„Was beunruhigt dich, Vater Quetzalcóatl? Welcher Stern am Firmament bewegt sich nicht so, wie du es berechnet hast?“
„Es sind nicht die Sterne, die mich gegenwärtig beunruhigen, Tatle; die Menschen sind es. Die strenge Schönheit der Gestirne hatte sie mich vergessen lassen. Sie ziehen eine feste Bahn, deren Gesetz sie befolgen und das wir nur erkennen müssen, um zu wissen, wie sie sich weiterhin bewegen werden; aber die Menschen richten ihr Verhalten nicht nach feststehenden Gesetzen aus. Ich kann mit meinen Schnüren und Zahlen nichts berechnen. Wir leben auf einem Stern, der eine regelmäßige Bahn durchläuft; aber die Menschen, die auf ihm steuern, verfahren ganz nach Lust und Laune. Jetzt wollen sie dies und morgen das. Heute schätzen sie gering, was sie gestern beunruhigte. Die einen lieben, und andere hassen; einige geben, und andere nehmen fort, und morgen ist es genau umgekehrt. Diese Welt schleppt bei all ihrer Regelmäßigkeit eine wirre Sphäre von Willkür mit sich.“
„Du hast recht“, stimmte Tatle zu. „Ich verstehe die Welt der Menschen nicht, obwohl ich selbst einer von ihnen bin. Häufig verstehe ich nicht einmal das, was in mir vorgeht. […]“
José López Portillo y Pacheco, aus: „Quetzalcóatl“
© Insel Verlag, Frankfurt am Main 1978
••• Es hat sich doch gelohnt, das Buch noch einmal zu lesen. Der grosse Zauber will sich nicht mehr einstellen, aber es blitzt doch hier und dort noch eine Ahnung davon auf. Wie kommt es, dass mir die Märchenerzähler der Azteken als die grösseren Dichter erscheinen? Sie berichten von Sternen, Menschen und Dingen. Sie dozieren nicht. Sie erzählen. Sie philosophieren nicht. Der Dichtung tut es nicht gut, wenn wir über die Dinge reden, statt von ihnen zu sprechen oder sie selbst sprechen zu lassen.