Sandemose

19. Januar 2010

Inger Christensen, Foto: EPA
Inger Christensen • Foto: EPA

Die sonne steht tief in dem kleinen jahr
der farn grübelt über dunkel
der mutige pfad ist verschwunden
das große haus ist nur holz
in der täfelung raschelt ein feind

Der stuhl läßt dich sitzen
der tisch läßt dich sitzen
das brot läßt dich stehen
die kleinen kerne der wörter
die kerne der menschenleiber
mahlen und zermalmen deine hand
deinen geist
der feind raschelt

Briefe gären hinter alter täfelung
das mehl murmelt im munde
der holzwurm ritzt sich voran
dein hirn sprengt seine zeit
der feind ist los

Die wände stehlen sich weg
das werkzeug stiehlt sich weg
die uhr stiehlt sich in stillstand

sie haben einen spaziergang gemacht
dein stuhl und dein tisch
sie brüten alte
gierige wörter aus
hoch im schneeweißen gebirg

Du bist auf dem wege

Inger Christensen (1935-2009)

••• Inger Christensen? Habe ich gar nicht mitbekommen. Nicht, während sie lebte. Und nicht, dass sie im Januar letzten Jahres gestorben ist – ohne den Nobelpreis bekommen zu haben, für den sie jahrelang im Gespräch gewesen ist. Um solche Wissenslücken zu schließen, gibt es glücklicherweise das »Poesiealbum«. Im Heft 285 wird die dänische Lyrikerin mit einer kleinen Auswahl vorgestellt.

Wer oder was, habe ich mich gefragt, ist »Sandemose«? Ein wenig Recherche fördert den dänisch-norwegischen Schriftsteller Aksel Sandemose zutage:

Sandemose war der Sohn eines Schmiedes. Nach Vollendung seiner Schulpflicht fuhr er lange Jahre zur See. Später arbeitete er als Lehrer und Journalist. Ab 1929 lebte Sandemose in Norwegen und schrieb ab spätestens 1931 in norwegischer Sprache (Riksmål). […] Sein Frühwerk wurde stark von Joseph Conrad und Jack London beeinflusst. Die Kriegsjahre 1941-1945 verbrachte Sandemose im schwedischen Exil. Er starb am 6. August 1965 in Kopenhagen, Dänemark.

Das war es dann auch schon an Internet-Weisheit zu einem Autor, der »als Begründer des modernen skandinavischen Romans« gilt. Ob es wirklich ein Widmungsgedicht ist oder doch etwas anderes dahintersteckt, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Vielleicht kann jemand aushelfen?

Die Komposition im obigen Gedicht ist faszinierend. Mich erinnert dieses Fließen und Variieren an eine Fuge

Eine Reaktion zu “Sandemose”

  1. Michael Mittelhaus

    Hallo,
    auf meinem Literaturblog »altmodisch:lesen« habe ich zwei Bücher von Sandemose rezensiert.
    Aktuell steht dort ein Beitrag über ein sehr informatives Werk über Sandemose von einer norwegischen Professorin:
    https://mittelhaus.com/2019/05/31/randi-birn-aksel-sandemose/

    Sehr umfangreiche Infos bekommst Du bei der Dänischen Sandemose Gesellschaft:
    http://sandemose.dk/?page_id=81

    Ein bischen Dänisch vorausgesetzt :-)

    Gruss aus Berlin
    Michael

Einen Kommentar schreiben

XHTML: Folgende Tags sind verwendbar: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>