Ich führe Krieg

4. April 2010

Bernard-Henri Lévy
Bernard-Henri Lévy

••• »Ich führe Krieg«, verkündet der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy in einem bemerkenswerten Interview, das im »Spiegel« 14/2010 am morgigen Montag erscheinen wird. Lévy, Unterzeichner des »Manifestes der 12« gegen den Islamismus als neue totalitäre Bedrohung bezieht sich auf seine jüngst erschienene Streitschrift »Vom Kriege in der Philosophie«. Wenn er jedoch Krieg sagt, meint er nicht das Leben vernichtende Hantieren mit schweren Waffen, das er zutiefst verabscheue; sein »Krieg« sei vielmehr ein Krieg der Gedanken. Während die Politik auf Kompromisse aus sein müsse, gelte es im Diskurs, unversöhnlich zu bleiben, solange jedenfalls sich die eigenen Positionen nicht als Irrtum erwiesen.

Die Renegaten sind doch das Salz der Erde, man muss Renegat sein! Sich in der Treue zu sich selbst einzumauern, wenn sie sich als Irrtum erwiesen hat, damit ist der Gipfel intellektueller Verdorbenheit erreicht. Man muss sich selbst untreu werden, wenn Treue das Verharren im Falschen bedeutet.

Die Rede ist im Interview u. a. auch vom »Krieg der Kulturen«, jedoch nicht im Sinne Huntingtons, nicht zwischen Ost und West. Lévy sieht den wirklichen Zivilisationskrieg im innerislamischen, im »Kampf zwischen dem Islam der Aufklärung und dem der Finsternis, der Demokratie und des Terrorismus.« Wirft jemand wie etwa Broder den Begriff des Islamofaschismus in den Raum, dreht man sich gern schnell mal weg. Lévy präzisiert, dass und warum dieser Begriff tatsächlich gerechtfertigt ist:

Die islamische und insbesondere die arabisch-islamische Welt ist die einzige, die nicht die Lehren aus dem Faschismus gezogen hat. Es gibt ja in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchaus einen arabischen Faschismus, auch eine ausgeprägte Bewunderung für den deutschen Nationalsozialismus. Die syrische und die irakische Baath-Partei, die Muslim-Büder in Ägypten, sie alle haben faschistische ideologische Wurzeln, die nicht allein im Kampf gegen die europäischen Kolonialmächte gewachsen sind. Das Führerprinzip, die Volksgemeinschaft, die Autoritätsgläubigkeit, die Todesbejahung, der Rassismus, der Judenhass, der Heils- und Reinheitswahn – das alles sind Elemente einer genuin faschistischen oder nazistischen Tradition, die in Arabien fortwirkt, gerade weil sie nicht als solche ins Bewusstsein gehoben wird.

Ein wenig blind scheint mir Lévy auf dem »linken Auge«. Denn was die linksradikalen Ideologien in »Arabien« und Nordafrika gesät haben, trägt auch noch bis heute giftige Früchte. Aber das nur nebenbei.

Was mich verblüfft hat, ist Lévys Selbstverständnis als Philosoph, der zwar einen »kriegerisch unerbittlichen Diskurs« propagiert, sich selbst aber als Reparateur im besten Sinne eines Tikkun (das Wort fällt nicht!) versteht:

Es geht wohlgemerkt nicht darum, die Welt zu retten, sondern sie zu reparieren. Denn sie liegt in Trümmern, immerzu.

Lévy sollte mal neben seinen philosophischen auch seine mystischen Vorgänger benennen …

5 Reaktionen zu “Ich führe Krieg”

  1. Markus A. Hediger

    Das letzte Zitat beschäftigt mich. Da du in diesem Zusammenhang das Tikkun erwähnst: Einem Christen käme es nie in den Sinn (ich übertreibe vielleicht ein bisschen), die Welt zu reparieren. Ihm geht es um Rettung. Und da er die Welt längst verloren gegeben hat, geht es ihm nur noch im die Rettung seiner Seele.

  2. Benjamin Stein

    Ist das so? Das fände ich tragisch. Lévy sieht das Konzept des Reparierens – wie Nathan Bollag in der »Leinwand« – auch anwendbar auf die Künste etc. Und wie rechtfertigt er, dass man »reparieren« statt retten (zum Heil führen) müsse?

    Heilung ist nicht möglich. Der Wunsch nach Reinheit und nach endgültiger Gesundheit ist die Gebärmutter des Totalitarismus. Der Philosoph sollte sich nicht mit dem Absoluten beschäftigen, sondern mit dem Unvollendeten.

    Aber bitte: Man sollte das Interview in Gänze und korrekter Abfolge lesen. Lohnt sich als Ausgangspunkt diverser Überlegungen.

    Und da er die Welt längst verloren gegeben hat, geht es ihm nur noch im die Rettung seiner Seele.

    Kann ich meine Seele retten, ohne an »die Welt« zu denken? Das ist mal eine sehr spannende Frage für den »interkonfessionellen« Dialog. Denn dahinter schwingt die Frage mit: Warum/wofür sind wir überhaupt hier? Sollte es da nur um die eigene Seele gehen? Meine Güte, das sind ja Fragen heute…

  3. Markus A. Hediger

    Es IST tragisch und dass diese Haltung zu totalitären Auswüchsen geführt hat, steht ja ausser Frage.

    Ich finde den Reparaturgedanken sehr schön.

    (Ist das Interview online verfügbar? Ich würde es sehr gerne lesen.)

  4. Benjamin Stein

    (Ist das Interview online verfügbar? Ich würde es sehr gerne lesen.)

    Noch nicht. Der Spiegel kommt ja erst morgen raus. Wenn ich die nächsten Tage drauf stoße, trage ich den Link nach.

  5. Therese Kosowski

    Kann ich meine Seele retten, ohne an »die Welt« zu denken?

    Nein, denn das wäre purer Egoismus. Und Egoismus schließt jegliche Rettung (Erlösung) aus.

    Das Reparieren als tägliches Bemühen? Ich suche gern nach Gemeinsamem im christlichen und jüdischen Gedanken.

    Der Wunsch nach Reinheit und nach endgültiger Gesundheit ist die Gebärmutter des Totalitarismus.

    Richtig! Das ist der Punkt, in dem »das Gute« in sein Gegenteil umkippt.

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