Mein letzter Kranz

15. Juli 2007

Was blumengeschmückt ist, das mögen auch die Götter gerne anschauen, ihr Blick wendet sich ab, wenn jemand ohne Kranz naht.

Sappho

••• Sie ist da, die Ausgabe 4 von spa_tien. Sichtung und Auswahl der Texte, Redaktionskonferenzen per Skype etc. etc. – das alles hat mir grossen Spass gemacht, den beiden Mitübeltätern Hartmut Abendschein und Markus A. Hediger wohl nicht minder.

Kultig in diesem Heft ist sicher der Sonettenkranz von Hartmut Abendschein. Markus und ich haben diverse Überredungskünste aufwenden müssen, dem Autor die Veröffentlichungserlaubnis zu entringen. Doch wir waren erfolgreich.

Was, bitte, ist ein Sonettenkranz? fragen Sie. Das ist ein Zyklus von 15 Sonetten mit zwei formalen Schikanen. Zum einen liefert die letzte Zeile eines Sonetts gleichzeitig die erste Zeile des im Zyklus folgenden Sonetts. Die zweite Hürde ist das 15. Sonett, auch Meistersonett oder sonetto magistrale genannt, das sich aus den Anfangszeilen der 14 anderen Sonette ergeben muss.

So ganz nebenbei sollte es sich dann auch noch um gute Gedichte handeln. Dass den Autor dieses Projekt einige Mühen gekostet hat, mag man am Titel des Zyklus erkennen: „Mein letzter Kranz“. Auch den finde ich kultverdächtig.

Viel Spass beim Lesen! Hier ist eine Kostprobe.

Hartmut Abendschein liest...

Hartmut Abendschein liest…

standpunkte – bewegungen

denn ich will alle sichtungen der welt entlehnen
spiegelt der blick zurück die flucht nach vorn
doch keinen grund seh ich zur sicht im zorn
& im vergeltungstrieb mein recht zu sehnen

im stillstand fängt mein ort an sich zu dehnen
wächst aus dem stachel noch ein kleiner dorn
bleibt doch die flucht zurück, der blick nach vorn
zur wiederholung eingefleischter szenen

wär ich doch ausser mir & könnte starren
& weitres tun als vertikal zu harren
& über meinem halse stehn

auch in die erde drückt mich mein verlangen
& auch mein kopf will unterirdisch gehn
allein mein körper hält mich hier gefangen

Hartmut Abendschein, aus:
„Mein letzter Kranz“, spa_tien 4

7 Reaktionen zu “Mein letzter Kranz”

  1. ky

    herzlichen glückwunsch zu ihrer ersten spatien-ausgabe als mitherausgeber! ich wünsche ihnen allen großen erfolg mit der zeitschrift!!! ich bin glücklich, dass an vielen stellen unabhängige kunst geschaffen wird.

  2. hab

    wo du überall rumgegraben hast?! das bild hatte ich schon fast vergessen! bloomsday 04, muss ich da noch anhängen …

  3. Benjamin Stein

    Du kommst doch da sehr souverän rüber :-) Bislang kenne ich Dich ja nur per Stimme und Avatar…

  4. hab

    das da oben sind aber auch nur zwei meiner vielen avatare …

  5. Benjamin Stein

    Dann beglücke uns doch mal mit einem Link zu einer Avatar-Slideshow, damit wir uns aufschlauen können.

  6. hab

    aufschlauen? ich dachte, das heisst jetzt upbrainen

  7. Benjamin Stein

    Autsch, das schmerzt aber richtig. Da ist mir „aufschlauen“ lieber; es hat wenigsten noch den Anschein eines deutschen Wortes.

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