heutigen Vortrag gehen.3
Der typische Aufbau eines Blogs (hier gezeigt am Beispiel des Notizblog) sieht in etwa so aus:
- ein datierter Weblogtext, das sogenannte »posting«
- unterhalb des Weblogtextes befindet sich meist ein Kommentarbereich
- es gibt in der Regel eine Kalenderleiste, über die ältere Texte chronologisch geordnet zugänglich sind
- eine »Blogroll«, die mit Links zu empfohlenen Weblogs oder Weblogs befreundeter Blogger/-innen führt (hier unter der Rubrik »Links«)
- ein Link zu persönlichen Informationen über die Blogger/-in
Literarische Weblogs gibt es schon seit Ende der 90er Jahre. Besonders bekannt geworden ist etwa Rainald Goetz´ Online-Tagebuch »Abfall für alle«, das er zwischen 1998 und 1999 betrieb und täglich mit Notizen in Länge von ein bis sieben Seiten bestückte. Allerdings wurde dieses Weblog nicht weitergeführt; das Tagebuch erschien 1999 bei Suhrkamp in Form eines 860 Seiten starken Buches. Auf der Seite der Zeitschrift Vanity Fair betreibt Goetz seit dem vergangenen Jahr sein neues Kultur-Blog unter dem Titel »Klage«: Der Leser wird durch die Politik, die Kunst, die Geschichte Berlins und damit auch »durch den Kopf« des Autors geführt.4
Auch der Austausch zwischen Künstlern und Schriftstellern (Elke Naters, Sven Lager) auf der Internet-Literatur-Plattform am-pool.de liegt inzwischen brach und ist bei Kiepenheuer & Witsch als Buch mit dem Titel »the buch« erschienen.5
Dasselbe gilt für das Internet-Projekt Null, das von Thomas Hettche und Jana Hensel 1999 initiiert wurde und Erzählungen, aber auch politische Stellungnahmen von etwa 35 jungen Autoren im Zeitraum von einem Jahr umfasst. Die online-Anthologie liegt inzwischen in konventioneller Buchform vor, sie ist 2000 beim DuMont Verlag erschienen. 6
Gegen den berechtigten Eindruck, literarische Internet-Projekte bzw. das literarische online-Tagebuch würden sich vielleicht doch nicht durchsetzen können, erheben sich neuerdings Stimmen, die von der Etablierung der »bislang einzig adäquaten Form der Internetliteratur« sprechen. 7
Die Blog-Schriftsteller Markus A. Hediger, Benjamin Stein und Hartmut Abendschein haben jüngst einen Band mit dem Titel »literarische weblogs« herausgegeben, in dem erstmals eine Programmatik literarischer Weblogs entwickelt wird. 8 Das Vorwort der Redaktion allerdings deutet auf einen Diskussionsbedarf hinsichtlich des Literaturbegriffs hin.
Um sich der Frage nach dem Literaturbegriff anzunähern, möchte ich in drei Schritten vorgehen. Der Stellenwert sogenannter literarischer Weblogs soll unter literaturtheoretischen Gesichtspunkten reflektiert werden. Erstens möchte ich nach Konzepten von Autorschaft fragen; zweitens wird es um die Netzwerk-Struktur von Weblogs gehen und hiervon ausgehend um das geforderte Rezeptionsverhalten. Damit verbunden sind Überlegungen zum Umgang mit dem Verhältnis von Wahrheit und Fiktion; drittens schließlich möchte ich eine These des Blog-Autors Alban Nikolai Herbst überdenken, der zufolge sich eine »anthropologischer Kehre« abzeichne. Herbst geht davon aus, dass sich nicht nur der Mensch durch den Kontakt mit den Neuen Medien verändert habe, sondern zugleich das Wissen über den Menschen. 9
Ich werde mich in diesem Vortrag auf das Fallbeispiel eines literarischen Weblogs konzentrieren, das sich für eine literaturwissenschaftliche Betrachtung dieses Genres als besonders fruchtbar erweist: Auf das literarische Web-Log des »Turmsegler«.
1. Texte mit verkümmerter Autorfunktion?
Weblogs seien, so schreibt Andreas Rosenfelder in einem Artikel der Zeitschrift Literaturen, »Texte mit verkümmerter Autorfunktion«. Denn Weblogs konstituierten sich aus »unreinen Quellen« und gingen im Gebrauch auf – »wie Bedienungsanleitungen, Gästebucheinträge oder Postwurfsendungen.«10
Zunächst fällt auf, dass literarische Weblogs nicht ausschließlich literarische Texte der Blog-Betreiber präsentieren, sondern über Literatur, aber auch kulturelle Events handeln und diese verhandeln. Wenn literarische Weblogs vorwiegend über Literatur und Kultur sprechen, so bahnen sie Wege des Lesens. Im Sinne der ursprünglichen Bedeutung des »Logbuchs« könnte man sie als »Reisebeschreibungen« durch die Welt gedruckter oder nicht gedruckter Texte bezeichnen. Sind die Blog-Besucher einmal auf die zitierten Texte aufmerksam gemacht worden, sehen sie sich aufgefordert, ihren eigenen Standpunkt zu formulieren und mit dem Autor direkt in Kontakt zu treten. Aus den Kommentardialogen entwickelt sich ein Diskurs über Literatur, über literarische Vorlieben, idealer Weise auch über Regeln und Maßstäbe des Schreibens, im besten Fall handelt es sich um poetologische Reflexionen.
Das literarische Weblog ist somit ein Format, das die strikte Trennung von Autor- und Leserfunktion aufhebt. In den Kommentaren werden die Leser (Blog-Besucher) zu Ko-Produzenten, der Blog-Autor wiederum legt sich verschiedene Masken zu: Er präsentiert sich als Leser, als Literaturkritiker, als Schreiber, als Verwalter literarischen und kulturellen Wissens, als Experte für Literatur und Kultur. Dennoch löst sich der Autorbegriff nicht hinter der persona (Maske) auf. Im Kontext der Hypertextdebatte hat man vom Verschwinden des Autors zugunsten einer kollektiven Autorschaft gesprochen; mit den literarischen Weblogs verhält es sich anders. Sie dienen, wie Weblogs im allgemeinen, der Ausbildung einer Netz-Identität, oder sagen wir: der Konstruktion einer Leser- und Schreiber-Identität.11
Die Instanz des Autors kehrt in literarischen Weblogs also wieder, und vielleicht ist es gerade dieser Tatbestand, der dieses Internet-Genre nach dem verkündeten Ende postmoderner Beliebigkeit so attraktiv werden lässt. Jedoch müssen wir nach der Beschaffenheit dieses Autors fragen. Es handelt sich um einen Autor, der sich dem Gesetz der Konstruktion des Ich durch eine Instanz des Anderen konsequent unterwirft.12 Das individuelle Profil bildet sich erst im Vollzug des Dialogs mit den Weblog-Besuchern heraus. Meine These lautet, dass auch die vom Autor zitierte Literatur anderer Autoren im Dienste dieser Profilbildung von Autorschaft steht. Die Arbeit an der Konstitution dieses komplexen Autor-Ich reicht zuweilen bis hin zu Auskünften über persönliche Vorlieben, Geschmäcker, Gewohnheiten, Zustände, unternommene Reisen, Treffen, private Konstellationen. Ein Kommentar aus dem literarischen Weblog »Turmsegler« trifft diesen Sachverhalt recht genau, wenn es heißt: »ich zumindest lese lieber persönliche dinge des autors und seine werke als theoretische dinge.« Die Antwort, die ein anderer Kommentator darauf gibt, lautet: »das ist wohl der interessanteste ansatz einer rezeption.«13
Das persönliche Profil eines Blog-Autors, das keineswegs authentisch sein muss, ist mit der Vorstellung von Kreativität und Produktivität aufs engste verbunden. Damit verschiebt sich im Fall des literarischen Weblogs der Traum des unendlichen, kollektiven Textes, wie ihn der Hypertext zu verwirklichen versprach, hin zu einem Konzept von Autorschaft, das auf Selbsterfindung ausgerichtet ist. Diese Selbsterfindung vollzieht sich prozessual und in Auseinandersetzung mit einer Instanz des/der Anderen.
2. Vernetzung, Prozessualität, imaginative Aktion
Literarische Weblogs präsentieren sich als Publikationsforen, die nicht-linear aufgebaut sind. Wie beim Hypertext ist die Leserichtung nicht vom Anfang bis zum Ende vorgezeichnet. Auch das literarische Weblog verfügt über Hyperlinks, die verschiedene Textbausteine und Informationen miteinander verknüpfen. Es obliegt dem Rezipienten, die Reihenfolge der Verknüpfung und damit auch die Art der Kombination der Wissensbausteine zu bestimmen.14
Nicht nur Texte werden präsentiert, sondern auch Bilder, Fotos, Videoclips; die Präsentation erfolgt simultan, alles ist gleichzeitig zu sehen, zu hören, zu lesen. Mit Blick auf die mannigfaltigen Verknüpfungsoptionen kann von einer Erweiterung des Rezeptionsraumes in quantitativer Hinsicht gesprochen werden; hinsichtlich der Kombination verschiedener Medien und damit auch unterschiedlicher Rezeptionsweisen (Hören, Sehen, Denken) haben wir es zugleich mit einer qualitativen Erweiterung des Rezeptionsraumes zu tun. Das Paradigma eines sich in der Zeit entfaltenden Lesens, wie es die Buchlektüre kennzeichnet, ist für das literarische Weblog nicht mehr prägend.15 Da die Textbausteine, Bilder, Fundstücke literarischer Weblogs heterogen sind16, sind hier andere und neue Formen der Rezeption gefordert. Der Rezipient ist aus einem festen räumlichen Koordinatensystem gelöst, seine Lesebewegung folgt einer Spur, die sich im Vollzug des Lesens erst bahnt; der Rezeptionsakt dehnt sich förmlich aus; der Rezipient passt sein Leseverhalten überdies der fragmentarischen und knappen Form der präsentierten Einträge in literarischen Weblogs an. Oftmals erscheinen Einträge unvollständig und es bedarf eines weiteren Mausklicks, um sie ganz lesen zu können. Der Leser unterbricht also den Leseakt immer wieder aufs Neue, um anderen Links und Spuren zu folgen. Kritisch gesprochen kommt es zu einer »Defokussierung«, da der Nutzer sich auf alle Elemente des Bildschirms gleichzeitig zu konzentrieren lernen muss: Es wird zuweilen mehr »geklickt und geguckt« als tatsächlich gelesen.17 Andererseits erwächst aber gerade aus dieser Bruchstückhaftigkeit der Präsentation das energetische Potential einer imaginativen Rezeption. Leerstellen und Lücken innerhalb eines Mediums und zwischen den Medien aktivieren nachweislich die Imagination des Rezipienten.18
Die Imaginationsaktivität des Rezipienten wird auch dahingehend gefordert, als Wirklichkeit und Fiktion im Weblog entgrenzt werden. Aufgrund des engen Kontakts zwischen Autor und Leser kann die Fiktion so gestaltet werden, dass sie als Wirklichkeit rezipiert wird. So kann der Leser beispielsweise nicht wissen, ob sich der Autor, wie behauptet, auf Recherchereise in Israel befindet, oder das nur schreibt, ob er von einem Herrn namens Amnon Zichroni Post bekommen hat, oder dieser nur eine erfundene Figur des Autors ist. Wir kennen solche Verwirrspiele mit vermeintlichen Wirklichkeitsreferenzen aus den Romanen W. G. Sebalds; da jedoch das Weblog ein Forum darstellt, das eben nicht nur Fiktion ist, sondern auch der Berichterstattung wie in einem Nachrichtenkanal dient, sind Wirklichkeit und Fiktion kaum zu unterscheiden.
3. Benjamin Stein: Turmsegler
Ich möchte die bis hierin skizzierten Eigenschaften des literarischen Weblogs am Beispiel des »Turmsegler« etwas genauer demonstrieren. Der sogenannte »Header« (Briefkopf) ist in unserem Beispiel dem Themenkomplex Literatur angepasst – und dies in doppelter Weise: Der Name »Turmsegler« geht auf ein Gedicht des französischen Dichters René Char zurück.19 Der Titel erscheint vor einer Reihe Bücher. Der Weblog »Turmsegler« begreift sich (vgl. »Erinnern und Entdecken«) als Archiv des Vergessenen und wieder zu Entdeckenden, als eine Plattform des kulturellen und kollektiven Gedächtnisses. Der Turmsegler, so heißt es bei René Char, verabscheut die häusliche Schwalbe, er streicht davon »in die Finsternis« und »schreit seine Freude rings um das Haus«.20 Der Autor, der sich hinter dem Weblog »Turmsegler« verbirgt, gibt seine Identität preis.
Ein Link auf der rechten Seite unter der Rubrik »Seiten« führt zu seiner Biographie: 1970 geboren, Studium der Judaistik und Hebraistik an der FU und HU Berlin, erste Veröffentlichung eines Romans mit dem Titel »Das Alphabet des Juda Liva« beim Ammann Verlag, Zürich (später bei dtv München erschienen). Tätigkeit als technischer Redakteur bei einem Münchner Verlag (starker journalistischer Background), Gründung der Fa. Ivorix und dort Geschäftsführer, mit Computerprogrammen unter Einsatz künstlicher Intelligenz und Business Intelligence Consulting im Auftrag anderer Firmen befasst. Seit 2007 Mitherausgeber der Literaturzeitschrift spa_tien, 2008 Mitherausgeber der Anthologie »Literarische Weblogs«. 2008: »Ein anderes Blau«. Prosa für 7 Stimmen, Edition Neue Moderne.
Die Vernetzungsstruktur auf der Oberfläche muss hier nicht mehr erläutert werden.21 Inhaltlich gestaltet sich die Vernetzung komplex, da dem Blog-Besucher keine Leserichtung vorgegeben wird. Er muss diese selbst finden. Lassen Sie mich die mögliche Herstellung einer solchen Ordnung am Beispiel des Eintrags vom 7. Mai 2008 und drei Folgeeinträgen etwas genauer erläutern.
Am 7. Mai wird unter der Überschrift »Über Musen (Vorgeschichte)« ein Foto des – hier rauchenden – russisch-amerikanischen Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers Joseph Brodsky (1940-1996) gezeigt. Der Beitrag selbst erzählt von der vergeblichen Suche des Blog-Autors Benjamin Stein nach einer biographischen Information über einen – übrigens erfundenen – Herrn namens Amnon Zichroni.
Warum ich das alles erwähne? Nur aus einem Grund: Hätte ich an jenem Tag nicht dort warten müssen, wäre mir kaum jener Band mit Liebesgedichten des Nobelpreisträgers Joseph Brodsky in die Hände gefallen, der nun vor mir liegt.22
Der Beitrag verfügt über mehrere Hyperlinks, die ihn kontextualisieren. Durch Anklicken des rot markierten Begriffs »Leinwand« erfahren wir mehr über ein aktuelles Romanprojekt Benjamin Steins. Durch Anklicken des Begriffs »Zigaretten-Problem« kommen wir auf eine Seite vom 6. April 2008, auf der über heftige Gefühle eines unbestimmbaren Verlusts gesprochen wird; durch Anklicken des Links »Joseph Brodsky« kommen wir auf einen Wikipedia-Eintrag, der uns Informationen über den russisch-amerikanischen Schriftsteller bereit stellt. Von den Liebesgedichten Joseph Brodskys, die den Blog-Autor, wie er schreibt, »kalt« lassen, führt unter der Rubrik »Im Rückspiegel« der Weg zu einem Gedicht von Bertolt Brecht mit dem Titel »Über die Untreue der Weiber« aus dem Jahr 1927.
Beim »Rückspiegel« handelt es sich im übrigen um eine automatische Funktion, die unter jedem Eintrag erscheint und diesen mit einem Tagesbeitrag des Vorjahres verlinkt. Im Sinne eines Zufallsfunds geraten wir also mit einem Mausklick auf den Eintrag vom 8. Mai 2007 mit dem Gedicht von Bertolt Brecht, mit einem weiteren Mausklick auf das Symbol eines Lautsprechers wird uns das Gedicht durch die Stimme des Blog-Autors »Turmsegler« zu Gehör gebracht.
Am Folgetag, dem 8. Mai 2008 erfahren wir, dass der Beitrag »Über Musen (Vorgeschichte)« als Bestandteil eines Sequels zu verstehen ist, als Teil der Fortführung eines Themenstranges, den der Blog-Besucher wiederum zu ermitteln hat. Ich schlage vor, die Ermittlung des Themenstranges mittels erkennbarer Kontiguitätsbeziehungen zu verfolgen. Der Eintrag vom 8. Mai 2008 enthält ein ausführliches Zitat aus Joseph Brodskys Essayband »Der sterbliche Dichter. Über Literatur, Liebschaften und Langeweile«. Dieses Zitat stiftet eine Verbindung zwischen dem am Vortag eröffneten Geschlechter- und Liebesdiskurs und dem Thema Autorschaft. Unter dem Motto »Über Musen (Stimme der Sprache)« beziehen der Blog-Autor und die Kommentatoren seines Eintrags Stellung zu der von Brodsky aufgeworfenen Frage nach Qualität, Gestalt und Funktion der Muse als Inspirationsquelle des Dichters. Wir haben es also mit Kontiguitätsbeziehungen zwischen einander angrenzenden Begriffen zu tun. Diese Beziehungen sind beliebig erweiterbar und beziehen sowohl Text-, wie auch Bild- und Tonmaterial mit ein. Im Fall des »Turmsegler« liegt es nahe, die metonymische Verkettung von Lexemen wie Liebe-Geschlecht-Muse-Dichter-Rausch als mehr oder weniger explizite Angrenzungen an ein Konzept von Autorschaft zu betrachten. Dieses Konzept wird im Vollzug des Dialogs zwischen zwei Blog-Autoren ermittelt, und zwar im Sinne der oben beschriebenen Konstitution einer Autor-Identität.23
Aus folgenden Dialogen wird deutlich, dass das Musen-Sequel des »Turmsegler« ein romantisches Modell von Autorschaft aufruft. Dieses Modell will den Autor nicht als bloßen »Scribenten« sehen, sondern autorisiert und legitimiert ihn als ‚Inhaber der Sprache‘. Autoerotik, Geniediskurs, Außenseitertum, Rauscherfahrung bilden Konstituenten dieser sich im Vollzug der Dialoge entfaltenden Selbstvergewisserung zweier Autoren.24 Die Möglichkeit einer metonymischen Verkettung setzt sich bis in den nachfolgenden Beitrag vom 14. Mai 2008 fort. Dieser Eintrag zeigt einen Videoclip mit Amy Winehouse, diese wiederum in musikalischer Aktion: Sie singt den Song »You know I´m no good«. Die Rede von der Muse als »bewusstseinserweiternder Droge« vom Vortag verknüpft sich mit der inzwischen zur Ikone mutierten Soulsängerin, in der sich Drogenkonsum und Könnerschaft vereinen.
4. Innovation und »anthropologische Kehre«?
Dieser kurze Einblick in die Netzwerkstruktur eines literarischen Weblogs konnte verdeutlichen, dass der Leser eines Weblogs aufgefordert ist, an der Konstitution eines in medialer Hinsicht hybriden Textgebildes mitzuwirken, das sich schier unendlich verzweigt. Der Zufall als Inbegriff des Spontanen und kreativer Produktivität erwies sich hierbei als ein durchaus kalkulierter Generator von Sinnstiftung. Spätestens hier kommt die Frage auf, ob wir Netzwerkstrukturen auch in gedruckten literarischen Texten vorfinden. Auf diese Frage gibt die literaturwissenschaftliche Forschung indirekt eine Antwort, indem sie auf die wechselseitige Beziehung zwischen Hypertexten und zentralen Thesen der poststrukturalistischen Literaturtheorie hinweist.25 Zu denken wäre hier etwa an die Metapher vom ´Text als Netz´, die sowohl bei Michel Foucault, bei Roland Barthes oder Jacques Derrida zu finden ist. Oder an den Begriff des »Rhizoms«26, der beispielsweise neue Einsichten in die narrative Struktur von Kafka-Texten gegeben hat.27 Während Foucault und Derrida die Netzmetapher in Anspruch nehmen, um die Grenzen des Textes zu thematisieren, betont Roland Barthes in »Die Lust am Text« den Akt der prozessualen Entstehung des Textgewebes.28
Prozessualität gilt nun der Programmatik Alban Nikolai Herbsts zufolge als das Erkennungsmerkmal des Weblogs.29 Literarische Texte im Netz erscheinen in dieser Perspektive als reale Umsetzung postmoderner literaturtheoretischer Programme. Auch die Theorie von der Intertextualität eines literarischen Textes geht von der Prämisse aus, dass der Text kein abgeschlossenes Produkt darstellt, dass der Leser aktiv am Schreiben teilnimmt und ein Text aus einem Mosaik von Zitaten besteht.30 Während nun aber das Modell des Hypertextes auf eine kollektive Autorschaft im Netz ausgerichtet ist,31 haben wir es im Fall des literarischen Weblogs mit einer Netzstruktur zu tun, die, wie wir gesehen haben, der prozessualen und unabschließbaren Selbstkonstitution eines Autor-Ich dient, das freilich nicht mit sich selbst identisch wird.32 Unterscheidet sich das literarische Weblog darin von literarischen Tagebüchern in gedruckter Form? Ja und nein. Das entscheidende Novum scheint dort zu liegen, wo sich mittels der Kommentarfunktion ein unmittelbarer Dialog zwischen Blog-Autor und Blog-Besuchern entwickelt, wobei letztere ihrerseits oft Autoren sind.
Das Weblog eröffnet gegenüber dem gedruckten Buch die Möglichkeit, den permanenten Wechsel zwischen Sender- und Empfängerposition, zwischen Produzent und Konsument ähnlich flexibel zu gestalten wie es im gesprochenen Gespräch der Fall ist.33 Die Kommentarfunktion macht den Eintrag zum Teil einer am mündlichen Gesprächsmodus orientierten Interaktion.34 Der Blog-Autor ist somit nicht nur ein sich in seinem fiktionalen Gegenüber selbst lesender Autor.35 Er ist durch die Kommentarfunktion der Instanz des Anderen/der Anderen in einem komplexeren Maß ausgesetzt als dies im herkömmlichen, gedruckten Tagebuchformat der Fall sein kann. Es sei denn, er weist Kommentare, die den Prozess der Selbstkonstitution oder das Konzept gefährden könnten, von vornherein ab, indem er sie erst gar nicht in seinen Blog aufnimmt.36 Weblogs sind somit Foren des kommunikativen Austauschs zwischen Lesern von möglicherweise ganz unterschiedlicher sozialer Herkunft, Profession und Intention. Dieser Befund erweist sich auch hinsichtlich stilistischer Veränderungen als interessant. Blogger arbeiten bevorzugt mit Abkürzungen, mit Emoticons, mit Inflektivkonstruktionen (infinite und unflektierte Prädikate: *böseguck*, *freu*, *kicher*).37 Weblogs stiften auch über solche sprachlichen Besonderheiten Gemeinschaften, Zirkel, Verbünde.38 Weblogs eignet damit nicht nur eine kommunikative und interaktive, sondern eine soziale Funktion, die man als weiteren Motor von Kreativität betrachten kann.39
Wie ist es nun um die »anthropologische Kehre« bestellt? Mit diesem Begriff ist offenbar eine Richtungsänderung angedeutet; es sei dahingestellt, ob Alban Nikolai Herbst auf einen Begriff in der Spätphilosophie Heideggers anspielt, der als Abkehr Heideggers von der Subjektphilosophie und vom Anthropozentrismus gedeutet wurde.40 Wenn das literarische Weblog das Wissen des Menschen über sich selbst erweitert und verändert, dann eventuell dahingehend, dass es auf den Konstruktionscharakter von Identitäten und die Bedeutung der Instanz des Anderen aufmerksam macht und diese Einsicht medial realisiert. In jedem Fall erfährt der Literaturbegriff eine Richtungsänderung. Literarische Weblogs stellen unter Beweis, dass der Begriff Literatur, im speziellen Sinne als »Dichtung« verstanden, radikal erweitert wird; denn es wird weder qualitativ und quantitativ zwischen gedichteten, fiktionalen oder gebrauchs- und alltagssprachlichen Texten unterschieden. Hinzu kommt die Gleichordnung von Text (»Versprachlichung der Schrift«), Bildern und Hörbeispielen. Wie und wo also verlaufen die Grenzen der Literatur, wenn wir gedruckte Texte, die wir bisher nicht zur Literatur gezählt haben, im Spiegel solcher hybriden Literatur-Formate im Internet betrachten? Fast ist man geneigt, den literarischen Weblog als einen Paratext in Großformat zu bezeichnen, als eine ins Zentrum gestellte Fußnote, die die Ordnung der Dinge umkehrt, indem sie die Peripherie zum Zentrum macht. Weblog-Autoren freuen sich, wenn sie auch in diesem Sinne im Netz dem Zentrum des konventionellen Literaturbetriebs entrinnen können.
- Eine gewisse Ausnahme stellen sprachwissenschaftliche Untersuchungen dar, die sich für sprachstilistische Transformationsprozesse interessieren, also für die Beeinflussung der Kommunikation durch ein Medium.
- Im Kontext seiner Entstehung in der 90er Jahren fungierte das Weblog als Protokoll der Internet-Aktivitäten eines Autors / einer Autorin. Ein Autor (»Blogger«) dokumentierte seine »Surftour« durch das Internet, indem er zu besuchten Seiten einen Kommentar schrieb oder Internetseiten verlinkte. Der Tagebuchcharakter des Weblogs setzte sich immer stärker durch, die Unterscheidung zwischen Blogs und sogenannten »Diarys« begann sich Ende der 90er Jahre zunehmend aufzulösen.
- Sylvia Ainetter: Blogs-Literarische Aspekte eines neuen Mediums. Eine Analyse am Beispiel des Weblogs Miagolare. Wien, Berlin 2006, S. 24ff.
- Florian Ilies: Das Stöbern stirbt. In: Die Zeit Internet spezial Mai 2008, Teil 3: Wie das Internet unsere Kultur verändert, S. 21. http://www.vanityfair.de/extras/rainaldgoetz/
- http://www.amazon.de/Buch-Leben-am-pool/dp/3462029932
- Jana Hensel; Thomas Hettche (Hrsg.): Null. Literatur im Netz. Köln 2000. Aufsehen erregte wiederum das Internet-Projekt (http://www.riesenmaschine.de), weil eine ihrer aktiven Bloggerinnen Kathrin Passig für ihre Erzählung »Sie befinden sich hier« 2006 den Ingeborg-Bachmann-Preis verliehen bekam.
- Illies, Das Stöbern stirbt.
- Der Band erschien als Sonderband der Zeitschrift »spa_tien. zeitschrift für literatur« auch als Printversion bei der edition taberna kritika, Bern 2007. Im Jahr 2004 riefen die Autoren Hartmut Abendschein und Markus A. Hediger die Internetplattform »litblogs.net« ins Leben. Dieses Internetportal sollte es ermöglichen, die besten Weblogs deutschsprachiger Autoren und Autorinnen in einer Art Echtzeit-Magazin zu vereinen. Auf einen Blick wollte man den Leserinnen und Lesern verschiedene Literatur-Online-Arbeiten zugänglich machen. Gegenwärtig sind im Portal litblogs.net 17 Weblogs zu finden, deren Beiträge eingelesen und auf einer Seite chronologisch präsentiert werden.
- Alban Nikolai Herbst: Das Weblog als Dichtung. Einige Thesen zu einer möglichen Poetologie des Weblogs. In: Markus A. Hediger, Benjamin Stein, Hartmut Abendschein (Hg.): Literarische Weblogs. (Spatien, Sonderausgabe). Bern 2007, S. 26.
- Andreas Rosenfelder: Ein Labyrinth, das keine Sackgassen kennt. Nachrichten aus der aufregenden Grauzone zwischen Literatur und Nicht-Literatur: Wie sind die Texte in Weblogs beschaffen? In: Literaturen 11, II, 2006, S. 52-58.
- Peter Matussek: Without Adresses. Anti-Topologie als Motiv von Netz-Kunst. In: Netzwerke. Eine Kulturtechnik der Moderne. Hrsg. von Jürgen Barkhoff, Hartmut Böhme und Jeanne Riou. Köln, Weimar, Wien 2004, S. 319-333. »Bevor ich aufgehört habe zu schreiben, habe ich aufgehört zu lesen.« https://turmsegler.net/20061125/erinnern-und-entdecken.
- Nach Matussek handelt es sich bei dieser Konstruktionsleistung der Ichwerdung um eine »anthropologische Grundgegebenheit«, die Jacques Lacans Psychoanalyse dargelegt hat. Matussek, Without Adresses, S. 320.
- https://turmsegler.net/20080507/ueber-musen-vorgeschichte/#comments
- Uwe Wirth: Hypertextualität als Gegenstand einer „intermedialen Literaturwissenschaft“. In: Grenzen der Germanistik. Hrsg. von Walter Ehrhart. Alban Nikolai Berg führt in diesem Zusammenhang den Begriff der „bricolage“ von Lévi-Strauss an:„ Der eigentliche Charakter der bricolage, die Montage nämlich aus objets trouvés e cherchés, entzieht sich aus eigentumsjuristischen Gründen der Darstellung. Auch hier ist das Netz, aufgrund sowohl seiner Internationalität, die die verschiedenen Gesetze gegeneinanderstemmt, als auch wegen seines anonymen Charakters die noch am wenigsten sanktionierte und sanktionierbare Plattform einer der Wahrheit und nicht dem Entertainment verpflichteten Kunstbewegung. Herbst, Das Weblog als Dichtung, S. 27.
- Vgl. „Vorwort“. In: Netzwerke. Eine Kulturtechnik der Moderne. Hrsg. von Jürgen Barkhoff, Hartmut Böhme und Jeanne Riou. Köln 2004, S.7-16, hier S. 7.
- Literaturkritik, Essayistisches, persönliche Leseerfahrungen, Werbeanzeigen für Bücher, Kommentare zu bestimmten Websites, biographische Angaben zum jeweiligen Autor etc.
- In diesem Sinne argumentiert kritisch Evelyn Finger: Verzettelt im Netz. In: Die ZeitInternet Spezial, Mai 2008, Teil 3: Wie das Internet unsere Kultur verändert, S. 10-11, hier S. 11.
- Vgl. Matussek, Without Adresses, S. 329.
- https://turmsegler.net/20061125/erinnern-und-entdecken
- https://turmsegler.net/20061126/der-turmsegler/. Zitiert wird aus René Char: Der erzählende Quell (1947), in: ders.: Einen Blitz bewohnen. Frankfurt/Main 1995.
- Unter der Rubrik »Kommentare« auf der rechten Menüleiste können die Kommentare zu vergangenen Beiträgen aufgerufen werden. Diese Kommentare beinhalten wiederum Links, die zu anderen Weblogs oder Websites weiterleiten. Unter der Rubrik »Seiten« werden Neuerscheinungen des Autors, aber auch das literarische Weblog-Netzwerk, dem er angehört, vorgestellt. Zwei Links verweisen auf die Plattform litblogs.net und die online-Literaturzeitschrift spa_tien. An der rechten Seite erscheint die »Blogroll«, der Link »Literatur im Netz« verbindet mit Websites zu Autoren und Autorinnen, wie beispielsweise mit dem Ingeborg-Bachmann-Forum oder dem Münchner Lyrik-Kabinett.
- https://turmsegler.net/20080507/ueber-musen-vorgeschichte/#more-810
- Vgl. Brigitte Rath: »Angrenzende Widerspiegelungen«. Personal Blogs als metonymische Autobiographien. In: parapluie. Elektronische zeitschrift für kulturen. künste. literaturen. http://parapluie.de/archiv/autobiographien/blogs/, gesehen am 14.5.2008. Ich zitiere eine Passage aus dem Eintrag des »Turmseglers« vom 12. Mai 2008 mit dem Titel »Über Musen (Altra Ego)« und eine Passage aus dem Kommentar, den Perkampus, ein anderer Blog-Autor, dazu abgibt. Benjamin Stein schreibt: »Die Muse in ihrer körperlichen (menschlichen) Erscheinung ist der bewusst oder unbewusst gewählte Spiegel oder auch ein Verstärker für die Signale, die zu schwach wären, um von sich aus hörbar zu werden. Was auch immer ‚diktiert‘ wird, war im Dichter (die –innen mögen verzeihen, sie sind selbstredend einbezogen) vorhanden.« Perkampus reagiert: »mir gefällt die gewählte analogie mit dem spiegel. ich halte jeden künstlerischen ausdruck für genau diese eitelkeit, die uns in einen Spiegel blicken läßt. warum sonst sollten wir uns derart mitteilen. der künstler macht auf sich aufmerksam, was er selbst darin verarbeitet, ist schlussendlich wieder er selbst als organ der sublimation. […] hier käme ich wieder auf die romantik zurück, die die beziehung dichter/muse großartig beherbergt. […] brodsky, das ist ersichtlich, hat die beziehung zu einer muse völlig richtig erkannt. man muß da nicht nachdenken. jene, die das phänomen erleben, haben das gleiche vokabular parat, so dass ersichtlich wird, dass es hier nicht um theorien sondern um wirklichkeiten geht.« https://turmsegler.net/20080512/ueber-musen-altra-ego/#comments
- Der Diskurs über den Rausch als kreativen Impulsgeber wird im Eintrag vom 14. Mai 2008 fortgesetzt – in Form eines Videos, der die in Drogenskandale verwickelte amerikanische Soulsängerin Amy Winehouse in künstlerischer Aktion präsentiert.
- George Landow: Hypertext 2.0. The Convergence of Contemporary Critical Theory and Technology. Baltimore, London 1997; zit. Nach Uwe Wirth: Hypertexttheorie und Literaturtheorie: ein kritischer Vergleich. In: Beate Burtscher-Becher; Martin Sexl (Hrsg.): Theory Studies? Konturen komparatistischer Theoriebildung zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Innsbruck u.a. 2001, S. 129-143, hier S. 129; auch Uwe Wirth: Hypertextualität als Gegenstand einer »intermedialen Literaturwissenschaft«. In: Grenzen der Germanistik. Hrsg. von Walter Erhart. 2004, S. 410-430, hier S. 413f.
- Michel Foucault: Archäologie des Wissens. Frankfurt/Main 31988. Jacques Derrida: Überleben. In: Ders.: Gestade. Wien 1994, S. 119-218. Gilles Deleuze; Félix Guattari: Rhizom. Berlin 1977. Hierzu Wirth, Hypertexttheorie und Literaturtheorie, S. 131.
- Vgl. Gilles Deleuze; Félix Guattari: Kafka. Für eine kleine Literatur. Frankfurt/Main 1976.
- Roland Barthes: Die Lust am Text. Frankfurt/Main 1986, S. 94.
- Alban Nikolai Herbst: Das Weblog als Dichtung. Einige Thesen zu einer möglichen Poetologie des Weblogs. In: Markus A. Hediger, Benjamin Stein, Hartmut Abendschein (Hg.): Literarische Weblogs. (Spatien, Sonderausgabe). Bern 2007, S. 9.
- Vgl. Julia Kristeva: Sèméiôtiké – Recherches pour une sémanalyse. Paris 1969; zit. n. Wirth, Hypertextualität als Gegenstand einer »intermedialen« Literaturwissenschaft, S. 413. Dies.: La révolution du langage poétique. Paris 1967, S. 59. Deutsch: Die Revolution der poetischen Sprache. Frankfurt/Main 1978, S. 68.
- Wirth, Hypertexttheorie und Literaturtheorie, S, 131.
- Rosenfelder spricht sogar von der »intellektuellen Selbstbeobachtung«. In: Ders., Ein Labyrinth, das keine Sackgassen kennt, S. 55.
- Sandbothe, Theatrale Aspekte, S. 6.
- Vgl. hierzu Doris Tophinke: Zwischen Alltagschronistik und narrativer Interaktion: Erzählen in privaten Weblogs. Vortrag anlässlich der Tagung »Wirklichkeitserzählungen« an der Universität Wuppertal, April 2008. Vortragsmanuskript. Sandbothe spricht von der »Versprachlichung der Schrift«. Vgl. ders., Theatrale Aspekte, S. 6.
- Ralph-Rainer Wuthenow: Europäische Tagebücher. Darmstadt 1990, S.1.
- Dieses Faktum der Regulierung steht in einem Spannungsverhältnis zu den technischen Möglichkeiten einer unendlichen Aufnahme aller denkbaren Kommentare.
- Ainetter, Blogs, S. 35ff.
- Ein kleiner Blog erhält beispielsweise eine größere Relevanz, wenn er von mächtigeren Blogs verlinkt wird. Rosenfelder, Ein Labyrinth, das keine Sackgassen kennt, S. 57. Vgl. auch Jan Schmidt: Weblogs. Eine kommunikationssoziologische Studie. Konstanz 2006.
- Herbst, Das Weblog als Dichtung, S. 20. Vgl. auch Mike Sandbothe: Theatrale Aspekte des Internet. http://www.dichtung-digital.de/Interscene/Sandbothe, gesehen am 22.4.08.
- Nach der nicht mehr vom Menschen und seinem Seinsverständnis her das Sein gedacht werden – wie in „Sein und Zeit“ -, sondern es sollte nun vom Sein her der Mensch und die endliche Wirklichkeit gedacht werden.
Am 6. Juni 2008 um 15:28 Uhr
Daß das Weblog wie ein Tagebuch erscheint, liegt wohl an der Tageskladde und an der Hingezogenheit zu einer Illusion der sinnstiftenden Ordnung. Mehr als das erschien mir das Weblog stets als eine Klause, in der nun Notizen, Fragmente, Hinweise, kurz: das ganze eigene kulturelle Leben und Erleben in einem Content Managment System zusammengefaßt werden kann. Es ist meiner Meinung nach die Technik, die hier revolutionären Charakter hat, die Literatur selbst zieht da nur nach. Meine Literatur verändert sich durch das Weblog nicht, aber die Art der Präsentation, die Einblick in die Prozesse gibt, ist etwas Neues, in etwa zu vergleichen mit einer Spülmaschine und weiterer Prothesen, die weiland die Arbeit im Haushalt erleichterten.
Näher an der Materie ausgedrückt, ist das literarische Weblog im günstigsten Fall eine Konzentration und Erweiterung dessen, was sich früher in den Zirkeln und den von ihnen herausgegebenen Zeitschriften abgespielt hat. Unfertiges wurde vorgelesen, darüber diskutiert, Kritik geübt. Das Verhältnis der Autoren und Leser zueinander hat sich effektiv Vernetzt. Zumindest könnte es so sein, aber das sehe ich nicht. Das Potential wird überhaupt nicht hinreichend ausgeschöpft. Eine Clubatmosphäre wird da eher schon in Foren erreicht, während das Weblog (wenn es nicht auch als Forum fungiert) sich in der Regel um einen Autor rankt (unabhängig davon, wie viel Pseudonyme er sich zulegt).
Internetprojekte, die auf eine Interaktion mehrerer Beteiligter ausgelegt sind, funktionieren ebenfalls anders wie etwa ein klassisches Autorenblog. Eines der ersten Projekte dieser Art leitete ich in Form der Lärmenden Akademie als ein Forum, aus der sich dann später eine Autorengruppe herauskristallisierte, als auch das Gemeinschaftsprodukt eines Online-Journals. Das wurde dann noch einmal verändert, indem wir zum ersten Mal ein Weblog bedienten, in dem Journal und Forum zusammenflossen, und das wiederum endete in meinem eigenen Projekt der Veranda.
Ob das Weblog die (angenommene) strikte Trennung zwischen Autor und Leser aufhebt, wage ich zu bezweifeln. Zumindest tut es das nicht mehr als eine gewöhnliche Tageszeitung auf der einen Seite, während auf der anderen Seite eine Trennung zwischen Leser und Autor zu keiner Zeit haltbar war, wenn auch es eine Zeit gab, da dies angenommen wurde.
Als ein wichtiger Begriff erschien mir das Wort „Konstrukt“. Etwa davon auszugehen, daß irgendetwas keine Konstruktion sei, scheint mir ohnehin noch im Kontext eines naiven Realismus zu liegen, über den ich mich gar nicht unterhalten mag. Das führt nämlich zu einem Wirklichkeitsbegriff, mit dem ich schon lange nichts mehr zu tun habe. Daß an diesem Begriff (und der daraus folgenden Verblüffung „Aufhebung der Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion“) weiterhin so vehement festgehalten wird, um dann aber doch zu erwähnen, daß es hier angeblich zu einer Trennung käme, beruht darauf, daß eine Institution als ein gangbarer, gesicherter Weg gilt, mit sicht- oder gangbarem Ziel, und daß mithin außerhalb keine Ziele aufzufinden sind. Man darf diese erschütternde Bedeutung dieser Verlorenheit im Chaos nicht unterschätzen, auch wenn man weiß, daß sie conditia sine qua non jeder Erneuerung des Geistes und der Persönlichkeit ist.
Das ist der eigentliche Grund, warum man postmoderne Ästhetiken so gerne auf den Beliebigkeitsbegriff festnagelt. Das impliziert, daß es eine Eindeutigkeit jemals gegeben hat. Die Denkmodelle des Konstruktivismus (um wieder zum „Konstrukt“ zurückzukehren) zeigen jedoch das in aller Deutlichkeit, was Humberto Maturana so banal wie folgenschwer in den 70igern formulierte:
Das ist an sich kein schöner Satz, aber er beinhaltet all das, was man benötigt, um jede Objektivität als Mythos zu entlarven. So eben auch den Mythos von Wirklichkeit versus Fiktion.
Dem folge ich mit dem Satz: es ist keineswegs das Weblog, das irgendeine (vermutete) Grenze aufhebt.
Es mag schon richtig sein, daß sich das ein oder andere Weblogs prozessual in der Auseinandersetzung mit einer Instanz des/der Anderen beschäftigt. Ob sich dadurch jedoch die Selbsterfindung vollzieht, bezweifle ich. Natürlich weiß ich, welche Weblogs hier als Anschauung dienten, über die Intention der jeweiligen Autoren kann ich nichts sagen, außer was von ihnen selbst hierzu bereits gesagt wurde (gerade von Alban Nikolai Herbst). Auf meiner Veranda spielen Kommentare so gut wie gar keine Rolle, und auch wenn, hätten sie keinen Einfluß auf meine Arbeit, die ich so und nicht anders bereits seit über zwanzig Jahren bewerkstellige. Nur mit dem Unterschied, daß man mich in den 90iger in meinem Theater besuchen mußte, wollte man mich hören und sehen – oder zumindest meine Dia-Lesungen. Jetzt stehe ich im Netz, bin sicht-, hör- und lesbar. Dafür kann man mich nicht mehr so einfach anfassen (geschweige denn küssen).
Eine Theorie des Weblogs oder des Bloggens erfassen zu wollen, scheint mir keineswegs nur die Aufgabe der Literaturwissenschaft zu sein. Wir befinden uns am Anfang einer Technik, die sich vielleicht sehr bald schon selbst überholt hat, oder sagen wir: die selbst als eine weitere Parzelle der Kommunikation assimiliert wird. Wir werden irgendwann Räume betreten können, ohne uns von der Stelle zur rühren, wir werden diese Avatare, die wir schaffen, leben können. Der Bereich der Literatur oder der Dichtung wird dann erst wirklich erweitert zu nennen sein und wieder zurückkehren zu Zeichen, Symbolen und Sprache, so als wären die Jahrmillionen gar nicht vergangen und der Einzelne vor allem auch Geschichtenerzähler.
Jeden Tag erzählt man sich sein Leben und entscheidet in jeder Sekunde, wer man sein möchte. Doch dazu müssen wir uns noch etwas von der Statik befreien. Dann werden wir ein neues Leben entdecken. Jetzt sind wir allerdings bereits dabei, zu erkennen, daß ein Ende der Entwicklung nicht in Sicht ist.
Am 7. Juni 2008 um 20:13 Uhr
Herzlichen Dank für diesen Gastbeitrag aus der Wissenschaft. Für mich, die ich mich erst seit kurzem und höchstens am Rande mit der „Theorie des Bloggens“ befasse, ist das erhellend und löst einiges Staunen aus. Mein Senf – als Nicht-Geisteswissenschaftler – besteht nur aus persönlicher Erfahrung und Ansicht.
Mein eigenes Blog entstand eher aus Zufall (Neugier, ein Nachmittag, an dem ich ausnahmsweise nichts Besseres zu tun hatte), und ich hatte damals überhaupt nicht die Absicht, es über längere Zeit zu führen oder gar zu einem Bestandteil meiner Arbeit zu machen; dass es noch existiert, verdankt es der Eigendynamik, die es ohne mein Zutun entwickelt hat. Ich gehöre zur „Zwischengeneration“, die ohne Computer aufwuchs und erst vor gut zehn Jahren überhaupt damit in Berührung kam. Noch meine letzte Semesterarbeit tippte ich auf der Schreibmaschine, zeichnete Graphiken mit Lineal und Zirkel und füllte endlose Zahlentabellen von Hand aus. Bis zum heutigen Tag entstehen 90% meiner Texte von Hand, Kugelschreiber ist ein no go, Tinte obligatorisch. Schreiben ohne ganz direkten Körpereinsatz funktioniert bei mir kaum. Seit der Industrialisierung ist mehr Technik entwickelt und kritiklos eingesetzt worden, die den Menschen versklavt anstatt ihm zu dienen. Ich für meinen Teil wäge bei allem ab, was mir hilft und was mir nur Zeit/Geld/Ruhe frisst – so verweigere ich mich beispielsweise dem Handy, da es anderen Leuten erlaubt, noch frecher über meine Zeit und Ansprechbarkeit zu verfügen als sie es ohnehin tun, während es mir nicht einen einzigen Vorteil bringt. So ist auch der Computer nur ein Werkzeug, gleiches gilt für das Internet (also kein Selbstzweck). Es dient der Recherche und Kommunikation, mehr ist nicht.
Aus dieser Haltung heraus wäre ich gar nie auf die Idee gekommen, meine Arbeit direkt im Blog zu entwickeln, dokumentieren, reflektieren – niemals würde ich Teile aus Romanmanuskripten oder Erzählungen darin publizieren, erst recht nicht in einer Roh- oder Zwischenfassung. Das Blog läuft bei mir völlig getrennt von der Hauptarbeit; ich benutze es als Fingerübung, zum Aufwärmen oder als Selbstrechtfertigung an Tagen, an denen ich sonst nicht viel geschafft habe (… „ich hab ja wenigstens etwas geschrieben“). Ich habe aber auch erst im Blog die ganz kurze Form für mich entdeckt.
Über das „Wie“ meiner Arbeit tausche ich mich gern mit anderen Autoren aus, aber nur hinter den Kulissen; ein Koch, der sein Rezept verrät oder ein Zauberer, der seinen Trick preisgibt, büsst einiges an Charisma ein (jetzt werde ich vermutlich einige Mitblogger verärgern). Vielleicht bin ich ja einfach nur scheu. Aber das „fertige“ Werk (fertig ist es ja nie) wird sich selbst genügen müssen. Ich gebe allerdings zu, dass ich genau das bei anderen Bloggern mit grossem Interesse lese, in dieser Hinsicht, Asche auf mein Haupt, nehme ich ohne zu geben, aber jeder muss selbst wissen, was ihm sein Nähkästchen wert ist.
Vieles was ich verblogge ist in meinen Augen nicht strikt literarisch, obwohl ich insgesamt den Anspruch auf Literarizität erhebe; diejenigen Miniaturen, die definitiv literarisch sind, will ich irgendwann gedruckt sehen. So old fashioned bin ich, dass ich mir erlaube, vehement und ausschliesslich auf Print hinzuarbeiten. Auch ich lese ja kaum am Bildschirm, die Sinnlichkeit eines Buches gehört (wie beim Schreiben von Hand) einfach dazu – und selbst wenn es einen Drucker gäbe, der billiger drucken könnte als ein Buchverlag, würde ich nichts mit ins Bett nehmen wollen, was wie Sitzungsunterlagen aussieht. Es gibt nur wenige Blogs, die ich regelmässig und sorgfältig lese, und ziemlich viele, die ich überfliege – in diesem „Halblesen“ besteht meines Erachtens auch eine Gefahr. Umgekehrt habe ich selbst ebenfalls nur eine Handvoll Stammleser, etwas mehr Gelegenheitsleser und viele Einmalkonsumenten; die Erfahrung zeigt, dass nicht einmal Leute, die bis zum Gehtnichtmehr an meiner Arbeit interessiert sind, es nicht nicht schaffen, das Blog mitzuverfolgen. Sie wollen es gedruckt. So wie ich ja auch.
Weshalb blogge ich trotzdem weiter? Nicht nur, weil es eine Möglichkeit ist, sich aufzuwärmen oder rasch den Kopf freizumachen von einer plötzlichen Idee, um dann in Ruhe an die eigentliche Arbeit zurückzukehren; manchmal auch einen Nagel einzuschlagen für etwas, das ich später auf Papier im grösseren Stil weiterziehe, Kristallisationskeime zu säen, wenn man so will. Der Punkt ist die oben erwähnte Eigendynamik: es haben sich Leser eingefunden. Ein noch nicht publizierter Autor wie ich kämpft mehr noch als der publizierte Autor mit dem Blauen, in das er hinausschreibt. Die Rückmeldungen haben mich wesentlich weitergebracht und sich – selbst bei hin und wieder negativer Kritik – auf das Selbstbewusstsein ausgewirkt (ohne aber das Schreiben an sich zu beeinflussen). Das Allerwichtigste ist jedoch, dass ich durch das Blog mit anderen Autoren in Kontakt gekommen bin, die ich sonst niemals kennengelernt hätte, unabhängig von Raum und Zeit. Für mich, die ich keinen einzigen Autor, ja nicht mal wirkliche Literaturliebhaber in meinem direkten Umfeld kenne, ist diese Vernetzung das Wertvollste, das mir das Blog gebracht hat.
Ich resümiere also so: ich beute aus, was ich brauchen kann und lasse den Rest liegen. Ich esse nur das Filet. Niemals würde ich Geld (für eine eigene Domain oder ein schöneres Design) oder Zeit (um mit dem technischen Aspekt umgehen zu lernen) investieren. Blog und Internet haben keinerlei Einfluss auf meine Poetik und Arbeitsweise, auf meine Inhalte und Formen, es wird immer alles bei der Tinte beginnen und, so die Götter mir beistehen, beim physischen Buch enden. Ich glaube nicht daran, dass das Netz die Literatur per se verändert, weder nützt noch schadet es ihr. Literatur ist, wie sie es immer war, Arbeit, und die Qualität hängt nicht vom Medium ab. Höchstens können sich neue Formen entwickeln, aber auch dieser Spielraum ist letztlich begrenzt („Linkgewirr“, einerseits faszinierend, andererseits ermüdend, sowie Intertextualität (die ja auch auf Papier funktioniert)). Vielleicht verändert sich die Literatur quantitativ, so wie es auch nach der Erfindung des Buchdrucks der Fall war. Die vielzitierte Demokratisierung dagegen ist vermutlich Wunschdenken – im Gegenteil, der digital gap trennt noch brutaler „Menschen mit Zugang“ von „Menschen ohne Zugang“.
Wie oben angetönt habe ich zudem die Befürchtung, dass die Kunst des Lesens zunehmend ins Oberflächliche kippen könnte. Ich beobachte das an mir und bin extrem auf der Hut, mich diesbezüglich nicht zu verbiegen.
Genauso wie p.- kann ich nichts sehen von „Aufhebung der Grenze zwischen „Realität und Fiktion“; was soll diese künstliche Grenze denn sein? Wer so eine Grenze überhaupt sieht, der sieht sie überall, auch im Netz, umgekehrt existiert sie für mich auch dann nicht, wenn ich den Computer ausschalte.
Unzeitgemässer geht wohl gar nicht. Ich stehe dazu und bin mir bewusst, dass ich mich irren kann. Ich lasse mich gern überraschen und bin flexibel genug, jederzeit die Richtung zu ändern wenn ich sehe, dass da draussen noch mehr brauchbare Beute ist.
Am 8. Juni 2008 um 23:54 Uhr
Interessant doch eher auch, daß die meisten „literarischen Blogger“ gar nicht wissen, was sie eigentlich tun. Verwunderlich ist es bei einer derartigen Sprachlosigkeit ja schon, daß sich überhaupt die Literaturwissenschaft damit beschäftigen möchte. Dennoch glaube ich an ein typisches Problem der meisten Blogger: sie haben grundsätzlich nicht viel zu sagen. Das bemerkt man, sobald man sich etwas durch diese Blogs klickt. Kultivierte Langeweile ist da durchaus die Regel. Blogs bleiben für viele ein Hobby wie die Playstation.
Von „Konzepten“ zu sprechen, erscheint mir da schon etwas schmeichelhaft.
Am 9. Juni 2008 um 11:10 Uhr
Hahaaaa, ich nehme mir heraus sicher zu sein, dass Du damit nicht mich meinst, obwohl ich mich ja gerade als jemand geoutet habe, der lange nicht wusste was er tut und sich nun so nach und nach die Augen reibt. Da ich doch das Wort „Hobby“ gar nicht verstehe (ich hatte noch nie eins) und Du das weisst …
Schreiben ist immer Schreiben, egal in welchem Medium. Wenn ich überhaupt ein „Konzept“ für mich in Anspruch nehmen kann, dann höchstens ein inhaltliches (Postamt) – formal beschränkt es sich höchstens auf „kurz“; und das habe ich mir nicht zurechtgelegt, als ich anfing, es hat sich selbst entwickelt. Inzwischen steuere ich das natürlich schon bewusster. Mein Ansatz ist, ich gebe es zu, ein völlig naiver. Aber ist das a priori ein Qualitätsminus?! Es ergeht mir ähnlich wie früher als Bereichsleiter einer Organisation: die ewigen Sitzungen auf der Meta-Ebene waren nur zu einem geringen Teil wirklich notwendig, der Rest einfach Zeitverschwendung. Vielleicht ist daher das „konzeptlose Bloggen“ ein Ausgleich zu meinem „Leben“ (was immer das sei), sagen wir soziale Interaktionen, bei denen ich soviel verscherble, weil ich DAUERND auf der Meta-Ebene bin. Endlich mal etwas TUN statt über das Tun hauptsächlich nachzudenken. Ich habe auch weniger geschrieben, als ich hätte schreiben können, indem ich zuviel ÜBER das Schreiben geschrieben oder auch nur nachgedacht habe. Zwar ist das manchmal notwendig, aber ich muss es auf eine angemessene Nichtredundanz reduzieren.
Aber auch: ich nehme für mich nicht Anspruch, konzeptuell in derselben Liga zu spielen wie z.B. Veranda oder Turmsegler. Das würde meine Kapazität gar nicht erlauben. Es gibt auch keinen spezifischen Grund dazu, da ich gar kein Talent habe, das mir andere Medien als das Papier nahelegen würde (dennoch blogge ich nicht sinnlos, siehe oben) – während Du beispielsweise mit Deinen podcasts Universen zugänglich machst, Dir selbst und anderen. Solche Blogs sind es natürlich sehr wohl wert, von den Literaturwissenschaftlern untersucht zu werden. Da spielt es doch keine Rolle, dass sie seltene Orchideen sind. Ist ja bei den Büchern nicht anders, 99% Ramsch.
Am 9. Juni 2008 um 13:04 Uhr
Hast Du den Pynchon inzwischen gelesen?
Am 9. Juni 2008 um 13:11 Uhr
Ich bin noch gut dabei. Dauert noch eine Weile, bis ich endgültig durch bin. Aber ich finde das Buch wirklich brilliant. Vor allem ist es unglaublich „lustig“.
Am 9. Juni 2008 um 13:12 Uhr
Wie kann man so viel Zeit damit verbringen über Blogs zu schreiben, in der Zeit schreiben andere Romane, oder fliegen über den Atlantik, spülen Gläser, lesen Pynchon oder lesen gar nix, gucken Rumänien gegen Frankreich oder schauen sich die neuste Bettwäsche an, hm oder kratzen sich an der Nase und fahren die Frankfurter Strasse hoch und dann wieder runter, oder sie schauen in den Spiegel und sehen sich ein bißchen ähnlich, hmpf oder sie rufen Tina an, ob Tina kommen kann, Tina kommt aber nicht und später steht sie am Bahnhof und wartet und Du sitzt da und schreibst was literarische Blogs sind, literarische Blogs sind Schuhe und manche passen sie und manche nicht, mensch was für eine Hitze
Am 9. Juni 2008 um 13:13 Uhr
Ja Herr P und es ist ein Buch gegen den Kapitalismus, wollen wir ein wenig diskutieren, ist ja sowieso keiner da, der uns rausschmeissen kann
Am 17. Juni 2008 um 13:55 Uhr
Trennt die Autorin zunächst den Weblog vom Hypertext, fällt sie im Verlauf doch immer wieder auf die für den Hypertext entscheidenden Merkmale zurück. Die Frage nach der Autorschaft scheint mir dabei kein Kriterium, Weblog und Hypertext zu trennen – vielmehr ist der Weblog der allgemeineren Gattung des Hypertextes für mich selbstverständlich unterzuordnen. Die Autorschaftsfragen bleiben davon m.E. unberührt.
Außerdem scheint mir der Hinweis zu Beginn des Vortrags, dass sich Weblogs immer mehr durchzusetzen begännen, 2008, in Zeiten der Weblog-„überflutung“ redundant. Es gibt immerhin Ansichten, die Weblogs bereits als von anderen Publikationsmethoden wie Twitter und Konsorten überholt betrachten.
Am 23. Juli 2008 um 20:15 Uhr
[…] Linktipp: →”Zum Konzept literarischer Weblogs”, ein Gastbeitrag von Claudia Öhlschläger beim […]