Wie kann denn der Zauber uns nur so einen unendlichen Spaß bereiten? Wie ist es möglich, daß wir überschäumen vor Vergnügen an all dem, was uns gar keinen Sinn verspricht und nur Verwirrung ist?
Michael Perkampus, aus „Die Geschichte des Uhrenträgers“
© Michael Perkampus, Edition Neue Moderne (2008)
Broschur, 126 Seiten mit einem Nachwort des Autors
••• Vor kurzem legte Michael Perkampus in seiner „Edition Neue Moderne“ im Gallimard-Broschurformat eine neue Erzählung vor. Es ist nicht ganz so, daß „Die Geschichte des Uhrenträgers“ gar keinen Sinn verspricht und nur Verwirrung ist. Zauber verbreiten und Spaß bereiten – das allerdings tut sie voll und ganz.
Wollte man berichten, was Perkampus in dieser Erzählung treibt, kommt man mit der Nacherzählung eines Plots nicht sehr weit. Der eher zum Maler berufene Franz-Anton aus dem Schwarzwälder Schönwald ist zum Bauen von Uhren wohl zu ungeschickt. Also wird er mit ihnen auf Handelsreise geschickt, zu Fuß und gen Frankreich, nach Straßburg, um genau zu sein. Und eventuell kommt er dort sogar an. Doch so wenig ein solcher Plot auf den ersten Blick zu bieten scheint, so wenig macht er dieses kleine Buch aus; denn um das dünne Handlungsfädchen herum knüpft Perkampus eine Erzähl- und Schaukollage, die – ganz wie oben zitiert – vor allem Zauber und Vergnügen sein will.
Konsequent bürstet Perkampus die Splitter gegen den Strich einer Erzählkontinuität und montiert sie in gerade so großen Stücken, dass sie als Traumschaglichter durchgehen könnten, was sie ja vielleicht auch sind. Was nämlich im Schönwald zur Zeit, als von dort die Kuckucksuhr ihren Zug um die Welt begann, was in diesem magischen Örtchen inmitten des Schwarzwalds geschieht, kümmert sich um Kategorien wie wissenschaftlich nachprüfbare Realität keinen Deut. Da kann Nebukadnezar – ja, der olle gottgleiche Babylonier – eine Wiedergeburt in Gestalt eines spleenigen Dorfschullehrers erleben, ein Zwerg mitten im Wald über die Beschaffenheit von Zeit schwadronieren. und das Ischtar-Tor sich nach Straßburg verirren. In einer solchen Gegend und zu dieser Zeit ist das halt so.
Was nun die besondere Freude angeht, die mir die Erzählung bereitet hat, so ist es vor allem der zu mir als Leser überspringende Funken Freude, den der Autor empfunden haben mag beim Schreiben all dieser Märchensplitter. Die Begeisterung an den eigenen Figuren und ausgemalten Bildern springt direkt über. Hinzu treten die Figuren, die im „Uhrenträger“ echte U(h)r-Gestalten – Archetypen – sind. Es geht weiter mit der Sprache, die – bei Perkampus nicht verwunderlich – eine Kunstsprache ist, die dem Grimmschen Idiom näher ist als den heutigen Pop-Erzählern und die er mit nur minimalen Verirrungen konsequent durchhält in dieser Erzählung. Nicht zuletzt allerdings ist es die Form, die Schnittechnik, das Wechseln zwischen externer und interner Erzählperspektive quer durch die Personnage hindurch. Das gelingt ihm hier einfach wunderbar; und das Buch hat auch gerade die rechte Länge, dass es einem nicht zu viel werden kann.
Besonders gefreut hat mich am „Uhrenträger“, dass Perkampus sich in diesem Text ganz verabschiedet von den „Vorträgen“, den Meta-Reflexionen, die es im „Acheron“ reichlich gab. Was immer Perkampus hier zu sagen hat, transportiert er auf literarischem Weg, also via erzähltem Ereignis, geschautem Bild etc. Wenn geradeaus reflektiert wird – und es wird gelegentlich – dann bettet Perkampus dies in wörtliche Rede oder nahtlos ins poetische Geschehen ein. Und das ist – für mein Empfinden – ein Quantensprung gegenüber beispielsweise seinem „Acheron“.
Die Gallimard-Broschur – aus lulu.com-Herstellung – ist erstaunlich robust und zur Not sogar hosentaschentauglich, ein schönes Format für eine Reihe, die ich mir länger wünsche. Dass Buchproduktion Teamwork ist, beweist aber auch diese Ausgabe. Ohne großen Aufwand hätte man die auffälligen Fehler – seien es nun sprachliche oder satztechnische – bereinigen können. Wie war denn das damals in den Anfangstagen von Gallimard? Haben die Autoren sich gegenseitig geholfen beim Korrekturlesen? Haben sie sich die gelegentlichen Marotten am Rand angestrichen? Ich weiss es nicht. Aber bei einer Reihe wie der „Edition Neue Moderne“ wäre das wünschenswert.
Am 24. März 2008 um 22:28 Uhr
[…] in der bislang Andre Thoms “Einbruch des Zeitraums” und Michael Perkampus’ “Geschichte des Uhrenträgers” erschienen […]
Am 28. April 2008 um 21:35 Uhr
[…] Herz legen möchte ich den Turmseglern auch die 2. Ausgabe der “Geschichte des Uhrenträgers” von Michael Perkampus, ein Stück wirklich originärer Prosa, 132 Seiten und kein einziger […]
Am 20. Mai 2008 um 21:01 Uhr
[…] nicht näher bezeichneten Verlagshauses – lehnt Herrn p.- als Autor und dessen neueste Prosa “Die Geschichte des Uhrenträgers” per Brief brüsk ab: “Ausnahmsweise werden wir unsere Ablehnung begründen, weil es […]