Ich will das Brot mit den Irren teilen,
täglich ein Stück von dem großen Entsetzen,
auch die Glocke im Herzen,
dort, wo die Taube nistet
und ihre winzige Zuflucht hat
in der Wildnis über den Wassern.
Lange hab ich als Stein gehaust
am Grunde der Dinge.
Aber ich habe die Glocke gehört
leise von deinem Geheimnis reden
in den fliegenden Fischen.
Ich werde fliegen und schwimmen lernen
und das Steinerne unter den Steinen lassen,
die Schwermut betten in Perlmutter
doch den Zorn und das Elend erheben.
Meine Flügel sind älter als deine Geduld,
meine Flügel flogen dem Mut voraus,
der das Irren auf sich nahm.
Ich will das Brot mit den Irren teilen
dort in der furchtbaren Wildnis der Taube,
wo die Glocke das große Entsetzen drittelt
zum dreifachen Laut deines Namens.
Christine Lavant
aus: Gedichte. Suhrkamp Verlag 1988
© Otto Müller Verlag Salzburg 1978
••• Aller guten Dinge sind drei? Hier also noch ein weiteres grosses Gedicht von Christine Lavant…
Das Headset konnte ich schon mal aus den Umzugskisten fischen, um die Gedichte der letzten beiden Tage aufzunehmen. Die Beiträge wurden also aktualisiert.
Am 28. März 2007 um 07:15 Uhr
Meine Flügel sind älter als deine Geduld
Am 28. März 2007 um 19:39 Uhr
Der liest schön der Benjamin, das muss man doch auch mal sagen…
„wo die Glocke das große Entsetzen drittelt“
Das macht Christine aus…
Am 28. März 2007 um 22:09 Uhr
Ja, das tut er. :) Und in echt klingt er noch viel wunderbarer. Zumindest beim Vorlesen! *smile
Am 28. März 2007 um 23:55 Uhr
Jetzt mach mal die Leute nicht verrückt. Sonst müssen wir noch – auf unserem neuen roten Sofa – eine Privatlesung veranstalten…