Αρκαδία (I)

27. Januar 2011

© Moran Haynal: »Ohne Titel«, Öl auf Leinwand 150cm x 150cm
© Moran Haynal: »Ohne Titel«, Öl auf Leinwand 150cm x 150cm

Die Galerie war eine klandestine Off-Location, uptown, in einer wenig vertrauenerweckenden Nebenstraße. Die Ausstellungsräume befanden sich in einer geräumigen Wohnung im ersten Stock. Vor der Tür stand ein Aufpasser, direkt neben einem handgeschriebenen Hinweisschild: »Adults only«.

Katelyn grinste. Ich hatte ja keine Ahnung, wohin sie mich gelotst hatte. Wir traten ein, und Katelyn hakte sich bei mir unter, zog mich an sich und spitze ihre Lippen in Richtung meines Ohrs.

Das wird dir gefallen, flüsterte sie vergnügt.

Gezeigt wurden in einem professionell ausgeleuchteten Raum großformatige Gemälde mit Popart-Einschlag. Ihre Oberfläche wirkte plan wie ein Druck, was den Bildern einen Hauch von Plakatanmutung gab. Auf Anhieb hätte ich vermutet, es mit Grafiken in einer mir bislang unbekannten Drucktechnik zu tun zu haben. Aber es waren tatsächlich Gemälde, großformatige Quadrate, zwei Meter auf zwei Meter. »Öl auf Leinwand« stand auf den Schildchen, die winzig unter den Werken an der Wand klebten. Die Preise waren wohl zu gering kalkuliert gewesen, denn auf jedem Schild prangte ein runder roter Punkt, der das Bild als verkauft auswies.

Hayman hatte ganz offenbar eine Vorliebe für vollbusige Frauen mit smokey eyes, mindestens schulterlangem Haar, unrasierten Achseln und natürlich bewuchertem Schoß, die er durchaus ästhetisch und liebevoll in verschiedensten Posen präsentierte. Die Frauen waren aber nicht die Hauptmotive in seinen Bildern. Hebräische Kalligraphien in verschiedenen klassischen Stilen umflossen ihre Körperkonturen. Unterbrochen wurden die Schriftzüge von ausladenden Kreisen, Dreiecken, Sternen und Quadraten. Sie waren in Sektionen unterteilt, in die Hayman Symbole einsortiert hatte wie Bleilettern in einen Setzkasten. Ich kannte die Symbole von meinen Studien in gewissen Büchern, die sich mit Mystik befassen, mit magischer Zahlen- und Buchstabenkombinatorik, meinem geheimen Hobby seit frühen Jugendtagen. Die meisten Symbole stammten, wenn mich nicht alles täuschte, aus dem »Sefer Raziel« und standen für Engels- und Dämonennamen, aus denen Hayman überdimensionale Amulette gestaltet hatte. Zu meinem Bedauern reichten meine Hebräischkenntnisse nicht aus, um alle Schriftzüge zu entziffern, und die genaue Bedeutung der vielen Raziel-Symbole habe ich mir nie merken können. Ich verstand immerhin so viel, dass Hayman in den Frauen Engelswesen sah, die er demnach keineswegs für geschlechtslos hielt und die er in den dargestellten Situationen und Posen offenen Forderns, von Schutzbedürftigkeit, aber auch Stärke und Angriffslust durch seine Amulette zu beschützen hoffte. Von den Bildern ging eine Art Glanz aus, ein Farbleuchten ungeheurer Intensität.

Katelyn schien sich weniger für die Bilder zu interessieren als ich. Sie war nicht von meiner Seite gewichen, hielt mich noch immer am Arm, schien aber unruhig nach etwas zu suchen, von dem sie gehört haben musste, das sie bislang aber nicht hatte entdecken können. Sie beruhigte sich erst, als wir den zweiten Ausstellungsraum betreten hatten. Dort hing kein einziges Bild. Der Raum war lediglich eine Passage zwischen zwei einander gegenüberliegenden Durchgängen. Durch den einen waren wir eingetreten. Der andere war mit einem schweren Vorhang aus dunkelblauem Samt verhängt, angestrahlt vom kalten blauweißen Licht eines LED-Spots. Auf dem Vorhang prangten silbern glänzende griechische Lettern.

Αρκαδία

aus: »Replay«,
© Benjamin Stein (2011)

4 Reaktionen zu “Αρκαδία (I)”

  1. Herr H

    Oh je, überall nackte Frauen, gebt den Frauen doch was zum anziehen und die sieht auch, ein bißchen aus wie Elke

  2. ksklein

    Magst Du keine nackten Frauen?

  3. Herr H

    ich bin verrückt nach ihnen, sobald sie sich ausgezogen haben, laufe ich automatisch die decke hoch

  4. Αρκαδία (II) « Turmsegler

    […] (II) 28. Januar 2011 Arkadien, entzifferte ich.Katelyn zog mich ungeduldig in Richtung des Vorhangs. Ich war mir nicht einmal […]

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