Judith

31. Januar 2008

Caravaggio: Judith enthauptet Holofernes
Caravaggio: Judith enthauptet Holofernes

Holofernes:
Weib ist Weib, und doch ist da ein Unterschied. Nirgends fühlt ein Mann so sehr, wieviel er wert ist, als an Weiberbrust. Ha, wenn sie seiner Umarmung entgegenzittern, im Kampf zwischen Wollust und Schamgefühl, wenn sie Miene machen, als ob sie fliehen wollen, und dann mit einmal von ihrer Natur übermannt, an seinen Hals fliegen; wenn dann, durch verräterische Küsse in jedem Blutstropfen geweckt, ihre Begierde mit der Begierde des Mannes um die Wette läuft, und sie ihn auffordern, wo sie doch Widerstand leisten sollten, ja, das ist Leben. Wenn das Auge, das jetzt in Wonne bricht, sich finster schloß, als der Überwinder hereintrat, wenn die Hand, die jetzt schmeichelnd drückt, ihm gern Gift in den Wein gemischt hätte. Da erfährt mans, warum die Götter sich die Mühe gaben, Menschen zu machen. Da hat man ein Genügen, ein überfließendes Maß! Das ist ein Triumph.

Judith (gleichzeitig, wie im Gebet versunken):
Ich suchte des Nachts in meinem Bette, den meine Seele liebt. Ich suchte, aber ich fand ihn nicht. Ich schlafe, aber mein Herz wacht. Da ist die Stimme meines Freundes, der anklopft: Tue mir auf, liebe Freundin; denn mein Haupt ist voll Taues und meine Locken voll Nachttropfen. Ich habe meinen Rock ausgezogen, wie soll ich ihn wieder anziehen? Ich habe meine Füße gewaschen, wie soll ich sie wieder besudeln? Aber mein Freund streckte seine Hand durchs Türloch, und mein Leib erzitterte davor. Da stand ich auf, daß ich meinem Freund auftäte; meine Hände troffen mit Myrrhen, und Myrrhen liefen über meine Finger an dem Riegel am Schloß. Und da ich meinem Freund aufgetan hatte, war er weg und hingegangen. Ich suchte, aber ich fand ihn nicht; ich rief, aber er antwortete mir nicht. Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, findet ihr meinen Freund, so sagt ihm, daß ich vor Liebe krank liege.

Siegfried Matthus, aus dem Libretto zu „Judith“
Oper in zwei Akten nach dem gleichnamigen Drama von Friedrich Hebbel
und Texten aus den Psalmen sowie dem Hohelied Salomos


••• Eine wunderbare Adaption eines Kapitels aus dem Hohelied Salomos findet sich in der sechsten Oper von Siegfried Matthus: „Judith“. Das Libretto hat Matthus nach dem gleichnamigen Drama von Friedrich Hebbel selbst geschrieben. Für eine Opernadaption war der Originaltext zu umfangreich. Matthus ist Komponist, kein Dichter; und so muss man den Text unbedingt in der Vertonung geniessen. Er glüht unter der Musik geradezu auf.

In dem Apokryphenbuch „Judith“ ist die Heldin die keusche, unbefleckte Heroin, die entschlossen die Bewohner ihrer belagerten Heimatstadt Bethulien rettet, indem sie den Feldhauptmann Holofernes im Schlaf enthauptet. Er hatte zuvor so viel Wein getrunken wie noch nie zuvor bei einem Gelage und war eingeschlafen, bevor er Judith auch nur berühren konnte.

Ganz anders erzählen Hebbel und nun nach ihm Matthus diese Geschichte. Judith, die sich nach Berührung und Liebe sehnt und von Selbstzweifeln und Depressionen geplagt ist, fasst den Plan, Holofernes zu töten, um ihrem verirrten Leben einen Sinn zu geben. Als sie Holofernes schliesslich in dessen Lager gegenübersteht, verliebt sie sich in ihn, der das ganze Gegenteil von ihr ist, ihrem tiefen Glauben gegenübertritt mit höhnischer Ungläubigkeit und massloser Selbstüberhebung. Sie verliebt sich in ihn, weil sie in ihm endlich einen Ebenbürtigen erkennt. So gibt sie sich ihm hin; doch Holofernes erkennt zwar Judiths Stärke, nimmt sie jedoch nur als Reiz und weiss sie nicht zu würdigen, geschweige denn zu lieben. „Bin ich denn ein Wurm, dass man mich zertreten darf, als ob nichts geschehen wäre?“, fragt Judith, als sie den Feldhauptmann selig lächelnd schlafen sieht. Er hat diese starke Liebende verschmäht; und getrieben vom Hass ob dieser Zurückweisung enthauptet sie ihn.

Vom Volke wird sie freilich als Heldin gefeiert, doch es ekelt sie vor sich selbst. In einer gewaltigen, sich vom Pianissimo bis zum Forzando steigernden Passagaglia steigt Judith in einen Turm und erhängt sich.

Die Bühne ist im ersten Akt geteilt. Auf der einen Seite befindet sich das Feldlager des Holofernes, auf der anderen Seite schaut man auf einen Platz in der belagerten Stadt Bethulien. Die Handlung wechselt zwischen den Orten. Das oben zitierte Duett ist somit nur auf der Bühne eines; denn de facto sind Holofernes und Judith in diesem Moment an unterschiedlichen Orten und sind einander bislang noch nicht begegnet…

Duett Holofernes/Judith, aus „Judith“ von Siegfried Matthus
Eva-Maria Bundschuh (Judith) / Werner Haseleu (Holofernes)
Orchester der Komischen Oper Berlin

Eine Reaktion zu “Judith”

  1. Maria haseleu | Miranda1929

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