Arbeiten macht müde

24. Juni 2007

Eine Straße überqueren, um fort von zu Hause zu laufen,
das tut nur ein Junge, aber dieser Mann, der den ganzen
Tag auf der Straße herumläuft, ist kein Junge mehr,
und er läuft nicht fort von zu Hause.

spaceNachmittage gibt es
im Sommer, wenn selbst die Plätze leer sind, hingedehnt
unter der Sonne, die schon sinkt, und dieser Mann, der jetzt ankommt
auf der Allee mit den nutzlosen Bäumen, bleibt stehen.
Lohnt es sich denn, allein zu sein, daß man immer noch einsamer wird?
Wenn man nur so herumläuft, sind die Plätze und Straßen
leer. Man muß eine Frau anhalten,
mit ihr sprechen und sie bewegen, zusammen zu leben.
Sonst spricht man für sich allein. Deshalb zuweilen
die nächtliche Trunkenheit, die Gespräche anknüpft
und die Pläne des ganzen Lebens erzählt.

Gewiß nicht durch Warten auf dem verlassenen Platz
begegnet man jemand, doch wer durch die Straßen geht,
bleibt manchmal stehen. Wenn sie zu zweit wärn,
auch wenn sie durch die Straßen gingen, das Haus würde sein,
wo jene Frau ist, und dann lohnte es sich.

Cesare Pavese, aus: „Lavorare Stanca“
Nachdichtung: Roland Erb

Cesare Pavese••• Der Name Cesare Pavese ist gefallen; und es ist Sommer und ich gerade erst aus dem Süden zurückgekehrt. Jetzt muss Pavese endlich hier zu seinem Recht kommen. Seit den ersten Tagen des Turmseglers habe ich das schon vor, doch bislang erst ein Gedicht von ihm gebracht.

„Lavorare Stanca“ ist das Titelgedicht des ersten Gedichtbandes von Pavese, der 1936 erschienen ist. Es grenzte an ein Wunder, dass das Buch gedruckt werden konnte, nachdem der Verlag sich mehr als drei Jahre mit Schwierigkeiten konfrontiert gesehen hatte: Fehlendes Papier und – die Zensur, der einiges nicht passend schien.

Zu allem Überfluss war der Autor nun auch noch verhaftet worden. Die Mussolini-Behörden verurteilten den unbequemen Intellektuellen, der als Lehrer und Übersetzer amerikanischer Literatur in Turin arbeitete, zu drei Jahren Verbannung, da er Briefe für eine in der KP aktive Freundin empfangen hatte. So erreichten die Korrekturfahnen von „Lavorare Stanca“ Pavese in Brancaleone Calabro, einem ärmlichen Fischerdorf im Süden Italiens.

5 Reaktionen zu “Arbeiten macht müde”

  1. Andrew Shields

    Ah, Pavese, er war einfach ein grossartiger Lyriker. Haben Sie seine Romane gelesen? Wenn ja, können Sie einen empfehlen? Ich habe keinen bisher angeschaut.

    Auf Englisch sind die Gedichte wunderbar übersetzt worden von meinem Freund Geoffrey Brock.

  2. Benjamin Stein

    Die Romane sind sehr zu empfehlen. Ich werde auf zumindest einen noch zu sprechen kommen: „Junger Mond“. Aber auch an „Die jungen Frauen“ erinnere ich mich gern. Es ist freilich eher „traditionelle“ Prosa. Die Jünger des nouveau roman kommen da nicht auf ihre Kosten…

    Unbedingt lesenswert – und auch darauf werde ich noch kommen – sind die Tagebücher „Das Handwerk des Lebens“. In der DDR erschien eine sehr schöne Ausgabe der Romane und Tagebücher in zwei Schubern in Hardcover, aber Taschenbuch-Format, die ich wie meinen Augapfel hüte.

    Um die deutschen Nachdichtungen der Lyrik ist es nicht so rosig bestellt. Die Ausgaben, die man heute bekommen kann, finde ich schlicht unakzeptabel. Möglicherweise kenne ich auch nur nicht die guten. Für die DDR-Ausgabe der Pavese-Gedichte, die ich auch nie verleihen würde, weil sie unersetzbar ist, wurden Nachdichtungen sehr vieler unterschiedlicher Übersetzer ausgewählt.

    Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir per Mail von den bislang gebrachten (und morgen kommenden) Pavese-Gedichten die von Ihnen so geschätzte Nachdichtung ins Englische schicken könnten. Das interessiert mich sehr.

  3. Andrew Shields

    „Death will come and will have your eyes“ ist hier.

    Ich schicke Ihnen einen Scan von „Arbeit macht müde“.

    Danke für die Empfehlungen. Kennen Sie den Lyriker Geoffrey Hill? Er hat einen spannenden Zyklus von Gedichten anhand Stellen aus Paveses Tagebüchern geschrieben. Der Zyklus ist in seinem neuesten Buch, „Without Title,“ zu lesen.

  4. Benjamin Stein

    Vielen Dank für die Übertragungen. In der anderen Sprache sind es andere Gedichte! – Nein, Geoffrey Hill kenne ich nicht.

  5. ksklein

    wunderschön und sehr traurig.

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