Weltende (I)

18. Januar 2007

Brain Storm - ©  by alexiuss

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
in allen Lüften hallt es wie Geschrei.
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
an Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

Jakob van Hoddis (1887-1942)

••• Heute machen sich alle verrückt. Sturm, Untergangsstimmung, Weltenende!

Ich arbeite in München im Glasturm von O2 im 22. Stock. Das Facility Center lässt uns per Rundmail wissen, wir sollten durch die Tiefgarage von Gebäude zu Gebäude gehen. Im Fahrstuhl raunt ein Kollege, bei Sturm schwanke der Turm um bis zu einen Meter. Und mir wird eh schon immer schwindlig, wenn dieser Fahrstuhl mich morgens in die lichte Höhe katapultiert.

Dann leitet mir auch noch meine Frau eine Meldung aufs Handy:

Sturm aus westlichen Richtungen mit Orkanböen bis 120 km/h, in exponierten Lagen auch noch darüber.

Der Deutsche Wetterdienst weist darauf hin, daß verbreitet schwere Schäden an Gebäuden und an Bäumen möglich sind. Halten Sie sich möglichst in geschlossenen Räumen auf. Schließen Sie alle Fenster und Türen und sichern Sie Gegenstände im Freien. Wenn Sie im Freien unterwegs sein müssen, halten Sie Abstand von Gebäuden, Bäumen, Gerüsten und Hochspannungsleitungen.

Jetzt pfeift es schon heftig gegen die Glasfassade. Es rumpelt und pumpelt. Die Kollegen, die Facility-Center-Mails nicht lesen, werden in der Gasse zwischen Turm und Nebengebäude erbarmungslos durchgewirbelt. Wer soll da arbeiten?

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