Equilibrium

18. Juni 2011

Fliehkraftregler einer Dampfmaschine, Foto: (cc) Mirko Junge (wikipedia)
Fliehkraftregler einer Dampfmaschine, Foto: (cc) Mirko Junge (wikipedia)

Ich bin sicher, dass der Watt’sche Dampfregler bereits im Physikunterricht auf der Highschool behandelt wurde, und ich bin ebenso sicher, dass mein Lehrer, der nicht eben eine Leuchte der pädagogischen Zunft war, uns Schülern den Fliehkraftregler derart trocken und begeisterungsfrei erklärt hatte, dass schon weniger Tage darauf keiner von uns mehr daran dachte. Im Studium allerdings begegnete mir dieses mechanische Wunderwerk wieder, und zwar als einer der ersten wirksamen Mechanismen zur Stabilisierung dynamischer Systeme.

Fliehkraftregler wurden bereits im 16. Jahrhundert verwendet, um in Mühlen mit unstetiger Kraftzufuhr durch Wind oder Wasserkraft die Bewegung der Mahlsteine konstant zu halten. Um Gleichmäßigkeit der Bewegung ging es auch James Watt, als er das Prinzip für die Steuerung von Dampfmaschinen adaptierte. Die Rotationsgeschwindigkeit einer solchen Maschine hängt ab vom Druck des Dampfes und der wiederum von der Befeuerung. Durch Dampfmaschinen angetriebene Webstühle durften aber nicht schneller weben, wenn jemand eine Schaufel Koks nachwarf. Auch eine Dampflokomotive musste mit konstanter Geschwindigkeit fahren können. Watt koppelte die Rotationsbewegung der Dampfmaschine mit dem Regler. Drehte die Maschine schneller, so auch die Kugeln am Regler. Sie hoben sich und stauchten das Scharnier, das so ein Ventil zur Drosselung des Dampfes betätigte. Verlangsamte sich die Maschine, öffnete der Regler hingegen das Ventil, und die Maschine kam wieder unter Dampf.

Das zugrundeliegende Prinzip der negativen Rückkopplung als notwendiger Bestandteil entwicklungsfähiger Systeme, die Drosselung von Eigendynamik und gleichzeitige Vermeidung des Stillstands, das war im Studium der Anlass unserer Beschäftigung mit dem Watt’schen Dampfregler. Kurz: die Dinge in Bewegung, aber auch restriktiv im Lot zu halten.

Besonders faszinierend an diesem mechanischen Beispiel war, dass die Maschine selbst die Information produzierte, die dazu verwendet wurde, sie zu steuern. Man konnte in diesem dynamischen System nur noch schwer zwischen Ursache und Wirkung unterscheiden.

aus: »Replay«,
© Benjamin Stein (2011)

Eine Reaktion zu “Equilibrium”

  1. Spiralen ungebremster Wucherung « Turmsegler

    […] war einmal während einer unserer Schachpartien auf den Watt‘schen Dampfregler gekommen. Ihn als Biologen und Kognitionsforscher interessierte die Kopplung zwischen Maschinenwelt […]

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