••• Der Beitrag über Virgina Woolfs „Die Wellen“ ist hier scheinbar ein wenig untergangen. Das finde ich schade, weil es ein wirklich bemerkenswerter Roman ist. Und mich hätten die Erfahrungen interessiert, die andere mit dieser Prosa-Perle gemacht haben.
Nicht überall ist Virginia Woolf so „hermetisch“ in Konstruktion und Erzählweise wie in den „Wellen“. Dass man sich davon voll umfänglich überzeugen kann, ist dem S. Fischer Verlag zu verdanken, der Ende der 1980er Jahre unter der Ägide von Klaus Reichert eine Gesamtausgabe besorgt hat. Viele ihrer Romane und ein grosser Teil ihrer umfänglichen essayistischen Arbeiten erschienen in dieser Ausgabe zum ersten Mal auf Deutsch.
Im Erdgeschoss unseres Hauses befindet sich ein Antiquitätengeschäft. Von denen gibt es hier im Viertel viele. Die Inhaber scheinen den Nachschub vor allem aus Haushaltsauflösungen zu beschaffen. Bei solchen Deals müssen sie oft für einen Gesamtpreis neben dem eigentlich gewünschten Möbelstück beispielsweise auch einen Menge Sachen mitnehmen, für die sich kein Käufer findet und die sonst kostenpflichtig entsorgt werden müssten – Bücher beispielsweise. So kommt es vor, dass vor dem Geschäft ab und an ganze Stapel von Büchern liegen. Mir zerreist es da jeweils das Herz, besonders wenn es regnet und abzusehen ist, dass den Büchern der Tod bevorsteht, wenn sie nicht noch in letzter Minute jemand rettet. Dieser Jemand bin dann mitunter ich. Oder die Herzdame. Am Freitag hat sie mir den Einführungsband „Virgina Woolf“ zu besagter Fischer-Gesamtausgabe von unten mitgebracht. Es enthält einige Textproben aus den Romanen und Erzählungen.
Von einem Text – einer Erzählung – war ich umgehend fasziniert. Es handelt sich um „Mrs Dalloway in der Bond Street“, der „In das Mal an der Wand. Gesammelte Kurzprosa“ erschienen ist. Ich kann leider nicht sagen, ob es eine Vorstudie zum Roman „Mrs Dalloway“ ist, ein Auszug oder eine Passage, die später im Roman keine Verwendung fand.
Virginia Woolf schreibt hier noch wesentlich „konventioneller“ als in den „Wellen“. Aber man muss das in Gänsefüsschen schreiben, denn diese Prosa ist alles andere als konventionell. Auch hier präsentiert sie eine Variante, zwar in der dritten Person zu erzählen, aber doch konsequent die Innenperspektive der Mrs Dalloway einzunehmen. Auch interessant, wie sie quasi den schnell wechselnden Gedankengängen der Figur folgt. Mitunter unterbricht sie sich selbst mitten im Satz, um Assoziationen zu folgen.
Ich muss unbedingt mehr von ihr lesen, wenngleich dies sehr britisch und vorjahrhundrig wirkt. Aber ich möchte ihrer Technik weiter auf den Grund gehen. Wirklich eine (späte Wieder-) Entdeckung. Eine Leseprobe reiche ich morgen nach.
Am 15. November 2007 um 22:28 Uhr
[…] Vor einigen Tagen stand wieder eine Bücherkiste vor der Tür des Antiquitätengeschäfts unten im Haus. Ich habe zwei dieser kleinen […]