die hand im haar so hockt er
ruhlos am tisch
und ahnt nicht daß die herbstnacht
die luft an seinem nacken dunkel färbt
er sitzt auf dem sprung er sagt ich bin
solitair
und müde bin ich mir selbst
entflohn (so hockt er am tisch der fremde
wenn ich allein im zimmer bin
(man sieht nicht sein gesicht
was wartet er gekrümmt zur kralle
harrt er des blauen hauchs der ihn belebte
dem mondeslicht das schwächer in die kalten
haine hängt
die tage gingen schnell
glaubt er davonzufahren auf dem stuhl
längst hält ein herbst mit kaltem haar
sein hastiges gebein verhangen
er schwimmt in hundert jahren schlaf
er ahnt nicht daß er selber herbstet
vergangen ist was er vergaß
(der herbst steht kopf der herbst verhöhnt ihn
er merkt es nicht er merkt nicht daß sein atemhecheln
dem atemlosen fehlt der händeringend
ruhlos durch die haine rennt und der
so oft ihn rief
(verkrallt hockt seine hand im haar
das nicht mehr mit ihm denken will
zum schreien seltsam trüben draußen
die sterne die nacht ein
Wolfgang Hilbig, aus: „abwesenheit“
© S. Fischer Verlag (1979)
••• Noch einmal Wolfgang Hilbig. Seine „abwesenheit“ steckt voller intensiver Texte. Doch das „selbst-portrait“ hat einen ganz besonderen Reiz. Man liest es kaum wie einen Text. Man schaut es eher an wie ein Bild, das jedoch erst auf der Imaginationsleinwand an Kontur gewinnt, wenn die Worte ganz in uns eingedrungen sind.
Das ist eine der Grenzberührungen zwischen den Künsten, wie sie mir immer vorschwebt. Wie Celan an die Tür der Musik klopft, tritt Hilbig hier bei der Malerei über die Schwelle.
Am 1. Mai 2007 um 00:07 Uhr
[…] Auch vom grossen Dichter aus Sachsen, von dem hier und dort schon die Rede war, ein […]