Nicht bei Trost

3. Juli 2007

Franz Dodel - Nicht bei Trost - a never ending Haiku

••• Tankas haben oft einen Gesprächscharakter im Sinne von Rede (die ersten drei Zeilen) und Gegenrede oder Antwort (die zwei Schlusszeilen). Im Japan der Edo-Zeit machte man sich ein Gesellschaftsspiel daraus, Tankas aus dem Stregreif zu dichten und in Form eines Gesprächs zu verketten, wobei ein Tanka jeweils das Thema oder Material des Schlusses des Vorgänger-Tankas aufnahm.

Eine solche Verkettung der Kurzgedichtform hat auch Franz Dodel geschaffen. Sein auf drei wunderschöne Bände aufgeteilter 6.000-Zeilen-Haiku ist dabei nicht wirklich eine Verkettung von Haikus, sondern ein ständiger Wechsel zwischen Zeilen zu 5 und 7 Silben. „Nicht bei Trost – a never ending Haiku“ nennt Dodel sein Werk. Er nutzt die Form als ein Gefäss, in das er seine Dichtung tropfen lässt, nicht strukturlos, doch assoziativ mäandernd, oft wie ein Mantra. Dabei gelingen ihm zuhauf Momente grosser Poesie.

alles ist Auge
will im Blick sein und leuchten
furchtlos wenn morgens
das Licht um die verkrümmten
Glieder den Weg sucht
um in die schwarze
Wölbung zu biegen
Dunkles scheint uns schlecht verteilt
das Schachbrett enttäuscht
immer einen Spieler
und der Sieger ahnt
seine Ohnmacht erst später
alles fällt schliesslich
in seinen Schatten und steigt

Franz Dodel, aus: „Nicht bei Trost“

Ich bin noch lang nicht am Ende dieses Haiku (wie auch, da er endlos ist…); und ich werde gern weiterlesen. Wer die Kosten für die beim Wettberwerb „Die schönsten Schweizer Bücher 2004“ ausgezeichnete Haiku-Ausgabe scheut, kann die ersten 6.000 Zeilen bislang veröffentlichten 12.000 Zeilen des Dodel-Haikus online lesen.

12 Reaktionen zu “Nicht bei Trost”

  1. Markus

    kann die ersten 6000 Zeilen des Dodel-Haikus auch online lesen.

    Das ist nicht ganz richtig. In Buchform existieren erst die ersten 6000, online sind bereits 12’000 Zeilen zu geniessen.

  2. Benjamin Stein

    Das ist nicht ganz richtig. In Buchform existieren erst die ersten 6000, online sind bereits 12′000 Zeilen zu geniessen.

    Da hat der Markus ganz und gar Recht.

  3. hab

    Da hat der Markus ganz und gar Recht.

    aus verschwiegenen quellen weiss ich, dass es bald weitere x-tausend zeilen in buchform geben wird. dass es sie also fast schon gibt. nur noch nicht eben greifbar.

  4. Benjamin Stein

    Wie hat die verschwiegene Quelle Dir das denn vermittelt? Gebärdensprache vermutlich… Weiss die Quelle auch, ob es sich um die gleiche Aufmachung wie bei den drei ersten Bänden handeln wird?

  5. hab

    die quelle sitzt mir gegenüber und ist der autor höchstpersönlich. zum rest muss ich leider schweigen.

  6. Benjamin Stein

    An die Tastatur mit ihm! Autorengrüsse beflügeln die Redaktion!

  7. ksklein

    spannend :)

  8. hab

    der autor ist der peterlicht der haikuszene. grüsse übermittle ich in seinem namen. die preise nehm ich auch entgegen …

  9. perkampus

    Peter Licht? Auch eine Art Beleidigung.

  10. Benjamin Stein

    Das kann nur auf die Auftritts- die Gesichtszeigescheuheit bezogen gewesen sein; und also würde ich nicht gleich von einer Beleidigung ausgehen. Ein Schwafler ist Dodel nämlich wirklich nicht.

    Zwischenzeitlich habe ich mich gefragt, ob Herr Abendschein uns womöglich nasführt und Dodel sein Haikuschreiber-Pseudonym ist. Das Bild auf Dodels Hompage könnte ja auch schamlos gefälscht sein…

  11. NEUES VON FREUNDEN at in|ad|ae|qu|at

    […] lyrischen KonZENtrationsform des Haiku – ist die ungewöhnliche Fortschrift , welche der Schweizer Franz Dodel mit “Nicht bei Trost” ( Haiku , endlos) betreibt . Seit 2002 . Als Work in progress . […]

  12. Nicht bei Trost, aber bei litblogs.net « Turmsegler

    […] eine Voraussetzung dafür. Über Dodels Mammutgedichte im Haiku-Silbenmaß habe ich hier schon ausführlich berichtet. Umso mehr freut es mich, dass Franz Dodel nun auch mit einem […]

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