Kopflos in Liebe

9. Mai 2012

Liebes Bärchen,

ich ziehe es vor, meinen Nachlass schon heute zu regeln. Und ganz gleich, was ich zum Zeitpunkt meines Todes besitzen sollte: Ich bestehe darauf, dass wie ausgeführt verfahren wird. Die Mietshäuser werden einiges abwerfen, zum Leben mehr als genug. Du wirst die Villa halten und Dir sicher sein können, dass kein dahergelaufener Matz Dir nur des Geldes wegen den Hof macht. Das wäre doch unangenehm.

Im Testament nicht erwähnt ist ein Luxemburger Konto (s. beiliegende Papiere). Ich habe eine Tochter in Prag. Sie heißt Eva und wird das Geld brauchen können. Ich vermache es ihr unter dem Vorbehalt, dass sie das kleine Restaurant in Prag, Kapucinská 4, sobald als möglich vom Staat zurückkauft. Sie kann es selbst führen oder verwalten lassen; das ist mir gleich. Aber sie muss es kaufen!

Soweit das Angenehme.

Übrigens war es nett mit Dir. Am Anfang hat mich Deine Beharrlichkeit zwar etwas verunsichert und dass Du immer von Geld reden musstest … Im Café beim Cappuccino – Zweimal dreifünfzig! meine Güte! – und im Theater – Woher bloß nimmst du das Geld für Logenplätze? –, aber ich denke, es ging Dir wirklich um mich. Und das ist doch etwas.

Ich nehme an, es wird eine Campingaxt gewesen sein, mit der ich erschlagen wurde. Das ist dumm. Als Mörder kommt nur mein Vater in Betracht. Ich nehme an, er wird sich bald stellen.

Stellt er sich nicht, ist es hoffnungslos, nach ihm zu suchen. Er heißt wie ich und eben nicht Slosil. Doch das, mein Schatz, tut nichts mehr zur Sache und braucht Dich nicht kümmern. Meine Geburtsurkunde, der Pass und mein Name sind mit ehrlichem Geld bezahlt. Das verspreche ich Dir.

Es wird in meinem Leben und Tod manches nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Wenn Du mich liebst, sei tapfer und sieh zu, wenn man mich in den Ofen schiebt! Die Axt und das Feuer … eine »code message« an Eva: Wir werden das Rätsel nicht lösen.

kopflos in Liebe
Dein Jaroslav

aus: »Das Alphabet des Juda Liva«,
© Benjamin Stein (1992, 2012)

••• Das »Alphabet« hat echte Fans. In meinem Facebook-Profil tauchen plötzlich Zitate auf, die den Lesern wohl besonders im Gedächtnis geblieben sind. Unter anderem die Briefe. Jener beispielsweise, in dem Jarosloav Vonka (später bekannt als Jaroslav Slosil) sich von seiner Gattin verabschiedet und seinen Nachlass regelt.

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