Seht, so ward ich ein Hund

8. Juli 2007

Nun, wahrhaftig, nimmer verhehl ich es:
der Zustand hat etwas Unausstehliches!
Mein ganzes Wesen – vom Ingrimm zerfressen.
Ich mopse mich so, wie es wenige treffen;
wie ein Hund auf den Glatzkopf-Vollmond, besessen –
möcht ich hingehn,
die Welt anheulen, kläffen…

Sicher – die Nerven, gehn mir an die Nieren…
Will bißchen ausgehn,
umherspazieren.
Doch ach, keine Spur, daß die Straße mich entspannte.
Ruft irgendeine Dame rüber „Gutenabend“,
muß ich erwidern.
Sie ist eine Bekannte.
Ich wills.
Ich fühls.
Und kann nicht menschlich mich gehaben.

Was soll das? unerhört!
schlaf ich? bin ich geistesgestört?
Ich betaste mich rings,
meine Brust, jede Rippe.
Kinn und Nase – am gewohnten Sitz.
Da berühr ich den Mund –
und –
über der Lippe
ragen mir Eckzähne spitz!

Rasch bedeck ich die Schnauze,
wie wenn ich mich schneuze.
Potzblitz!
Hals über Kopf nach Hause,
statt eines Schritts
mache
ich zwei.
Vorsichtig im Bogen um die Sicherheitswache –
gellt ein Schrei: „Polizei! –
ein Schweif!“
Ich lang nach hinten – und glatt
bin ich platt!
denn was sind alle Reißzähne im Vergleich dagegen!
Bei meiner Galoppflucht entging mir ganz
mein unterm Rockschoß
verlängerter Steißbeinsegen,
mein hintenauf geringelter,
gar nicht kleiner, sehr gemeiner
Hundeschwanz!

Was nun weiter?
Jemand schrie, worauf ein Hauf sich sammelte;
schnell war ein Auflauf zusammengehäufelt,
ein Mütterchen erdrückt –
sich bekreuzigend stammelte,
kreischte etwas von einem geschwänzten Teufel.

Als dann borstensträubend,
im Begriff, zu vertieren,
die Menge mich anfiel,
bös, riesenhaft, grau –
da stand ich mit einemmal
auf allen vieren
und bellte regelrecht:
„wau! wau! wau!“

Wladimir Majakowski (1915)

••• Eigentlich hätte ich – der Vollständigkeit des Panoramas wegen – doch auch einen Revolutionsmarsch von Majakowski bringen sollen. Den „Linken Marsch“ etwa, den wir in der Schule rezitieren mussten (und gern rezitierten). Aber das bringe ich nicht über mich. In der Begeisterung für die Revolution, das Neue, das Andere, fletscht doch die Blutrünstigkeit ihre Zähne. Wenn von Revolutionen die Rede ist, riecht es auch nach Mord.

Das bringt mich auf eine Frage, die ich mir bislang noch nicht schlüssig beantworten konnte: Warum in der Literatur wie auch in anderen Künsten der Revolutionsgedanke so stark ist, die heftige, kämpferische Ablehnung früherer künstlerischer Produktionen. So veranstaltet beinahe jede Generation ernsthafter Autoren ihr persönliches – wenn auch symbolisches – Autodafé mit den Büchern der Vorgänger und vermeintlich zurückgebliebenen Zeitgenossen.

So etwas wie eine friedliche Koexistenz mit dem für sich selbst verworfenen Anderen scheint unmöglich. Die Polemik ist scharf, als gelte es das Leben. Spätere Generationen dürfen dann vielleicht das Alte wieder aufnehmen, sich darauf sinnreich beziehen. Aber das braucht Zeit.

Majakowski hat diese waffenstarrende Ablehnung irgendwann in seinem Leben überwunden und beispielsweise mit Puschkin und dessen Dichtung – beides lange Jahre auf leidenschaftlichste Weise abgelehnt – seinen Frieden gemacht. Das hat mich beeindruckt.

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