••• Das 4. Kapitel sollte den zweiten Plotpoint bringen und damit einen Höhepunkt und Wendepunkt in der Zichroni-Erzählung: das Einbrechen des Magischen in die bisher geordnete Vorstellungswelt Zichronis. Ausgangspunkt ist wieder einmal ein Buch, und eine neue Figur betritt die Bühne, Eli Rothstein, mit dem Zichroni auf der Yeshivah in Pekesville lernt.
Das Kapitel ist jedoch so umfangreich geraten, dass ich es geteilt habe.
Und so entführt uns das 4. Kapitel zunächst in ein fremdes Buch, in den Roman „Der Meister und Margarita“ von Bulgakow.
Ich habe immer wieder in Gesprächen behauptet, dass ich diesen Roman erst gelesen habe, nachdem „Das Alphabet des Juda Liva“ fertiggestellt war. Und daran muss ich irgendwie auch wirklich geglaubt haben. Als ich den Roman jedoch – um mich auf dieses Zichroni-Kapitel vorzubereiten – noch einmal gelesen habe, ist mir klar geworden, dass das schlechterdings nicht sein kann. Der Einfluss von Bulgakows Erzählweise ist so absolut nicht zu leugnen, dass ich eher vermute, dass ich – auf Empfehlung meines Freundes Oliver Bukowski – den „Meister“ damals zur Hand nahm und las, nachdem die ersten Kapitel des „Alphabets“ geschrieben waren, jedoch bevor ich den Prolog schrieb. Der nämlich ist zu einem späteren Zeitpunkt entstanden.
Eine Anekdote am Rande: In einer Rezension zum „Alphabet“ bin ich von einem Kritiker gescholten worden, dass ich der verbreiteten Unsitte folgen würde, Figuren durch ihre Kleidung, ihr Äußeres zu charakterisieren. Woher ich das hatte, liegt auf der Hand: Bulgakow treibt dies nämlich zum Exzess. Vergessen habe ich diese Kritik nie; und wenn ich mir das „Blau“ oder „Die Leinwand“ ansehe, so muss mich diese Kritik so betroffen haben, dass ich fortan vollständig auf dieses Mittel verzichtet habe. In beiden Texten bekommt man keinerlei Anhaltspunkte zum Aussehen der Figuren. Charakterisiert werden sie ausschließlich über ihre in Erzählung transportierten Ansichten. Das ist ganz unbewusst geschehen und mir erst jetzt aufgefallen.
Seit ich die Herzdame kenne, will ich ihr das erste Kapitel aus Bulgakows „Meister“ vorlesen. Bis heute ist es nicht dazu gekommen. Nun erzähle ich es ihr halt nach mit den Worten Zichronis, der auf einer Bank am Zürcher Mythenquai den Roman an einem Tag verschlingt.
Die Leinwand: Amnon Zichroni (4)
© Benjamin Stein (2008)
Dauer: 23:42