Kinder ohne Namen

22. August 2009


Auf dem Friedhof Shomre Hadas in Putte (Holland), Feld der namenlosen Kinder

••• Rav Jacob Berger hat mir am Freitagnachmittag noch einen Wunsch erfüllt und ist mit mir nochmals nach Putte in Holland gefahren, wo sich der Friedhof von »Shomre Hadas« befindet. Die Antwerpener Gemeinden begraben ihre Toten in Holland, da alle Friedhöfe in Belgien den örtlichen Gemeindeverwaltungen unterstehen und für alle Bürger zugänglich sein müssen. Zudem können Grabstellen nur für 10 bis maximal 25 Jahre erworben werden. Die Anlage jüdischer Friedhöfe mit ewigen Gräbern, wie sie das Judentum vorschreibt, ist daher in Belgien nicht möglich.

Ich wollte diesen Friedhof vor meiner Abreise noch sehen, weil ich wissen wollte, wie man hier die namenlosen Kinder beerdigt.

Ein jüdischer Junge erhält seinen Namen erst am achten Tag seines Lebens bei der Beschneidung, ein Mädchen am ersten Schabbes nach der Geburt durch Verkündung in der Synagoge. Wird ein Kind tot geboren oder stirbt es vor der Namensgebung, wird es beerdigt. Jedoch erhält das Grab nicht, wie sonst nach elf Monaten üblich, einen Grabstein. Das »Feld der namenlosen Kinder« liegt auf dem Münchner Friedhof ein wenig abseits auf einer Wiese unter Bäumen. Auf jeder Grabstelle steht ein kleines Metallschild, auf dem der Todestag vermerkt ist. Darüber hinaus steht auf dem Schild nur »Kind«, manchmal auch »Kind« und der Familienname.

Auch auf dem Friedhof von Shomre Hadas in Putte gibt es ein solches Feld. Jedoch stellt man hier auf jede Grabstelle nur einen kleinen Steinquader ohne Inschrift. Die Eltern erfahren nicht, wo das Kind beerdigt wurde, denn man möchte sie davon abhalten, ihre Kinder, die nach jüdischer Vorstellung nicht »vollständig« Mensch werden durften, zu lange zu betrauern.

Es gibt auch einige Grabsteine auf diesem Feld. Sie tragen die Namen von Kindern, ihr Geburts- und Sterbedatum. Sie wurden nicht älter als drei Monate.


Auf dem Friedhof Shomre Hadas in Putte (Holland), Feld der namenlosen Kinder

Schabbes ist vorüber. Morgen muss ich wieder aufbrechen und nach München zurückkehren. Ich wäre gern noch geblieben. Die Menschen, die ich hier kennengelernt habe, haben mein Herz erobert. Vor allem natürlich Rav Jacob Berger, ein talmid chocham, herzlich und weise, a ganzer mensch, wie man auf Jiddisch sagt. Ich werde eng mit ihm in Kontakt bleiben und hoffe weiter auf seinen Rat und seine Hilfe bei meinem Bemühen, die Chevra Kadischa in München mit neuem Leben zu erfüllen und viele neue engagierte Freiwillige für diese wichtige heilige Arbeit zu finden.

Ebenso danke ich meiner Gastfamilie, Erwin und Lottie Engel, die mich überaus herzlich über Schabbes aufgenommen haben und denen ich viele neue Erkenntnisse und Einblicke in das jüdische Leben in Antwerpen und das Diamantgeschäft verdanke. Auch sie hoffe ich bald wiederzusehen.


Rav Jacob Berger (Rosh Chevra Kadisha von Shomre Hadas Antwerpen)

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