In jener Nacht, wo du nicht kamst
Schlief ich nicht ein, sondern ging oftmals vor die Türe
Und es regnete, und ich ging wieder hinein.
Damals wußte ich es nicht: Aber jetzt weiß ich es:
In jener Nacht war es schon wie in jenen späteren Nächten
Wo du nie mehr kamst, und ich schlief nicht
Und wartete schon fast nicht mehr
Aber oft ging ich vor die Tür
Weil es dort regnete und kühl war.
Aber nach jenen Nächten und auch in späteren Jahren noch
Hörte ich, wenn der Regen tropfte, deine Schritte
Vor der Tür und im Wind deine Stimme
Und dein Weinen an der kalten Ecke, denn
Du konntest nicht herein.
Darum stand ich oft auf in der Nacht und
Ging vor die Tür und machte sie auf und
Ließ herein, wer da keine Heimat hatte.
Und es kamen Bettler und Huren, Gelichter
Und allerlei Volk.
Jetzt sind viele Jahre vergangen, und wenn auch
Noch Regen tropft und Wind geht
Wenn du jetzt kämest in der Nacht, ich weiß
Ich kennte dich nicht mehr, deine Stimme nicht
Und nicht dein Gesicht, denn es ist anders geworden.
Aber immer noch höre ich Schritte im Wind
Und Weinen im Regen und daß jemand
Herein will.
(Obgleich du doch damals nicht kamst, Geliebte, und ich
war es, der wartete -!)
Und ich will hinausgehen vor die Tür
Und aufmachen und sehen, ob niemand gekommen ist.
Aber ich stehe nicht auf und gehe nicht hinaus und sehe nicht
Und es kommt auch niemand.
Bertolt Brecht (1922)