••• Über eine Erwähnung in A. N. Herbsts »Dschungel. Anderswelt«> bin ich auf eine Literaturzeitschrift aufmerksam geworden, die ich wirklich schon länger hätte kennen sollen. Die Rede ist vom „Schreibheft“, dessen Ausgabe 69 zum Schwerpunktthema „Ezra Pound – Die Jahre im St. Elizabeths Hospital“ mir freundlicherweise zur Rezension zugesandt wurde.
Die erste Ausgabe des „Schreibheft“ erschien vor 30 Jahren. Norbert Wehr, der das Heft seit nunmehr 25 Jahren allein herausgibt, war fast von Anfang an dabei und glüht – man spürt es deutlich im Gespräch mit ihm – für dieses anspruchsvolle Unternehmen einer Literaturzeitschrift, die mehr sein will als Vorveröffentlichungsorgan, Modenspiegel oder Genrejournal.
Wehr stellt für die einzelnen, halbjährlich im Umfang zwischen 160 und 200 Seiten erscheinenden Ausgaben jeweils ein oder mehrere Themendossiers zusammen, die zumeist Bögen schlagen innerhalb eines Heftes oder auch zwischen verschiedenen Ausgaben. Dabei geht es nicht vordergründig um die Veröffentlichung von Primärtexten, sondern – und das ist im vorliegenden Pound-Heft besonders evident – auch um die Bündelung und Präsentation von Sekundärmaterialien wie Interviews und Briefe, die so nirgends anders erschienen sind und wohl auch nicht erscheinen werden. Das macht die Dossiers des Schreibhefts zu wirklichen Fundgruben.
Mit dieser Fokussierung hat sich Wehr einen treuen Leserstamm erobert. Die Auflage von derzeit jeweils 2.000 Stück geht zu zwei Dritteln an Abonnenten. Die übrigen Exemplare sind über einige ausgewählte Buchhandlungen und – das bevorzugt aus naheliegenden Gründen – direkt beim Rigodon-Verlag via Mail zu bestellen. Das Einzelheft schlägt mit 12 € zu Buche, die sich allemal lohnen, das Abo mit 34 € für vier Ausgaben. Selbsttragend ist das Projekt damit nicht. Wie nahezu alle unabhängigen, also nicht bei einem grossen Verlag beheimateten Literaturzeitschriften ist auch das „Schreibheft“ auf wechselnde private und institutionelle Unterstützung angewiesen. Das Heft ist klassisch hergestellt, das Format nahezu A4, die Paperback-Klebebindung robust genug, dass ich das Heft zwei Wochen mit mir herumschleppen und von vorn bis hinten durchschmökern konnte, ohne es damit zu erledigen.
Pound, so Norbert Wehr, spielte im Schreibheft schon des Öfteren eine Rolle. Wenngleich in den letzten Jahren etwas unterrepräsentiert in der Öffentlichkeit, war Pound doch nie vom Vergessen bedroht. Sein Werk ist zugänglich, zumeist auch in brauchbarer Übersetzung. Biographien und Monographien liegen vor. Womit könnte sich ein – diesmal über 200 Seiten starkes – Heft zu Pound also hervortun? Wehr entschied sich, jene Jahre stärker zu beleuchten, die Ezra Pound zwangsweise im St. Elizabeths Hospital in Washington D. C. zubrachte.
Einer Verurteilung wegen Landesverrats aufgrund seiner Duce-Sympathien und entsprechenden Reden im faschistischen Italien war er nur entgangen, da das Gericht ihn für „nicht zurechnungsfähig“ erklärte. Eine Farce, sicher. Doch St. Elizabeth war wenigstens nicht der Gorilla-Käfig, in dem Pound einen Teil seiner italienischen Haftzeit zubringen musste. Beleuchtet werden diese Jahre nun durch Briefe an Pound (und manche seiner Antworten) und Besuchsberichte grosser Autorenkollegen wie etwa William Carlos Williams, e. e. cummings, Wyndham Lewis und anderen.
Nein, bei aller Bewunderung für sein Werk – sympathisch ist mir dieser Pound nie geworden. Erschreckend, wie dramatisch Irrtümer gerade bei grossen Geistern sein können. (Und damit meine ich die politischen, rassistischen). Aber wenigsten kann man anhand dieser Zeugnisse nicht nur die Genese einiger dieser Irrtümer nachvollziehen, sondern man erfährt auch von Pounds Katharsis und seinem Ringen um weitere dichterische Produktion…
Kurzum: Das „Schreibheft“ ist eine Literaturzeitschrift von echtem Schrot und Korn und sicher ein Abo-Kandidat. Wer sich für die Inhalte früherer Ausgaben interessiert, kann sich online auf der Schreibheft-Website informieren.
PS: Die „Darmstädter Jury“ (bestehend aus Peter Benz, Walter Helmut Fritz, Wilhelm Genazino, Peter Härtling, Dr. Ina Hartwig, Hanne F. Juritz, Dr. Rolf Michaelis, Dr. Wilfried F. Schoeller, Julia Schröder, Dr. Gerhard Stadelmaier und Wolfgang Werth) hat – wie ich eben via Lotrees erfahre – „Schreibheft“ Nr. 69 zum „Buch des Monats November 2007“ gekürt. Recht so. Und es freut mich besonders, dass diese Wertschätzung einer Literaturzeitschrift zuteil wird. Nobert Wehrs Redaktionskonzept wird das – wenn es überhaupt nötig ist – sicher bestärken. Herzlichen Glückwunsch!
Am 5. November 2007 um 17:54 Uhr
tatsächlich ist es das einzige nenneswerte produkt in deutschland, wenn es um literatur geht. (ich nehme hier spatien wohlwollend mit hinein).
Am 5. November 2007 um 18:41 Uhr
Das hast Du jetzt aber gehörig verzuckergusst, mein Lieber. Ich glaube, ich trete den Mitherausgebern von spatien nicht zu nahe, wenn ich einräume, dass wir uns noch gehörig nach der Decke strecken müssen, bevor wir so ein Kompliment rechtfertigen können.
Am 5. November 2007 um 20:19 Uhr
sagen wir so: es war blöd zu formulieren, das verunmögliche ich mir mit meinen superlativen und ausschliesslichkeiten, zu denen ich neige, stets selbst. das ergebnis ist dann ein blöder vergleich. aber wenn ich schreibe: das einzig nennenswerte, dann tue ich damit vielen anderen, die sich bemühen, unrecht. das ist eigentlich nicht meine absicht
Am 17. April 2008 um 11:32 Uhr
[…] Das Schreibheft Nr. 70 – zu dem ich nach der Erstbekanntschaft – natürlich gegriffen habe, hat es mir nicht leicht gemacht. Das zählt ja auch nicht zu […]