In den Hochöfen des Schmerzes
Welches Erz wird da geschmolzen
Die Eiterknechte
Die Fieberschwestern
Wissen es nicht
Tagschicht
Nachtschicht allen Fleisches
Blühn die Wunden und die Feuer
Wild in den Salpetergärten
Und den heißen Rosenäckern
Asphodelen meiner Angst
An den Abhängen der Nacht
Ach was braut der Herr der Erze
In den Herzen? Den Schrei
Den Menschenschrei aus dunklem Leib
Der wie ein geweihter Dolch
Unsre Totensonne schlitzt
Yvan Goll, aus:
„Traumkraut“ (1941-1949)
••• Nach dem „Traumkraut“-Vorwort nun heute auch ein Gedicht aus dem Zyklus, der in meiner Goll-Ausgabe nur in Auszügen abgedruckt ist.
Ausgerechnet dieses Gedicht hat der Herausgeber dabei ausgespart. Im Nachwort hingegen bringt er es und bemerkt – mit sehr dezentem Naserümpfen – den Reichtum an Genitiv-Metaphern. Das, so habe auch ich es gelernt, gilt ja als poetische Kardinalsünde.
Tatsächlich wäre dieses Gedicht aus diesem Grund im Französischen eine umständliche Affaire. Aber es ist eben nicht in Französisch geschrieben, sondern in Deutsch. Und dann werden aus den umständlichen x de la y eben Salpetergärten, Rosenäcker, Eiterknechte und Fieberschwestern. Und heraus kommt ein starkes Stück Dichtung, das „wie ein geweihter Dolch / Unsere Totensonne schlitzt“.
Und so vermute ich, dass Golls Rückkehr zum Deutschen für diese Gedichte keine Frage etwa von Sentimentalität war, sondern dass er die Sprache wählte, weil er sie brauchte, weil er diese Worte brauchte.