Mother

Mittwoch, den 27. Juni 2012

Just like a wound I carry you
on my forehead, and it never closes.
It doesn’t hurt all time. And my heart
won’t flow out though.
Just sometimes I’m all of a sudden blind and feel
my mouth’s bleeding.

Gottfried Benn (1913)

••• Die letzten Tage habe ich in Finnland verbracht. Es wird noch davon die Rede sein. Am vorletzten Abend saß ich mit Monique Truong und Jarkko Tontti beim Abendessen, und – wie nicht anders zu erwarten bei drei Autoren – ging es im Gespräch auch und vor allem um Literatur. Every page is a letter to your mother – bemerkte Jarkko trocken, und das brachte mich auf Gottfried Benns Gedicht »Mutter«. Ich konnte es auf Deutsch zitieren, aber vor einer Übersetzung ins Englische bin ich dann doch zurückgeschreckt und habe es nun versucht.

Die Übertragungen, die ich auf die Schnelle finden konnte, fangen nicht annähernd die Stimmung des Originals und die Mehrdeutigkeiten ein. Vor allem der Sound, denke ich, muss hier bei der Übertragung erhalten bleiben.

Mit vereinten Kräften sind wir – wie man unten in den Kommentaren nachlesen kann – bei dieser Fassung gelandet:

I carry you just like a wound
upon my brow, that doesn’t close.
It hurts betimes, but though it flows
the heart won’t drain from it to death.
Just sometimes, suddenly, I’m blind and feel
blood in my mouth.

Jacasser

Sonntag, den 3. Oktober 2010

Jarkko
Jarkko Tontti, Tampere 2010 – Foto: Jürgen Jakob Becker

Sillä jokainen tarvitsee avaran tilan

Sillä jokainen tarvitsee avaran tilan, seinät
tuekseen, niistä
koko pullonkohoavan kodin.

Siellä on Jacasserkin valtias,
kaupunkilainen, tarjoaa
lasillisen ystävälle avoimin sylin,
petosta pelkäämättä,
koko pullon jos niikseen tulee
koko pullonja tulee se.

Aamuyöllä ystävä
roikkuu seinään naulattuna
Jacasser havahtuu ja muistaa,
jurtta olisi kotina kevyempi,
vain erämaassa on oikeita ystäviä,
jokainen talo vankila,
kivitalo kuoleman peitenimi.

Pelkkään arotuuleen esi-isät nojasivat,
koko pullonavaruuden tyhjään.

© Jarkko Tontti, aus:
»Jacasser«, Otava, Helsinki 2009

••• Besonders reizvoll an der Reise nach Finnland war für mich auch das Zusammentreffen mit den finnischen Autoren. Sie hatten immerhin den Vorteil, Auszüge aus unseren Arbeiten in finnischer Übersetzung zu kennen. Wir hingegen waren ahnungslos, wen wir vor uns hatten. Die Bescheidenheit dieser Autorinnen und Autoren, die unsere Texte vor dem finnischen Publikum lasen, brachte es mit sich, dass wir auch nur ganz nach und nach erfuhren, was und wie viel sie selbst in Finnland bereits veröffentlicht hatten.

Jarkko Tontti beispielsweise, der dem finnischen Wechsler seine Stimme lieh, ist als studierter Jurist nicht nur Autor juristischer und philosophischer Fachliteratur, von Kritiken und Essays. Darüber hinaus hat er mehrere Gedichtbände und einen Roman vorgelegt und ist als Vizepräsident des finnischen PEN auch politisch für die Freiheit des Wortes engagiert. Ich habe sehr bedauert, dass ich der Sprachbarriere wegen keinen Eindruck bekommen konnte von seiner Dichtung. Dabei aber, haben wir beschlossen, sollte es nicht bleiben. Eine Reihe von Tonttis Gedichten sind ins Englische, Russische, Japanische und Portugiesische übersetzt worden. Ich habe ihn gebeten, mir doch immerhin einige der englischen Übersetzungen zuzusenden.


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Tampere-Telegramm

Freitag, den 17. September 2010

Im (geschlossenen) Vergnügnungspark unterm Aussichtsturm Näsinneula, Tampere
Im (geschlossenen) Vergnügnungspark unterm Aussichtsturm Näsinneula, Tampere

••• Gestern nun war der letzte Tag unserer Finnlandtour. Wir haben ihn in Tampere verbracht. Von Helsinki aus kommt man in 1 3/4 Stunden per Zug dorthin. Tampere war einst eine stolze Industriestadt. Vor allem Textilien und Schuhe wurden hergestellt. Die Stadt liegt zwischen zwei großen Seen, dem Näsijärvi und dem Pyhäjärvi, verbunden durch eine fast einen Kilometer lange Stromschnelle, die 18 Meter Höhenunterschied zwischen beiden Seen überwindet. Die Industrie hat die diversen Krisen und den Verlust vor allem des russischen Marktes an die Chinesen nicht überstanden. Heute ist Tampere, nicht weniger stolz als damals, die offizielle Theaterhauptstadt Finnlands. Nicht weniger als 16 professionelle Bühnen werden in der Stadt bespielt.

Wir waren zu Gast im Deutschen Kulturzentrum. Die Veranstaltung begann jedoch erst um 18:00 Uhr. Also blieben einige Stunden für eine Stadtbesichtigung und einen Rundgang durch das »Sara Hildén Art Museum«, in dem zur Zeit noch unbekannte finnische Künstler ausgestellt sind. Ein paar Exponate habe ich »mitgenommen«…


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Vom Klingen der Zeit

Mittwoch, den 15. September 2010

Villa Kivi, Helsinki
Villa Kivi, Helsinki

••• Aleksis Kivi thront an der Stirnseite des großen offenen Platzes rechts neben dem Hauptbahnhof von Helsinki in Bronze auf einem Sockel. Er gilt als der Vater der modernen finnischen Literatur. Erst um 1540 entwickelte Mikael Agricola im Zuge der Reformation das bis dahin lediglich gesprochene Finnische zur Schriftsprache, um den Finnen das »Wort Gottes« in ihrer Muttersprache zugänglich zu machen. Aleksis Kivi schließlich wird der erste Roman in finnischer Sprache zugeschrieben. »Seitsemän veljestä«, deutsch »Die sieben Brüder«, erschien 1870. In dem nach dem Nationaldichter benannten Literaturhaus »Villa Kivi« haben Lutz Seiler und ich heute unsere Bücher vorstellen dürfen. (Kivi übrigens heißt »Stein«, räusper, das musste ich jetzt schon erwähnen…)


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