Klar und verlassen

25. Juni 2007

I mattini passano chiari
e deserti. Cosí i tuoi occhi
s’aprivano un tempo. Il mattino
trascorreva lento, era un gorgo
d’immobile luce. Taceva.
Tu viva tacevi; le cose
vivevano sotto i tuoi occhi
(non pena non febbre non ombra)
come un mare al mattino, chiaro.

Dove sei tu, luce, è il mattino.
Tu eri la vita e le cose.
In te desti respiravamo
sotto il cielo che ancora è in noi.
Non pena non febbre allora,
non quest’ombra greve del giorno
affollato e diverso. O luce,
chiarezza lontana, respiro
affannoso, rivolgi gli occhi
immobili e chiari su noi.
È buio il mattino che passa
senza la luce dei tuoi occhi.

Klar und verlassen gehen die Morgen
hin. So taten einst
deine Augen sich auf. Langsam
verstrich der Morgen, ein Abgrund
unbeweglichen Lichts. Er schwieg.
Du Lebendige schwiegst; unter deinen Augen
lebten die Dinge
(kein Leid, kein Fieber, kein Schatten)
wie ein Meer am Morgen, so klar.

Wo bist du, Licht, es ist Morgen.
Du warst das Leben und die Dinge.
In dir atmeten wir, wach
unterm Himmel, der noch in uns ist.
Ohne Leid, ohne Fieber,
ohne diesen schweren Schatten des
Tags voll Getümmel, so anders. O Licht,
ferne Klarheit, angstvolles Atmen,
richte die unbewegten,
klaren Augen auf uns.
Dunkel vergeht der Morgen
ohne das Licht deiner Augen.

Cesare Pavese, 13. März 1950
Nachdichtung: Urs Oberlin

••• Dieses Gedicht schrieb Pavese unter dem Eindruck seiner letzten Liebe zu der amerikanischen Filmschauspielerin Constance Dowling. Er hatte sie – gemeinsam mit ihrer Schwester Doris – um die Jahreswende 1950 in Rom kennengelernt. Anfang März 1950 verbrachte er mit Constance einige Tage in Rom und Cervinia und legte noch einmal alle Hoffnung in eine Liebe. Doch dieses Gedicht, das zum gleichen Zyklus gehört wie auch „Der Tod wird kommen und deine Augen haben“, entsteht ahnungsvoll bereits, bevor Constance zwei Wochen später „für zwei Monate“, wie sie verspricht, ohne ihn nach Amerika reist.

Am 17. April schreibt Pavese an sie in einem Brief:

Liebste, du wirst nie zu mir zurückkehren, selbst wenn du den Fuß wieder nach Italien setzt. Wir haben beide im Leben etwas zu tun, das es unwahrscheinlich macht, daß wir uns wieder begegnen, geschweige denn heiraten, wie ich verzweifelt hoffte. Aber Glück ist ein Ding mit Namen Joe, Harry oder Johnny – nicht Cesare.

Pavese litt unter ejaculatio praecox, einer psychischen Störung, die nicht unbehebbar ist. Pavese selbst bezeichnete sie jedoch ganz seinem Empfinden nach als Impotenz und sah in ihr den Beweis dafür, dass auf eine erfüllende Liebe für ihn nicht zu hoffen sei.

In seinem Tagebuch notiert er während der Arbeit an dem Gedichtzyklus:

Man tötet sich nicht aus Liebe für eine Frau. Man tötet sich, weil eine Liebe, irgendeine Liebe, uns in unserer Nacktheit enthüllt, in unserem Elend, unserer Wehrlosigkeit, unserem Nichts.

Und er setzt am 27. Mai 1950 hinzu:

Die Glückseligkeit der Jahre 48/49 ist ganz abbezahlt. Hinter jener olympischen Befriedigung war dies – die Impotenz und die Weigerung, mich zu verpflichten. Jetzt bin ich auf meine Art in den Strudel geraten: Ich betrachte meine Impotenz, ich spüre sie in den Knochen, und ich habe mich verpflichtet an ein politisches Engagement [Anmerkung: seine Aktivität in der KP Italiens], das mich erdrückt. Die Antwort ist nur die eine: Selbstmord.

Im Juni 1950 erhält Pavese noch den begehrten italienischen Literaturpreis Premio Strega. Seinen Entschluss setzt er zwei Monate später dennoch um. Sein Abschied von der Liebe, beschworen in diesen letzten Gedichten des Jahres 1950, war auch sein Abschied vom Leben.

2 Reaktionen zu “Klar und verlassen”

  1. Andrew Shields

    Hier die englische Fassung von Geoff Brock:

    The mornings pass clear
    And deserted. Your eyes
    used to open like that. Morning
    crept by, a motionless
    maelstrom of light, silent.
    You lived in silence, life
    right before your eyes
    (no pain no pain no shadow)
    like a morning sea, clear.

    Where you are, light, is morning.
    You were life and all things.
    Awake in you, we breathed
    beneath a sky that‘s still within us.
    Not sorrow no fever then,
    not this leaden shadow of day,
    crowded and different. O light,
    distant clarity, difficult
    breath, turn again your clear
    and motionless eyes to us.
    With no light from your eyes
    morning is dark.

    Er hat übrigens ein Collected Poems von Pavese veröffentlicht: „Disaffections,“ Copper Canyon Press.

    Hier sind noch einige zu lesen.

  2. Benjamin Stein

    Vielen Dank! Auch für die Scans per Mail!

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