Kaffee schwarz

23. Januar 2007

Morning Coffee © by Bozaman

Am dunkelsten
in der Mitte
– wie dein Auge –
heller am Rand
vom weißen Porzellan –
bis zum Grund
kann ich nicht blicken.

Alles kühlt ab
langsam
von außen nach innen.
Manche wärmen ihn auf –
mir aber ist das
wie schon einmal gestorben.

Charlotte Grasnick, aus: „Flugfeld für Träume“
Verlag der Nation Berlin 1984
© Charlotte Grasnick 1992

••• Von den literarischen Zirkeln im Hause der Grasnicks habe ich schon berichtet. Mit Charlotte hat mich später noch etwas Besonderes verbunden. Anfang der 90er Jahre habe ich viele Stunden mit ihr über ihren Texten verbracht. Sie kam zu mir mit vielen Blättern und Zetteln, handschriftlichen Notizen. Sie wollte sie ordnen. Ich tippte sie in den Computer. Oft gingen die Texte durch den Filter langer Gespräche; doch dabei ging es eigentlich nur um feine Schliffe hier und da. Ich glaube allerdings, sie hat nicht wirklich gesehen, wie stark ihre Texte waren.

Ja, es waren Fragmente, die wir da sichteten und ordneten. Aber ich hatte den Eindruck, dass Charlotte nur eine Haaresbreite davon entfernt war, die einzelnen funkelnden Bruchstücke zu einem stimmigen Kaleidoskop zusammenzufügen.

Erschienen sind diese Texte bis heute leider nicht. Wie ich Charlotte kenne, wird sie die Ausdrucke der damals in den Computer getippten Texte mit unzähligen Korrekturen und Randnotizen voller neuer Ideen versehen und in einer weiteren Kladde abgelegt, wenn nicht gar verlegt haben. So gibt es wieder etwas zu ordnen und „ins Reine“ zu schreiben. Und das wird kein Aufwärmen sein, sondern ein Neu-Erfinden, eine neue Variation auf das alte Thema.

Insofern mache ich mir keine Sorgen. Wir werden diese Texte eines Tages noch zu lesen bekommen und darüber staunen. Darauf freue ich mich heute schon.

2 Reaktionen zu “Kaffee schwarz”

  1. Hilbi

    Ich kenne eine Dichterin die hat auch so dunkle Augen, schade dass Sie weder mit mir schreibt noch dass sie mit mir spricht.

  2. Was wir uns erzählen… « Turmsegler

    […] Was für eine Sammlung! Es sind tatsächlich einige Stücke darin aus der Kladde, von der ich schon berichtet habe. Und wie prophezeit (dazu gehörte ja nicht viel) haben die Splitter in einer Art […]

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